Flensburg: Keine Abtreibungen mehr

Foto: Christian Ditsch/epd/imago images
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Es sollte ein Vorbild-Projekt werden: Das „Malteser-Diako“-Klinikum in Flensburg, das erste ökumenisch geführte Krankenhaus in Deutschland, das größte und modernste Krankenhaus Schleswig-Holsteins. Läuft alles nach Plan, wird es 2024 am Stadtrand eröffnet. Ein Paradebeispiel für die Art Zusammenarbeit, die sich auch viele Menschen von der katholischen und evangelischen Kirche wünschen.

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Nur eine Sache passte ganz und gar nicht zusammen: die jeweilige Haltung zum Thema Abtreibung. Lange hatten die katholischen Malteser mit der evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt verhandelt. Resultat: Die Katholiken sagten Nein, die Protestanten gaben kleinlaut nach, um den Bau nicht zu gefährden.

Keine Abtreibungen mehr im Krankenhaus

Beide Träger verkündeten dann stolz: „In Notfällen, etwa wenn der Frau Lebensgefahr droht, wird ein Abbruch möglich sein.“ Beide Krankenhauschefs betonten zudem, dass Schwangerschaftsabbrüche generell nicht in den Aufgabenbereich eines Krankenhauses gehörten und zu 90 Prozent ohnehin beim Frauenarzt durchgeführt würden.

„Steinzeitlich“, „Katastrophe“ – die Empörung über die Entscheidung der beiden Kirchen wächst seitdem von Tag zu Tag. Empörte BürgerInnen, Pro Familia, der Berufsverband der Frauenärzte Schleswig-Holstein sowie die Flensburger Gleichstellungsbeauftragte Verena Balve schlagen Alarm.

Balve gehört, ebenso wie Pro Familia-Leiterin Anne Redmann und der Flensburger Frauennotruf, zu den Erstunterzeichnerinnen einer Petition gegen die Entscheidung der Krankenhäuser. „Das Wegbrechen des stationären Angebotes bedeutet für betroffene Frauen, dass sie nun zukünftig weite Strecken bewältigen müssen, wenn sie den Schwangerschaftsabbruch in einer Klinik vornehmen lassen möchten. Für Mütter mit kleinen Kindern oder für Frauen ohne Auto und Führerschein wird solch eine Strecke zum unüberwindbaren Problem“, erklären sie.

Und sie weisen darauf hin, dass „die Versorgungslage in Flensburg bereits jetzt schlecht aussieht: Denn auch die Anzahl der Praxen in Flensburg, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, hat sich seit 2012 von neun auf vier Praxen reduziert. Für die betroffenen Frauen ist es oft schwierig, zeitnah einen Termin zu bekommen, da die Praxen stark ausgelastet sind.“ Allein Pro Familia hat aber im vergangenen Jahr 233 Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch beraten.

Nur noch vier Praxen bieten Abtreibung an

Auch die Flensburger SPD und Grünen halten die Entscheidung für unakzeptabel: „Bei uns melden sich viele Frauen und Männer, die vor 50 Jahren für das Recht auf straffreien Schwangerschaftsabbruch auf die Straße gegangen und nun empört sind – zu Recht! Frauen brauchen auch in Flensburg und Umgebung weiterhin die Möglichkeit, für einen Schwangerschaftsabbruch in eine Klinik gehen zu können.“

Der Knackpunkt: Im „Schwangerschaftskonfliktgesetz“ ist geregelt, dass die Länder für die Krankenhausplanung und Sicherstellung der ambulanten Versorgung zuständig sind. Allerdings kann das Land Schleswig-Holstein ÄrztInnen nicht vorschreiben, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Und das, obwohl die Klinik mit Millionen Euro vom Land gefördert wird. Desahlb fordert die Petition eine "medizinische Grundversorgung unbahängig von Glaubensgrundsätzen".

Doch nicht nicht nur der Glaube der katholischen "Lebenschützer" ist das Problem, sondern auch die weltliche Gesetzgebung. Schließlich ist ein Schwangerschaftsabbruch nach deutschem Recht immer noch eine Straftat, die nur unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Solange sich das nicht ändert, wird das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, immer weiter ausgehöhlt werden. 

Petition für den Erhalt eines stationären Versorgungsangebotes zum Schwangerschaftsabbruch in Flensburg

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Deutsche ÄrztInnen am Pranger!

Kristina Hänel (li) und Nora Szász (re) wollen nicht auf die Liste. Fotos: Rolf K. Wegst/epd/ImagoImages (li), Kirsten Artus (re).
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Leichter hätte man es Günter Annen wohl kaum machen können. Bisher musste der fanatische Abtreibungsgegner aus Weinheim – dem der Europäische Gerichtshof jüngst untersagte, Abtreibungen mit dem Holocaust zu vergleichen – jede Website einzeln durchsuchen. Das war mühselig und zeitaufwändig, immerhin sind in Deutschland rund 390.000 praktizierende Ärztinnen und Ärzte gemeldet. Doch ab jetzt geht‘s schneller, mit ein paar Klicks. Denn der Betreiber der Website www.babycaust.de hat sie jetzt alle auf dem Präsentierteller. Die, die er schon angezeigt hat, und die, die er noch anzeigen will, weil sie gegen den § 219a verstoßen: das sogenannte „Werbeverbot“ für Abtreibungen.

