Maria Schrader: Für die Liebe

Foto: Anika Molnar/Majestic
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Es ist eine Liebe wider Willen und gegen jede Vernunft. Und doch passiert es: Vor antiker Kulisse fällt die Frau dem Mann um den Hals, obwohl sie ihn noch wenige Tage zuvor in ihrer Abstellkammer eingesperrt hat. Eine Szene aus dem Film „Ich bin dein Mensch“. Nachts im Pergamon-Museum in Berlin gedreht. Was für ein Paar, diese beiden, Alma und Tom. Sie: eine angesehene Wissenschaftlerin, unsentimental. Er: ein Alleskönner, Allesversteher und zuverlässig für sie da. Maria Schrader lacht immer wieder auf, wenn sie von ihrem jüngsten Werk erzählt. „Diese Verbindlichkeit, diese Aufmerksamkeit: Das ist schon höchst attraktiv“, schwärmt sie. Der Haken: Tom ist eine Maschine, perfekt auf Almas Wünsche programmiert. Sie testet den humanoiden Roboter im Auftrag des Ethikrats.

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Schrader: Nimmt eine Frau sich das heraus, was ein Mann sich nimmt?

Es ist Maria Schraders dritter Kinofilm als Regisseurin. Ursprünglich wollte die 1965 in Hannover geborene Tochter aus einer Künstlerfamilie ausschließlich Theaterschauspielerin werden, schon während ihres Studiums am Max Reinhardt Seminar in Wien wurde sie an große Bühnen engagiert. Mit Dani Levy, zehn Jahre ihr Lebens- und Arbeitsgefährte, schrieb sie Drehbücher und führte bei „Meschugge“ mit ihm Regie. Sie hat die eine Leidenschaft nie für die andere aufgegeben. „Das sind zwei komplett unterschiedliche Berufe“, sagt sie. „Aber meine Erfahrung als Schauspielerin hilft mir beim Regieführen.“

Wir sitzen uns im Ladenbüro ihrer Agentur in Kreuzberg gegenüber. Maria Schrader, die wilden Locken lose zusammengebunden, taucht während des Gesprächs Möhrenstifte in eine kleine Schüssel mit Hummus. Sie muss essen, sie möchte reden, manchmal macht sie beides zugleich. Ihr Lächeln, die sanfte, aber substantielle Stimme und ihr Blick aus großen dunklen Augen schlagen eine Brücke über den breiten Tisch hinweg. Die Kamera liebt ihr Gesicht. Mit seinen zarten, expressiven Zügen erinnert es an die Diven der Stummfilmzeit.

Das Drama „Aimée und Jaguar“ machte dieses Gesicht 1998 weltbekannt. Die wahre Liebesgeschichte zweier Frauen in der Nazizeit berührte Maria Schrader so tief, dass sie ihre im selben Jahr geborene Tochter Felice nannte, nach Felice Schragenheim, der Frau, die sie spielte. Jetzt hat die Tochter aus ihrer Beziehung mit dem Regisseur Rainer Kaufmann zum ersten Mal mit der Mutter zusammengearbeitet: als Regieassistentin und Sprachcoach für Dan Stevens, der Tom spielt, an der Seite von Maren Eggert, die Alma verkörpert. Auf der Berlinale bekam Eggert den Silbernen Bären dafür.

Maria Schrader und Hauptdarstellerin Maren Eggert beim Dreh für „Ich bin dein Mensch“. Foto: Christine Fenzl
Maria Schrader und Hauptdarstellerin Maren Eggert beim Dreh für „Ich bin dein Mensch“. Foto: Christine Fenzl

Ein an Erfolgen reiches Jahr war das. Im September 2020 wurde Maria Schrader als erste deutsche Regisseurin überhaupt mit dem US-Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet: für ihre Netflix-Miniserie „Unorthodox“. Deborah Feldman, Autorin des gleichnamigen Buches, konnte sich keine andere Regisseurin vorstellen. Vielleicht ist es das: Menschliche Geschicke in all ihren Facetten sind in Maria Schraders genauem, aber immer auch behutsamem Blick gut aufgehoben. Nie stülpt sie sich über die Leben, von denen sie erzählt. Egal ob sie fiktiv sind wie ihr Debüt „Liebesleben“ oder historisch wie „Vor der Morgenröte“ über Stefan Zweigs verzweifelte Jahre im Exil. Ihr nächstes Projekt: Schrader verfilmt in Hollywood das Buch „She said“ der beiden US-Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey über deren Recherchen zum Fall Weinstein.

Schrader: Wie frei ist die Liebe zwischen Mann und Frau wirklich?

In ihrem aktuellen Film wirft Maria Schrader mit leichter Hand schwerwiegende Fragen auf: „Wie frei ist die Liebe wirklich, frei von ökonomischen, karrieristischen, biologischen Überlegungen?“ Einer männlichen Figur gelingt in diesem Film, was Alma nicht schafft: eine Roboterin ohne Skrupel als Partnerin zu betrachten und sie zu kaufen. „Kann es sein, dass die Frau sich einfach nicht erlaubt, sich das zu nehmen, was sich der Mann nimmt, aus einer sozialen Prägung heraus?“, fragt Maria Schrader und antwortet gleich selbst: „Männer betrachten Frauen seit Jahrtausenden als Objekte.“

Vor den Dreharbeiten hat Maria Schrader in der TU Berlin einen Roboter besucht. „Als ich den Wissenschaftlern dort von unserem Film erzählt habe, lächelten sie und meinten, dass unser Tom doch noch sehr ferne Zukunft sei. Ich gebe zu, da war ich doch ein bisschen erleichtert.“

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