Corona: Das Pascha ist pleite!

Die Türen des Pascha sind zu - und bleiben es auch. Foto: imago images/Eibner
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An Corona gibt es eigentlich nichts Erfreuliches, eins aber doch: Das Kölner Pascha ist pleite. Geschäftsführer Armin Lobscheid hat am Dienstag beim Kölner Amtsgericht einen Insolvenzantrag eingereicht. Damit macht Europas größtes Bordell endgültig die Tore dicht.

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Seit dem Corona-Lockdown im März sind in Deutschland die Bordelle geschlossen. Die laufenden Kosten für das zehnstöckige Laufhaus mit angeblich 60 Angestellten wie Handwerker, Köche oder Security-Männern seien nicht mehr länger zu stemmen gewesen, erklärt Lobscheid.

„Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen.“ Mit diesem Credo, das er auch beim 20-jährigen Pascha-Jubiläum frank und frei in die TV-Kameras posaunte, war Hermann Müller 1996 angetreten und hatte sein erstes Bordell gegründet: das „Pascha“ an der Kölner Hornstraße. Auf zehn Stockwerken waren hier bis zum Lockdown rund 120 Frauen Männern zu Diensten – mit „Geld-zurück-Garantie“.  

Die Frauen zahlten für ein Zimmer 160 Euro am Tag - das macht 100 Freier im Monat. 

Müller blieb seinem Motto treu: Die Frauen zahlten in dem zehnstöckigen Laufhaus für ein winziges Zimmer 160 Euro – am Tag! Das macht 4.800 Euro im Monat. Das sind, bei Preisen zwischen 30 und 50 Euro, mindestens 100 (!) Freier im Monat allein für die Zimmermiete. Die Miete muss, wie EMMA-Redakteurin Alexandra Eul bei einer fiktiven Bewerbung im Pascha recherchiert hatte, jede Nacht um vier Uhr gezahlt werden.

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Viele Frauen lebten in den Zellen und schliefen in dem Bett, in dem sie auch die Freier bedienten. Das wurde erst mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“ 2016 offiziell verboten, ist aber bei einer Sexfabrik, die 24 Stunden geöffnet hat, kaum zu kontrollieren.

Rund eine halbe Million Euro „erarbeiteten“ die Frauen jeden Monat dem Pascha allein mit ihrer Zimmermiete. Als dann der Lockdown kam, beantragte Armin Lobscheid Kurzarbeitergeld – für die 60 Angestellten. Die Frauen gingen leer aus, die seien schließlich „selbstständig“, so Lobscheid.    

Alice Schwarzer zu  Lobscheid: Sie sind ein "White-Collar-Zuhälter"!

Wer sich auf der Website des Pascha umschaute, sah, dass der allergrößte Teil der „Mädchen“, die hier den Möchtegern-Paschas ihre Körper zur Benutzung zur Verfügung stellten (oder stellen mussten), aus Osteuropa und Afrika stammten. Wer sich in den Freierforen umschaute, entdeckte Posts wie diesen: "Moin Mitficker! Was ist das Beste an einem Besuch in Köln? Ein Kurzbesuch in der Hornstraße.“ Sodann schwärmt der „Mitficker“, wie er Kim, den „Kohleneimer“ so richtig „aufgepflockt“ hat. „Endlich mal komplett im Negerarsch!“

2005 nahm die Polizei bei der Aktion „Frühlingszauber gegen Menschenhandel“ 23 Frauen im Pascha fest, davon vier Minderjährige. Sie stammten aus Nigeria. Geschäftsführer Armin Lobscheid erklärte, deren Pässe seien gefälscht gewesen, da könne er halt nichts machen. Auf die Frage, wie er wissen könne, dass die Frauen im Pascha nicht von Zuhältern geschickt und abkassiert werden, antwortet Lobscheid: Für das, was außerhalb des Bordells passiere, könne er natürlich nicht garantieren. Aber: Sollte er von solch einem Fall erfahren, würde er sofort die Polizei informieren. Als er in einer Talkshow vom erfahrenen Rotlicht-Kommissar Helmut Sporer gefragt wurde, wie oft er das denn schon getan hätte, musste der Pascha-Geschäftsführer zugeben: Noch nie. In derselben Talkshow bezeichnete Alice Schwarzer Lobscheid als "White-Collar-Zuhälter".

Lobscheid zum Kommissar: Noch nie die Polizei benachrichtigt.

