Alice Schwarzer schreibt

"Sie haben mich gehetzt wie ein Tier"

Artikel teilen

Als vor einigen Jahren ein Umweltminister überraschend zurücktrat, interviewte die Tageszeitung Le Parisien am nächsten Tag als Expertin - Brigitte Bardot. Denn die Schauspielerin ist in Frankreich heute eine hoch respektierte Tierrechtlerin.

Anzeige

Wenige Wochen zuvor hatte Prasident Macron sie in dieser Eigenschaft im Elysée-Palast empfangen. Worauf Bardot im Nachhinein nicht besonders stolz ist. Denn der letzte Tropfen für den empörten Abgang des Ministers war ein Auftritt des Präsidenten vor der nationalen Vereinigung der Jäger gewesen. Die war von Macron kräftig gelobt worden für ihre „große französische Tradition“ (eine Million potenzieller Wähler und viele Millionen tote Tiere). Macron erließ ihnen ganz persönlich die Hälfte der jährlichen Jagdgebühren.

„Ich weiß, was es heißt, gejagt zu werden“, schreibt Brigitte Bardot in ihrem 2018 erschienenen Buch „Tränen des Kampfes“. „Ich kenne das Gefühl des ohne Unterlass gehetzten Wildes; das der im vollen Flug abgeknallten Taube; das des in einen Käfig gesperrten Löwen; das des Elefanten, der zum Amüsement der Kinder auf einem Ball balanciert.“ In der Tat ist kaum jemand so gehetzt worden wie Bardot. Die Fans drohten sie bei öffentlichen Auftritten regelrecht totzudrücken.

Mit 20 war sie ein berühmter Filmstar, mit 39 ist sie aus dem Filmgeschäft ausgestiegen

Brigitte war mit 20 ein berühmter Filmstar, mehr noch: ein weltweites Sexsymbol, das, ganz wie Marilyn Monroe, in allen Spinden hing. Marilyn ist, zu Tode gejagt, mit 36 gestorben. Brigitte ist mit 39 aus dem Filmgeschäft ausgestiegen. Sie hat ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben.

1986 gründete B.B. die "Fondation Brigitte Bardot" (FBB), die heute rund hundert MitarbeiterInnen hat sowie 75.000 SpenderInnen in 70 Ländern. Die FBB setzt sich weltweit für Tierschutz und Tierrechte ein, für ausgesetzte Tiere und gequältes Schlachtvieh ebenso wie für vom Aussterben bedrohte Arten – und gegen Praktiken, die die Würde und Schmerzfähigkeit von Tieren missachten; darunter auch das tierquälerische Schächten der Tiere bei vollem Bewusstsein, üblich in jüdischen wie muslimischen Riten.

Letzteres hat Bardot den Ruf des „Rassismus“ und der „Islamophobie“ eingebracht. Verschärfend kommt hinzu, dass ihr Ehemann Bernard d’Ormale, mit dem sie seit rund 30 Jahren verheiratet ist, ein Freund der rechtspopulistischen Politikerfamilie Le Pen ist und daraus kein Geheimnis macht. Hauptberuflich kümmert er sich seit langem um ihre Stiftung. Bardot deshalb als „rechts“ zu bezeichnen, wäre falsch. Sie ist konservativ, immer gewesen. Im Mai 1968 war sie nicht auf den Barrikaden, sondern marschierte neben General de Gaulle in der Gegen-Demonstration.

Brigitte Bardot: "Man hat mich angesehen, aber man hat mich nicht angehört."

Brigitte Bardot ist 1934 in einer Lothringer Indus­triellenfamilie geboren und in Paris aufgewachsen. Sie war von klein an extrem naturverbunden, ein Wildfang. Vielleicht auch in Reaktion auf eine bemerkenswert kalte Mutter. Als Brigitte im Alter von sieben zusammen mit ihrer kleinen Schwester versehentlich eine chinesische Statue kaputtmachte, erklärte die Mutter: „Von nun an seid ihr nicht mehr meine Töchter. Ihr seid Fremde und habt mich zu siezen.“ Diese Episode erzählt Bardot seit Jahrzehnten in allen Texten, die sie über ihr Leben geschrieben hat.

