Über Alice

Alice Schwarzer in Wuppertal

Die Clique. Von links: Klopfer, die Kleine, Alice und Barbara.
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Der 6. Juni wird für Alice Schwarzer ein besonderer Tag. Denn dann wird sie nicht nur – wieder einmal – in ihre so eigenwillige Heimatstadt Wuppertal zurückkehren (deren Kulturpreisträgerin sie seit 1991 ist), es wird auch der Dokumentarfilm von Sabine Derflinger, gedreht in den Jahren 2020 bis 2022, über sie gezeigt. 136 Minuten Auszüge aus den spektakulärsten TV-Sendungen, sowie aktuelle Gespräche in ihrer Wahlheimat Paris, ihrem jetzigen Lebensmittelpunkt Köln - und in Wuppertal (inklusive Schwebebahn, versteht sich).

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Wo das stattfindet? Im Filmkunsttheater Rex. Ausgerechnet. „Da habe ich früher ab dem Alter von neun Jahren – verbotenerweise – in Filmen ab zehn gesessen und unter anderem alle Filme mit Hildegard Knef gesehen. Meine ganz große Flamme. Noch vor Elvis Presley und James Dean. Ich saß immer in Reihe 3, für 1,10 Mark. In der Tasche eine lose Gurke, die ich vorher im Kaufhof erstanden hatte, für 30 Pfennig. Die kaute ich immer ganz rasch, wenn es auf der Leinwand laut zuging.“

Unterwegs mit der Schwebebahn.
Unterwegs mit der Schwebebahn.

Eröffnet wird der Abend von Oberbürgermeister Uwe Schneidewind (Die Grünen). Und zum Abschluss führt der Chefredakteur der Westdeutschen Zeitung, Lothar Leuschen, ein Gespräch mit Alice über ihr Leben, mit Akzent auf das in Wuppertal. „Beides eine große Ehre. Denn im Wuppertaler Generalanzeiger, heute Westdeutsche Zeitung, habe ich 1965 meinen allerersten Text veröffentlicht. Titel: ‚Eine Wuppertalerin in Paris‘. Darin ging es schon um Frauen und Medien. Genauer gesagt: Um Aupair-Mädchen wie mich, deren angeblich süßes Leben an der Seine gerade in den Medien skandalöse Schlagzeilen machte – aber in meinem Text ging es um die Realität des Alltags von jungen, blonden Frauen in Paris. Wir ahnen…“

Nachfolgend der erste Text, den Alice Schwarzer am 31. Juli 1965 veröffentlicht hat. - Abgedruckt auch in „Lebenslauf“ (TB 2011)

Die DVD gibt es auch im www.emma.de/shop
Die DVD mit der Doku "Alice Schwarzer" von Sabine Derflinger gibt es auch im www.emma.de/shop

Eine Wuppertalerin in Paris

Seit Soraya zur ständigen Begleiterin wurde und auch das Thema Kilius-Bäumler reichlich erschöpft ist, beunruhigt ein Teil der deutschen Presse die Leser mit der „Wahrheit" über Deutschlands verlorene Töchter in Paris.

Von der von Verführern belagerten Alliance Française, die aus diesem Grund einen direkten Draht zur nächsten Polizeiwache hat, kann man da lesen, von wilden Dolce-Vita-Partys, Rauschgiftorgien — kurzum, es ist der berühmt berüchtigte Pariser Sumpf, in den unsere braven Gretchen, die im Grunde wohl mit guter Absicht kamen, sinken.

Seit einem Jahr besuche ich nun die umstrittene Sprachenschule Alliance Française. Ob in den Morgen-, Nachmittag- oder Abendkursen, meine deutschen Mitschülerinnen waren meistens junge Mädchen in artig gestärkten Blusen, langen Hosen und Schuhen mit flachen Absätzen, die sich den Kopf zerbrachen, wie sie ein paar Stunden für einen Einkaufsbummel oder eine Promenade erübrigen könnten, denn leider spielen in 90 von 100 Fällen die Deutschen wie alle anderen Ausländerinnen für ein Zimmer im 7. Stock, drei Mahlzeiten täglich und F 150 das Dienstmädchen der Madame - sechs bis acht Arbeitsstunden am Tag sind bei einer Sechstagewoche leider keine Seltenheit. F 150 — ein Tropfen auf den heißen Stein in der teuersten Stadt der Welt. Allein das Schulgeld beträgt F 55, dann Schulhefte, Strümpfe, Seife, mal ein Lippenstift und ein bunter Pulli, ab und zu ein „Expreß" im Café an der Ecke - Deux Margots, das lässt man lieber, denn da zahlt man für den traditionsbeladenen Namen gleich das Doppelte.

Warum nun eigentlich Paris? Um eine gute Dolmetscherin, Sekretärin oder Stewardess zu werden — oder einfach, weil's trotz allem Spaß macht, Paris und die Franzosen ein wenig kennenzulernen.

Die Scharen, die auf das blonde Opfer warten? Ich habe sie noch nie gesehen. Ich glaube, wir sollten endlich einmal mit unseren Vorstellungen über die Franzosen, die entweder nie oder lediglich vor meiner Generation zutrafen, aufräumen. Der junge Franzose ist meistens recht reserviert, tritt überwiegend in Gruppen auf, gibt sich — da von der Französin ziemlich umworben — sehr selbstbewusst und ist, trotz Charme, oft schockierend unhöflich.

Neben der Unmöglichkeit, abends allein auszugehen, da man unaufhörlich von einer gewissen Sorte Männer, die hier in Paris stärker vertreten ist als in anderen Großstädten, belästigt wird, sind es vor allem die Sprachschwierigkeiten, die die deutschen Mädchen in Paris oft isolieren; deshalb sollten sie nicht nur mit etwas Erfahrung und Sicherheit nach Paris gehen, sondern auch mit einer gehörigen Portion Mut.

Alice Schwarzer, Paris, 31.7.1965

Donnerstag, 6. Juni 2024, 19 Uhr, Wuppertal Rex Filmtheater

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