Umso zynischer ist es, dass Lobscheid mit Blick auf die Pascha-Pleite nun vor den Gefahren warnt, denen die Prostituierten jetzt ausgesetzt seien. „Bulgarische Zuhälter nehmen ihren Prostituierten jetzt das ganze Geld ab“, klagt Lobscheid. Ach, tatsächlich? Und wir dachten immer, Prostituierte arbeiteten freiwillig und selbstbestimmt… Aber nein: „Weil die Nachfrage weiter vorhanden ist, treffen die Frauen sich nun in Hotels, Wohnungen, Autos und Wohnmobilen mit den Männern. Sie genießen nun keinen Schutz mehr, sind ihren Zuhältern und auch Freiern hilflos ausgesetzt.“ Nein, wirklich? Und wir dachten, dass das auch schon vor Corona genauso war...

Und jetzt im Ernst: Das System Prostitution ist menschenverachtend. Es verstößt gegen die Menschenwürde, wenn Männer nur einen Geldschein hinlegen müssen, um den Körper und die Seele einer Frau benutzen zu dürfen. Zumal 90 Prozent dieser Frauen aus den Armenhäusern Europas stammen.       

Ist die Pascha-Pleite der Beginn des Bordellsterbens? Das wäre tatsächlich eine gute Nachricht. Die noch bessere Nachricht wäre, wenn der Staat es nicht Corona überlassen würde, diesem System ein Ende zu setzen - wie es andere europäische Ländern schon getan haben, sondern die Freierbestrafung einführen würde. Denn die schaffen mit ihrer Nachfrage überhaupt erst den Markt. Und eine sehr gute Nachricht wäre es, wenn der Staat den vielen bitterarmen Rumäninnen und Bulgarinnen eine echte Alternative zur Prostitution anbieten würde.

 

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„Der Staat hat keine Antworten!“

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Uli Kreikebaum Im Sommer 2017 haben die „Bläck Fööss“ im Pascha ein Konzert gegeben, über das wir kritisch berichtet haben. Darüber haben sich die „Bläck Fööss“ beschwert und erklärt, das sei doch eine ganz normale Sache. Doch ist Prostitution eine ganz normale Sache? Viele von uns waren der Ansicht, dass sie das nicht ist. Hinzu kam das neue Prostituiertenschutzgesetz, das jetzt seit zwei Jahren in Kraft ist.

Tim Stinauer Wir haben auch festgestellt, wie wenig wir eigentlich über Prostitution wissen. Wie viele Frauen arbeiten in Köln in diesem Gewerbe? Wir haben festgestellt, dass es fast zweitausend sind. Wer verdient wieviel damit? Wie hoch ist der Anteil der Kriminalität?

Kreikebaum Und natürlich: Wie hoch ist der Anteil der Frauen, die das nicht freiwillig machen? 

Haben Sie in Ihrer Redaktion dafür kämpfen müssen?

Stinauer Nein, im Gegenteil! Das Problem war eher: Wie können wir das stemmen? Die Recherche hat sich dann über ein Jahr gezogen.

Kreikebaum Wir wollten ja auch mehr als 20 Minuten zwischen Tür und Angel mit den Menschen sprechen. Das sind oft Menschen, die es nicht gewöhnt sind zu reden. Zum Teil können sie auch nicht gut Deutsch, einige Gespräche liefen auch mit Übersetzern. Uns war wichtig, die Menschen hinter den Klischees zu sehen.

Haben Sie Dinge erfahren, mit denen Sie nicht gerechnet hatten?

Stinauer Was mich am meisten bewegt hat, war das Schicksal der Frau, die wir Amira genannt haben. Die wurde mit 19 von einem Mann in klassischer Loverboy-Manier abhängig gemacht. Er hat ihr dann alles abgenommen, Pass und Geld, und sie mit dem Gürtel geschlagen. Das war eine total sympathische, kluge Frau und ich konnte mir zuerst überhaupt nicht vorstellen, dass die vor sieben Jahren auf so jemanden reingefallen ist. Sie hat dann erzählt, wie perfide er das geplant und gemacht hat. Ich fand auch bemerkenswert, dass sie den Mut hatte, das alles zu erzählen. Sie hat gesagt: „Ich will andere Frauen warnen!“

Kreikebaum Und wir haben erlebt, dass das kein Einzelfall ist. Allein wir haben bei unserer Recherche schon ein halbes Dutzend Frauen gesprochen, die über lange Zeit für einen Zuhälter unter Zwang gearbeitet haben.