Später wird Brigitte Bardot zwar viel begehrt, aber auch viel ignoriert werden. „Man hat mich angesehen, aber man hat mich nicht angehört“, sagt sie heute. Und: „Dieser Persönlichkeitskult hat mich erstickt. Erst in meiner zweiten Lebenshälfte habe ich mich befreit – und mit den Tieren meinem Leben einen Sinn gegeben.“

Brigitte Bardot : Ein Leben, das Sinn macht. - FOTO: Fondation Brigitte Bardot
Brigitte Bardot : Ein Leben, das Sinn macht. - FOTO: Fondation Brigitte Bardot

Und da ist noch etwas, was Sinn macht. Brigitte Bardot, die als BB zum weltweiten Sexsymbol wurde, ist im Alter zum Rolemodel für Frauen ü50 geworden. Die einst „begehrteste Frau der Welt“ wird in ihrem geliebten Haus am Meer, La Madrague bei Saint Tropez, in aller Gelassenheit alt. Bardot versucht weder, mit 90 einen Körper wie 19 zu haben, noch macht sie Schönheits-OPs oder spritzt Botox. Sie versteckt sich auch nicht. „Wie alles, was natürlich ist, akzeptiere ich auch das Alter“, sagt sie. „Nur meine Seele ist kindlich geblieben. Ich bin sehr naiv. Man kann mich leicht reinlegen.“

So ganz leicht allerdings nicht mehr. Zumindest in Bezug auf die Tiere weiß die 90-Jährige schon lange genau, was sie will.

ALICE SCHWARZER

 

Den nachfolgenden Text schrieb Schwarzer 2014, zu Bardots 80. Geburtstag

Sie war Europas Antwort auf Marilyn Monroe. Wie elend MM geendet ist, ist ­bekannt. BB hat überlebt. Wenn auch nur knapp. Mehrere Selbstmordversuche scheiterten. Es ist eben im Leben keine Freude, Projektionsfläche zu sein statt Mensch.

Es muss 1968 gewesen sein. Die Filmaufnahme zeigt Brigitte Bardot und Gunter Sachs, mit dem sie zu der Zeit verheiratet ist, auf dem roten Teppich der Filmfestspiele in Cannes. Um die beiden herum hunderte von Menschen. Die Massen bedrängen die Bardot so, dass sie sichtbar in Panik gerät. Es ist nur dem neben ihr so bestimmt wie beschützend auftretenden Mann zu verdanken, dass die Situation nicht aus dem Ruder läuft.

Die Szene zeigt, wie mörderisch der Starrummel für den Star sein kann. Noch dazu für eine Sex-Ikone – bei der Bewunderung und Verachtung dicht nebeneinander liegen. Ihr Leben lang wird B.B. gegen das Klischee vom „blonden Dummchen“ ankämpfen. Ganz wie Marilyn Monroe, ihre Vorläuferin in den 50er Jahren. Marilyn ist daran zerbrochen. Brigitte hat überlebt. Aber um welchen Preis.

Als sie 1996 ihre Memoiren vorlegt, beginnt sie mit den bitteren Worten: „Ich danke all denen, die mich gelehrt haben, mit Tritten in den Hintern zu leben; die mich verraten und meine Naivität ausgenutzt haben und mich damit in eine tiefe Verzweiflung stürzten, aus der ich mich wie durch ein Wunder befreien konnte.“ Dass die Bardot nicht zugrunde gegangen ist, verdankt sie wohl dem Trotzalledem-Selbstbewusstsein ihres großbürgerlichen Hintergrundes, und ihrem Start als Tomboy „Charles“ (sie hätte ein Junge werden sollen) sowie ihrem Misstrauen.

Brigitte Bardot mit Gunter Sachs.
Brigitte Bardot an der Seite von Gunter Sachs.

Brigitte ist die Tochter von Anne-Marie und Louis Bardot, Industrielle aus Lothringen und typische Vertreter ihrer Klasse: nationalbewusst, standesbewusst, engherzig. In der Familie Bardot siezen die Kinder ihre Eltern und die Eltern sich. Das Mädchen bewundert „die schöne Mama“ und ist deren Tyrannei ausgeliefert. Die jüngere Schwester Mijanou gilt als „die Hübsche“ – während Brigitte, die ihren Schmollmund dem Daumenlutschen verdankt, die Rolle der „Garstigen und Hässlichen“ zugewiesen wird. Ein Stigma, das sie lebenslang verfolgen wird.

