Rom: Non una di meno!
So laut und wütend wurde in Rom schon lange nicht protestiert – und die Stadt ist einiges gewohnt. Eine halbe Million Frauen zog am 25. November, dem „Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen“, vom Circus Maximus in Richtung Kolosseum und weiter zur Lateranbasilika. In weiteren italienischen Städten gab es ähnliche Großkundgebungen. Der gemeinsame Slogan aller Frauen: „Non una di meno“ – „Keine einzige weniger“.
Am 25.11. gehen Frauen in vielen Teilen der Welt – außer in Deutschland – auf die Straße, um gegen Gewalt gegen Frauen zu demonstrieren. Dass in Italien dermaßen mobilisiert wurde, hatte einen Grund. Denn nur sieben Tage zuvor, da war es wieder „eine weniger“.
Am 18. November wurde in der Nähe von Venedig die Leiche der 22-jährigen Studentin Giulia Cecchettin gefunden, übersät mit mehr als 20 Messerstichen, auch im Kopf. Ihr Ex-Freund, der 20-jährige Filippo Turetta, hatte sie niedergestochen und verbluten lassen. Motiv? Sie hatte sich von ihm getrennt. Der Täter packte die Leiche in sein Auto und warf sie in die Schlucht eines Stausees. Er floh zunächst nach Deutschland, wurde in der Nähe von Leipzig jedoch gefasst und hat die Tat mittlerweile gestanden.
Rund 85 Prozent der Gewaltverbrechen an Frauen finden in Italien zu Hause statt, hinter verschlossenen Türen, verübt von Ehemännern, Lebensgefährten, Ex-Beziehungen. Der Mord an Giulia war der 102. Femizid in 2023 in Italien. (Deutschland: 171!)
„Als Filippo gemerkt hat, dass Giulia sich trennen will, hat er sie obsessiv kontrolliert, bedroht, gestalkt und mit Selbstmorddrohungen unter Druck gesetzt“, sagt Elena Cecchettin, die Schwester der getöteten Giulia. Niemand habe Giulia geholfen, auch die Polizei nehme solche Drohungen nicht ernst. „Männer müssen endlich lernen, ein ‚Nein‘ zu akzeptieren und begreifen, dass Frauen nicht ihr Besitz sind“, schrieb Elena in einem Offenen Brief.
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