Ende Juli 2019 hat die Bundesärztekammer eine Liste ins Netz gestellt. Darauf stehen MedizinerInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die Liste ist Teil der „Reform“ des § 219a: Seit der schwarz-rote „Kompromiss“ im März 2019 in Kraft trat, dürfen ÄrztInnen auf ihrer Homepage zwar darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, aber nicht wie. Wegen dieses absurden Verbots wurden am 14. Juni – also nach der Reform des § 219a – die Berliner Gynäkologinnen Bettina Gaber und Verena Weyer für folgenden Satz zu 4.000 Euro Geldstrafe verurteilt: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch gehört zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber.“ Über die Methoden des Abbruchs sollen also nicht diejenigen informieren, die ihn durchführen, sondern: die Bundesärztekammer mit ihrer zentralen Liste.

Kristina Hänel und Nora Szász haben sich nicht auf diese Liste setzen lassen. Denn: „Die Liste enthält keine Details zum chirurgischen Abbruch, weder die Form der Narkose noch die durchgeführte Methode“, erklären Hänel und Szász in einem gemeinsamen Statement. Rabiate Ausschabung oder schonende Absaugung? Die hilfesuchende Frau erfährt es nicht. „Betroffene erfahren auch nicht, bis zu welcher Schwangerschaftswoche mit welcher Methode Abbrüche durchgeführt werden, was sich in der Realität oft als großes Problem erweist. Sie erfahren auch nichts über die zu erwartenden Kosten.“

Eine Luftnummer ist die Liste der Bundesärzte­kammer auch, weil sie, vorsichtig ausgedrückt, lückenhaft ist. Von rund 1.200 ÄrztInnen, die in Deutschland Abtreibungen durchführen, stehen ganze 87 drauf, also 7,25 Prozent. Und davon sind 56 in Berlin und 26 in Hamburg. Bleiben fünf für den Rest des Landes, davon drei in NRW und zwei in Baden-Württemberg. Und die zwölf anderen Bundesländer? Fehlanzeige. Die Liste werde „monatlich aktualisiert“, erklärt die Bundesärztekammer.

Dass sich noch viele ÄrztInnen finden werden, die sich auf die Liste setzen lassen möchten, ist allerdings unwahrscheinlich. Nicht nur, weil viele den entmündigenden „Kompromiss“ boykottieren dürften. Sondern auch, weil sie den fanatischen „Abtreibungsgegnern“ à la Annen ausgeliefert sind.

„Das ist keine Hilfe, sondern ein Pranger“, sagt auch Alicia Baier. „Die Liste erinnert an die Sammlungen, die Abtreibungsgegner zu­sammenstellen.“ Leute wie Günter Annen, der auf seiner Ba­by­caust-­Web­site ÄrztInnen auflistet, damit „Lebens­schüt­zer“ sie terrorisieren können. „Bera­tungs­stellen werden belagert, Ärztinnen werden bedroht“, klagt Alicia Baier. „In dieser Situation halte ich es für schwierig, alle Mediziner auf einer bundesweiten Liste zu sammeln.“

Alicia Baier hat an der Berliner Charité Medizin studiert und 2015 nach amerikanischem Vorbild die „Medical Students for Choice“ gegründet. Motto: „Lernt, was die Uni euch nicht lehrt!“ Denn unglaublicherweise wird die Abtreibung, der häufigste gynäkologische Eingriff, im Studium nicht verpflichtend gelehrt. Alicia und ihre MitstreiterInnen holten also Ärztinnen an die Charité, die ihnen mit Hilfe von Papayas – die der Gebärmutter recht ähnlich sind – demonstrieren, wie man den „einfachen, risikoarmen Eingriff“ durchführt.

Die angehende Medizinerin, die jetzt ihre Facharztausbildung zur Frauenärztin beginnt, hofft, dass „ich mich bis dahin selbst entscheiden kann, wo und wie ich über meine Arbeit informiere.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat inzwischen eingeräumt, dass es bei der Liste „Verbesserungsbedarf“ gebe. Und auch die SPD, die bisher „mit dem Kompromiss gut leben“ konnte (O-Ton Ex-Justizministerin Katarina Barley), meldet sich wieder zu Wort: „Die Liste der Bundesärztekammer ist faktische Desinformation“, sagt Nina Scheer. Die Bundestagsabgeordnete hat sich gerade zusammen mit dem Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für den SPD-Vorsitz beworben. Sie fordert: „Der § 219a muss gestrichen werden!“ So ist es. Jetzt müsste die SPD ihren Worten nur noch Taten folgen lassen. Eine Mehrheit im Bundestag für die Streichung des § 219a gibt es ja.

Weiterlesen: Dossier Abtreibung - es geht wieder los! (5/18)

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