Die Mutter ist missgünstig und hartherzig mit ihren Töchtern, der Vater autoritär und gewalttätig. Begleitet von Mama, ­posiert die 15-jährige Schülerin eines Tanzkonservatoriums nur zufällig für ein Titelblatt der Zeitschrift Elle. Von da bis zur Entdeckung durch Regisseur Marc Allégret ist es nicht weit. Allégrets Assistent ist ein gewisser Roger Vadim, der bohemisierende Sohn des russischen Botschafters in Paris und zu der Zeit ein Niemand.

Bardot: „Er sah aus wie ein Zigeuner – und ich war verrückt nach ihm.“ Mit 16 beginnt sie ein Verhältnis mit ihm, irgendwann kommt das raus. Der Vater verprügelt sie. Brigitte macht ihren ersten Selbstmordversuch: Kopf in den Gasbackofen. Mit 18 trotzt sie den Eltern die Eheschließung mit Vadim ab. Sie gewinnt so zwar einen Ehemann, verliert jedoch den Liebhaber. Während sich auf der Straße jeder Mann nach ihr umdreht, sind ihre Nächte einsam.

An der ersten, damals noch illegalen, Abtreibung mit 18 in der Schweiz stirbt sie beinahe wegen „unzureichender Behandlung“. Auch bei der zweiten Abtreibung ein Jahr später verblutet sie fast.

1956 dreht die 22-jährige Bardot mit Vadim ihren elften und seinen ersten Film. Es heißt, sie sei Vadims „Geschöpf“, dabei hat sie längst ihren Part der wissend-unwissenden Kindfrau gefunden. Doch erst das Gespann Bardot/Vadim ­erschafft mit „Und ewig lockt das Weib“ la B.B. Ein Star ist geboren.

Es war der lebenslang zum Objekt Degradierten wichtig, in ihrer Autobiografie Subjekt ihrer Geschichte zu sein und auch ihr politisches Interesse deutlich zu machen: Der Einmarsch der Russen 1956 in Ungarn bedrückt sie, den Résistance-General und späteren Präsidenten de Gaulle verehrt sie.

B.B. war Projektionsfläche männlicher Phantasmen. Als Frau blieb ihr wenig erspart

Und es ist überraschend und klarsichtig zugleich, wie das Sexsymbol der Nation die mit der 68er-Revolte aufkommende „sexuelle Hemmungslosigkeit“ beklagt, „diesen Exhibitionismus, die moralischen und körperlichen Entgleisungen, den Verlust jeder Würde, jeder Moral und jeden Anstands“. Bardot gesteht: „Bei meinen Geliebten habe ich immer nur Zuneigung und Zärtlichkeit gesucht.“ Und sie benennt, 62-jährig, erstmals öffentlich ihre Sehnsucht nach Liebe: „Die körperliche Liebe rangierte, so intensiv sie auch gewesen sein mag, immer nur an zweiter Stelle.“

Brigitte Bardot, diese Projektionsfläche männlicher Phantasmen, ist als Frau wenig erspart geblieben. 1959, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, heiratet sie, schwanger, den Schauspieler Jacques Charrier. Der fängt prompt an, sich als Besitzer des Traums aller Männer auf­zuspielen. Er will ihr verbieten, weiter zu filmen: „Ab jetzt entscheide ich!“ Es eskaliert bis hin zur Gewalt.

Gehetzt von Reportern, bringt Brigitte Bardot 1960 ihr erstes – und letztes – Kind zur Welt, einen Sohn. Über ihre so verzweifelte Mutterschaft hat sie das mit Erschütterndste geschrieben, was je von einer Frau darüber gesagt wurde. Bardot: „Es war wie ein Tumor, der sich in mir von meinem geschwollenen Fleisch genährt hatte. Nun, da der Alptraum seinen Höhepunkt erreicht hatte, sollte ich für die Ursache meines Unglücks lebenslänglich Verantwortung übernehmen. Unmöglich, lieber wollte ich sterben! Ein Kind in meinem Leben ging über meine Vorstellungskraft. Und doch war es da.“ Und sie kommt rückblickend zu dem Schluss: „Ich muss ein Scheusal gewesen sein!“

Die Bardot versucht, zunehmend verzweifelt, nicht auch im wirklichen Leben zur B.B. zu verkommen. Doch gegen Ende der 60er, eigentlich ab der Glamour-Ehe mit Gunter Sachs, scheint sie es nicht mehr zu schaffen, die beiden Rollen auseinander zu halten. Sie spürt das und steigt aus. Mit 38 hört der Weltstar auf zu filmen. Liften lässt die Bardot sich nie.