Uli Kreikebaum und Tim Stinauer recherchierten für den KStA zum Thema Prostitution. - Foto: Arold Krasniqi
Uli Kreikebaum und Tim Stinauer recherchierten für den KStA zum Thema Prostitution. - Foto: Arold Krasniqi

Sie haben auch mit Armin Lobscheid gesprochen, dem Geschäftsführer des Pascha, das ein so gennantes Laufhaus ist und insgesamt 140 Zimmer an die Frauen vermietet, für 160 Euro - am Tag. Lobscheid erklärte, es sei ein „Ammenmärchen“, dass so viele Prostituierte einen Zuhälter haben.

Kreikebaum Das sehe ich anders. Es sind einfach sehr viele, hinter denen ein Mann steht. Sei es ein Zuhälter von außen, aber auch familiärer Zwang.

Stinauer Wenn da Väter, Brüder, Cousins oder Freunde die Frauen hier zum Anschaffen zwingen, ist es für die Polizei enorm schwierig, in so eine Familienstruktur reinzukommen.

Kreikebaum Zwei Drittel aller Prostituierten in NRW sind Rumäninnen oder Bulgarinnen, ein großer Teil aus Sinti- und Roma-Familien. Da müsste man ganz früh intervenieren, mit Sozialarbeit und Sprachkursen. Und natürlich mit Strafen für diejenigen, die die Frauen zwingen, sich zu prostituieren. Die Frauen müssten auch auf den Ämtern viel kompetenter und respektvoller behandelt werden. Wir haben bei unserer Recherche immer wieder Frauen erlebt, die dort vor die Wand laufen – und die nur mit Hilfe von Dritten wie „Sisters“ oder dem „Sozialdienst Katholischer Frauen“ überhaupt Land sehen und aussteigen können.

Sie haben die Frauen auch danach gefragt, was sie vom Prostituiertenschutzgesetz halten.

Stinauer Eine Antwort, die ganz häufig kam, war: Ich würde Prostitution erst ab 21 erlauben. Dann wären die jungen Frauen, die besonders oft Opfer von Zuhältern werden, schonmal raus. Und sie müssten erstmal eine Ausbildung machen. Und dann käme Prostitution für sie wahrscheinlich gar nicht mehr in Frage.

Das geplante Alterslimit hat die SPD leider aus dem Gesetz wieder herausverhandelt. Frauen unter 18 zu verbieten, sich zu prostituieren, sei ein „Verstoß gegen die Berufsfreiheit“, lautet das Argument.

Kreikebaum Es mehren sich aber jetzt die Stimmen in der SPD, die umschwenken.

Der Kölner Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach hat Ihnen gesagt, er sei für eine Bestrafung der Freier nach dem Beispiel Skandinaviens.

Ich glaube, da dreht sich gerade der Wind. Und ich glaube auch, dass es irgendwann die Freierbestrafung auch in Deutschland geben wird. Allerdings befürchte ich, dass man ein Verbot erlässt, ohne etwas an den Strukturen für die Frauen zu ändern. Und dann würden viele Frauen, denen es dreckig geht, in der Prostitution bleiben, aber halt in der Illegalität.

In der Illegalität sind Zehntausende Frauen in der Prostitution ja schon jetzt. Viele sind ja noch nicht einmal registriert.

Kreikebaum Es gibt aber auch mehrere tausend Frauen, die sich registriert haben. Und viele Etablissements mussten schon jetzt schließen, weil sie die Auflagen des Prostituiertenschutzgesetzes nicht erfüllen können.

Stinauer Wir haben auch immer wieder Frauen getroffen, die betonten, sie machten die Arbeit freiwillig – zum Beispiel, weil sie mit Prostitution deutlich mehr verdienen als mit einem Job an der Supermarktkasse. Für diese Frauen käme die Freierbestrafung einem Berufsverbot gleich.

Und wie waren die Reaktionen der Leserinnen und Leser auf Ihre Serie?

Stinauer Überwiegend positiv. Sie ist auch online sehr viel geklickt worden.

Kreikebaum Darüber waren wir in der Redaktion überrascht, weil wir befürchtet hatten, dass unsere doch eher älteren Leser das Thema ablehnen könnten. Viele schrieben, sie hätten über das Thema noch nie in der Bandbreite und so realistisch gelesen.

Das Gespräch führte Chantal Louis.

Hier geht es zur Serie "Köln im Rotlicht: So funktioniert das Geschäft mit der Prostitution" 

"Deutschland - Das Bordell Europas?" - Alice Schwarzer im Gespräch mit Sabine Constabel (Sisters e.V.) am 10.10, 19 Uhr, in der VHS Stuttgart 

SISTERS - für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V.

Sozialdienst Katholischer Frauen e.V.

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