Juliane Luft: Nicht zu bremsen
Wenn man Juliane mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es „energetisch“. Dürfte man weitere Wörter verwenden, wären es: intelligent, mitfühlend, lebensbejahend, offen, humorvoll, hibbelig und laut. Und sie hat einen Traum. Den verfolgt sie seit dem Jahr 2015.
Sie lebte damals in Frankreich, in Toulouse, und beginnt davon zu träumen, Ärztin zu werden. Anstoß: Die Deutsche wohnt bei einem Ehepaar, das jahrelang für „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitete. „Meine Gasteltern waren fast 15 Jahre lang für die Organisation im Ausland tätig, unter anderem auf Haiti, bei den Erdbeben, bei Überschwemmungen in Neukaledonien und an vielen anderen Orten. Mich haben die Berichte meiner Gastmutter sehr beeindruckt. Vor allem, was sie daraus selbst für sich mitgenommen hat an Erfahrungen und Erkenntnissen für ihr Leben. Vorher hat mich Medizin nie interessiert“, erzählt die 26-Jährige.
Die will nun auch in Krisen- und Konfliktgebieten medizinische Hilfe leisten. Ihr Ziel: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgin. Mit nur 14 Prozent Frauenanteil in diesem Fach ist das nicht so einfach. Doch Juliane lässt sich nicht entmutigen.
Ihre akademische Reise beginnt in Heidelberg mit einem Zahnmedizinstudium, das sie nach vier Semestern gegen ein Humanmedizinstudium in Göttingen eintauscht. Hier entsteht auch ihre Promotion im Bereich der Immunologie und Krebsforschung. Besonders interessiert sie die Kommunikation zwischen dem Immunsystem und den Krebszellen. Ihre Forschungsergebnisse finden Anerkennung in wissenschaftlichen Publikationen.
Julianes historisches Vorbild ist ein „alter weißer Mann“: Alexander von Humboldt (1769 – 1859). In der Mittelstufe hatte sie die Biografie des Gelehrten gelesen. „Wie ein Mensch so wissbegierig sein kann, dass er nie aufhört, zu suchen und die Welt zu erkunden. Diese Wachsamkeit, diese Neugierde hat mich während meiner Schulzeit wahnsinnig inspiriert. Mit weit über 80 hat Humboldt noch geforscht und war an der Welt interessiert. Er hat immer weiter gemacht.“
Während der Corona-Pandemie beginnt Juliane eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin. Der Grund: Sie findet die Corona-Maßnahmen falsch, die so manche und manchen dazu verdammen, alleine zu sterben. „Die Pandemie hat meinen Blick auf grundlegende Patientenrechte und die Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitswesen geschärft“, erklärt Juliane. „Dadurch, dass Familienbesuche zum Teil gar nicht oder nur kurzweilig erlaubt wurden, wurde die Sterbebegleitung noch wichtiger.“
In Göttingen begleitet sie Sterbende im Krankenhaus und in Pflegeheimen. Für Juliane ist der Tod kein Tabu, sondern ein Teil des Lebens, den sie mit Empathie und Würde begleiten will. „Ich habe erst noch nebenher eine Ausbildung zur Krankenpflegerin begonnen, wo ich dann leider sehr, sehr viele negative Erfahrungen im Krankenhaus mit dem Tod sammeln musste. Es hat mich schockiert, wie Pfleger und Ärzteschaft teilweise mit den Sterbenden umgegangen sind. Ich komme aus einer katholischen Familie. Bei uns wurde der Tod nicht verschwiegen und ja, erst recht nicht wurde sich darüber gefreut.“ Juliane weiter: „Ich finde es schön, für andere da zu sein, anderen Kraft zu geben, etwas für andere zu tun.“
Zur Zeit verbringt Juliane ein Auslandsjahr an der Université Paris-Saclay, um ihre Französischkenntnisse im medizinischen Kontext zu vertiefen und Einblicke in ein anderes Gesundheitssystem zu gewinnen. Das ist ein weiterer Schritt auf ihrem Weg, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgin zu werden und für „Ärzte ohne Grenzen“ tätig zu werden. Und eine gute Gelegenheit, wieder in dem Land ihres Herzens zu leben. Julianes Leben ist ein Beispiel dafür, wie Leidenschaft und Entschlossenheit zur Verwirklichung großer Träume führen können. Sicher, Julianes Weg ist noch weit. Aber Hallo, liebe Influencerinnen: Wir junge Frauen brauchen in unserer Welt mehr solcher Vorbilder, mehr Julianes!
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