Sexist Man Alive 2022: Sascha Lobo
Er kann einfach alles. Spiegel-Kolumnen, Talk-Shows, Podcasts, Blogs, Werbung. Letztere vor allem, Werbung ist sein Beruf. Sein Themenspektrum so breit gefächert wie das Haupthaar: Corona, Trump, Brexit, Putin, die Queen oder Winnetou. Die Frisur sitzt, die Weltsicht und die Punchline auch.
Woke und wortgewaltig doziert Sascha Lobo auf Bestellung. Lanz, Will, Illner, Plasberg, Pharmakonzerne – her damit! Und wenn gerade keiner anfragt, gibt es vom Poeten vom Prenzlauer Berg noch den eigenen Podcast mit Ehefrau Jule Lobo: „Feel The News“. „Wir reagieren nicht objektiv, sondern emotional“, versprechen die Lobos. Erzählt werden – nach vorgeschalteter, höchstpersönlich aufgesprochener Werbung für Matratzen & Co. – Anekdoten aus dem eigenen Leben, intime Familiengespräche am Küchentisch. Das ist richtig. Das ist falsch. Gänsehaut pur eben.
Neuerdings ist der studierte „Wirtschaftskommunikator“ und digital Bohemian der 2000er Jahre sogar Feminist:in. Welch ein Glottisschlag beim Gendern, da kann frau neidisch werden. Vorbei die Zeiten, in denen Lobo noch ohne Iro, dafür mit Sonnenbrille, Fuchsfell um den Hals und einer Gemüse-Gurke in der Hand auf Partys ging, um seine 3G-Theorie darzulegen: Gurke, Gesprächsanlass, Geschlechtsverkehr. So war das damals.
Welch ein Glottisschlag beim Gendern,
da kann frau neidisch werden
Lobo, Sohn eines Argentiniers und einer deutschen, alleinerziehenden Mutter, Archäologin, erinnert sich: „Wir haben am Abendbrottisch viel über Geschlecht und Feminismus geredet.“ Beste Voraussetzungen also.
Heute ist Sascha Lobo zweifacher Vater und für „My Body, my Choice“, er spricht von „Menschen mit Gebärmutter, die, wenn sie ein Kind bekommen wollen, in der Gesellschaft sofort einen starken beruflichen Nachteil haben“. Sieh an. Menschen mit Gebärmutter? Gab es für die nicht mal einen Namen?
„Ich bin Feminist, und zwar intersektional, sexpositiv, sexarbeits- und transinklusiv. Feminismus heißt für mich, eine radikale Form der Gleichberechtigung für alle Geschlechter und Sexualitäten zu schaffen. Und andererseits gilt es, sich bewusst zu machen, wie wirkmächtig und gewalttätig das Patriarchat in der Gesellschaft wütet.“
Endlich sagt das mal einer. Noch dazu ein Mann. Oder ist das jetzt „kulturelle Aneignung“? Apropos, hat sich beim Lobo eigentlich mal jemand wegen der Frisur gemeldet? Punker? Nachfahren der Irokesen, für die die Frise nicht cool, sondern kalte Marketingstrategie ist? Aber he, sind ja schließlich keine Dreadlocks. Mit Attitüde hat das nichts zu tun.
Jüngst war Sascha Lobo in der Sendung „deep und deutlich“ zu Gast, dem jungen, hippen Pendant zur NDR Talk Show, in der es so richtig tief ins Tauchbecken der Gefühle geht. Er mit Ehefrau Jule, Gefühle sind schließlich ihr Ding.
Und dort traf Sascha Lobo auf Huschke Mau, die sich früher prostituiert und heute ein Buch darüber geschrieben hat, und die, im Gegensatz zu Lobo und allen anderen in der Sendung – inklusive ModeratorInnen – wusste, wovon sie redet. Eine Frau, die seit acht Jahren gegen die Verharmlosung und für Hilfe für Frauen in der Prostitution kämpft. Und die sowohl das hochkriminelle Ausmaß des Menschenhandels, als auch die Entmenschlichung von Frauen selber erfahren und auf den Punkt gebracht hat.
