Blogger Raif Badawi endlich frei!
Ensaf Haidar fehlen die Worte. „Les mots, les mots… ils disparaissent!“, stammelt die Frau, die zehn Jahre lang auf diesen Tag gewartet hatte. Zehn Jahre, in denen sie darum gekämpft hat, dass Raif Badawi nicht vergessen wird. Im Jahr 2012 war der saudi-arabische Blogger für seinen Einsatz für Meinungsfreiheit und Menschenrechte und gegen die islamistische Diktatur zu zehn Jahren Haft und tausend Peitschenhieben verurteilt worden.
Auch für Frauenrechte hatte sich Raif Badawi eingesetzt, ganz wie seine Schwester Samar. Sie wurde Opfer der Verhaftungswelle 2018, bei der der sich nach außen modern gebende Kronprinz Mohammad bin Salman viele Frauenrechtlerinnen hinter Gitter bringen ließ. Samar wurde im Sommer 2021 freigelassen. Ihr Bruder Raif jedoch blieb in Haft.
ttps://twitter.com/AsraNomani/status/1502693081371619334?s=20&t=E7XFANt6wBVE4jZyRtLgOQ Dear @miss9afi, For 10 years, you have made certain the world knows the name of your beloved husband, Raif Badawi. And that he was jailed by the Saudi government for the “crime” of blogging. Thank you for now sharing with us your joy that #Raifisfree! ❤️ pic.twitter.com/eMA9lBETY6 — Asra Nomani (@AsraNomani) March 12, 2022
Entsetzt sah die Welt in heimlich aufgenommenen Handyvideos, wie er geschlagen wurde – und die Folter nicht zu überleben drohte. Immer wieder berichteten die Medien, darunter auch EMMA, über den Fall. Auf internationalen Druck wurde die Prügelstrafe ausgesetzt. Ensaf Haidar selbst konnte kurz vor Raif Badawis Verhaftung mit ihren drei Kindern ins kanadische Exil fliehen. Sie ließ sich in Sherbrooke nieder, zweieinhalb Stunden von Montréal entfernt.
Im Januar 2018 hatte EMMA-Redakteurin Alexandra Eul sie dort getroffen. „Ensaf Haidar ist eine Heldin, wie man sie heute nur noch selten findet. Seit fünf Jahren kämpft die zierliche Frau im kanadischen Exil wie eine Löwin gegen einen übermächtigen Gegner: den Gottesstaat Saudi-Arabien“, hatte sie damals geschrieben. Und beklagt, dass trotz aller weltweiten Proteste das „islamistische Saudi-Arabien, das Raif Badawi gefangen hält und foltert, gleich mehrere Beförderungen in der internationalen Gemeinschaft durchlaufen hat: vom potenten Wirtschaftspartner hin zum wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat und schließlich sogar zum Mitglied der ‚Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen‘ (kein Witz).“
Darf Raif Badawi nun zu seiner Familie ausreisen oder muss er im Land bleiben?
„Sein Zustand ist kritisch, sehr kritisch! Er spricht kaum noch“, erzählte die verzweifelte Ensaf Haidar damals der EMMA-Reporterin. Vier Jahre später ist es soweit: Raif Badawi ist frei!
Auf der Rathaustreppe der Stadt Sherbrooke, die Raif Badawi zum Ehrenbürger ernannt hat, feierten ihre UnterstützerInnen jetzt mit Ensaf Haidar. Sie hielten Plakate mit Raifs Porträt hoch und tanzten zu Trommelklängen. Und schließlich fand Ensaf Haidar doch ein paar Worte für die Kameras. „Ich bin so glücklich!“ strahlt sie. „Er hat mich heute morgen angerufen. Es geht ihm gut.“
Nun ist die Frage, ob Raif Badawi zu seiner Familie ausreisen darf oder im Land bleiben muss. Denn der Aktivist war auch zu zehn Jahren Reise- und Publikationsverbot verurteilt worden – nach seiner Entlassung. Für Ensaf Haidar zählt im Moment aber erst einmal nur eins: „Ich weiß nicht, wie viele Kilometer er entfernt ist“, sagt sie, „aber das Wichtigste ist, dass Raif frei ist!“