Das heißt: hätte bringen können. Denn sie kam nicht dazu. Warum? Weil der Pick-me-Feminist der Runde „Dissonanzen“ witterte. Und die fangen schon beim „Wording“ an. Lobo wollte lieber von „Sexarbeit“ statt von „Prostitution“ reden und gab zu bedenken, dass durch ein „Sexkaufverbot die ganze Sphäre in die Illegalität rutschen“ würde. „Ey sorry, das würde alles schlimmer machen.“ Der Mann sprach vom „Untergrund“ und dem „Druck auf die Frauen, der da noch größer werden würde“ und schwang sich zum Prostitutions-Experten auf, der Huschke Mau ihr eigenes Leben erklärt. Bei sowas schreien handfeste Feminist:Innen wie er sonst „Mansplaining“.
Der Pick-me-Feminist der "deep und deutlich"-Runde witterte „Dissonanzen“
Als Mau merkt, dass die in intersektionalem Feminismus gebadete Runde die Fakten gar nicht hören will, verlässt sie das Studio. Und Lobo, der nach eigenen Angaben „keine Gelegenheit auslassen möchte, um gegen das Patriarchat zu kämpfen“, raubt der einzig kundigen Frau der Runde damit jeden Raum, um über das verheerende System Prostitution, an dem sie selbst fast zugrunde gegangen wäre, zu reden.
Prostitution in Deutschland besteht bis zu 95 Prozent aus Zwangsprostitution? Deutschland ist das europäische Drehkreuz für Menschenhandel? Es ist die Prostitutionslobby, die die Mär von der „Freiwilligkeit“ und „Selbstbestimmung“ in Umlauf gebracht hat? Nie gehört. Zumindest Lobo in seiner Blase nicht. Dabei weiß er doch sonst alles. Frauenhass im Internet hat er kapiert. Islamismus auch. Aber beim Thema Prostitution, dem Kern-Thema der Gleichberechtigung von Mann und Frau – da finden die Kabel nicht zueinander. Warum nicht?
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil eine Berliner Blase, in deren Zentrum Lobo agiert, ihre eigenen Befindlichkeiten zur Guideline von Gut und Böse und damit einen Werte-Kompass für ganz Deutschland ausgerufen hat. Sexarbeit ist also woke, ist gut, ja, ist feministisch. Solange man sie nicht selbst verrichten muss, natürlich. Und wer das nicht so sieht, der ist raus.
Ignoranz? Iwo. Opportunismus. Da ist es schon fast komisch, wenn einer wie Sascha Lobo in „hart aber fair“ als Anti-Royalist auftritt und zum Tod der Queen attestiert: „Ich verstehe nicht, wie man so vorbehaltlos sein kann, angesichts einer Monarchin, deren Haus Sklaverei und Menschenhandel auf den Weg gebracht hat.“
Gilt das eigentlich auch für seine Homies in der Hauptstadt? Dort wird Sklaverei und Menschenhandel ja auch ziemlich vorbehaltlos hingenommen, oder? Weiße Sklaverei und Frauenhandel.
Diese Berliner Blase, die für sich selbst Respekt einfordert und sich Marginalisierung und Diskriminierung empört verbittet, schwingt mit selbstgerechter Arroganz eine Moralkeule, die die Diskussionskultur in diesem Land erschlägt. Vor allem jene Diskussionen, die die größte diskriminierte Gruppe von allen betrifft: Frauen.
Stellvertretend für diese Berliner Blase und woke Möchtegern-Meinungsmeier, die im Namen des Feminismus „sexpositiven“ Neusprech predigen, ernennen wir darum hiermit Sascha Lobo zum Sexist Man Alive 2022! EMMA gratuliert.