Sie ist ein Star, eine Legende. Und eine Frau, die trotz aller Verletzlichkeit stark ist

Geht man heute auf das deutsche ­Wikipedia, steht da als erstes: „Sie wurde nach ihrer Karriere im Jet-Set der 1960er Jahre als Tierschutzaktivistin und Symbolfigur der französischen Rechten bekannt.“ Von den drei Qualifikationen trifft allerdings nur eine: die Tierschutzaktivistin. Jetset war Bardot nie, höchstens der Traum des Jetset in ihren drei kurzen Jahren mit Gunter Sachs. Als Schauspielerin war sowohl ihr komisches wie ihr tragisches Talent sehr ernstzunehmen (von „Viva Maria“ mit Jeanne Moreau bis „Die Verachtung“ von Godard).

Und eine „rechte Symbolfigur“ ist sie schon gar nicht – auch wenn sie seit 22 Jahren mit einem Anhänger des rechtspopulistischen Front National verheiratet ist. In Frankreich würde wohl niemand darauf kommen, „la Bardot“ so zu reduzieren. Dort ist sie bis heute unerschütterlich ein Star, eine Legende. Und eine Frau, die trotz aller Verletzlichkeit stark ist.

Als Gunter Sachs sich 2011 aus Angst vor dem Alter erschoss, fand seine einstige Gefährtin bewegende Worte für ihn, die auch etwas über sie selber aussagen. „Er brannte, ein charmanter Prinz, ein Herr“, erklärte sie. „Ich bin erschüttert. Ich habe damit niemals gerechnet. Denn er war ein starker Mann, auf den sich seine ganze Familie stützte. Auch ich. Er hat immer zu mir gesagt: ‚Brigitte, wenn du ein Problem hast, ruf mich an. Ich bin immer für dich da.‘“ Und er war immer für sie da.

1992 heiratete Brigitte Bardot Bernard d’Ormale, einen politischen Weggefährten des rechten Jean-Marie Le Pen. D’Ormale scheint ganz anders zu sein als ihre bisherigen Männer, die alle jungenhaft und eher verspielt waren, oft auch jünger als sie. D’Ormale ist ein erwachsener Mann und politisch rechts. Aber ist Bardot deswegen schon eine „Symbolfigur der Rechten“?

Vor allem kämpft sie mit all ihrer Kraft für den Schutz und die Rechte der Tiere

Nein. Sicher, Bardot ist und war immer konservativ. Auf der Gegendemo im Mai 68 schritt sie in der ersten Reihe neben Alain Delon und General de Gaulle. Auch über den „Verfall der Werte“ beklagt sie sich immer wieder gerne. Doch vor allem kämpft sie mit all ihrer Kraft für den Schutz und die Rechte der Tiere. Sie protestierte unter anderem gegen das Schächten von Tieren, was ihr von manchen als „Rassismus“ angekreidet wurde.

Wer auf ihre Internetseite geht, die Fondation Brigitte Bardot, kann sich über Bardots aktuelle Aktivitäten informieren: am 27. Mai 2014 eine Reise nach Rumänien, um gegen das Elend der Straßenhunde zu protestieren; am 29. Mai 2014 ein Appell an Präsident Hollande zur Unterstützung der Confédération Paysanne, gegen die industrialisierte Tierhaltung; und am 3. Juni 2014 ein Aufruf zur Unterstützung eines Gesetzes zum Schutz der Haustiere wie wilden Tiere.

Wenn Brigitte Bardot, die heute in Paris und – ja, immer noch bzw. wieder – in St. Tropez lebt, am 28. September 2014 80 Jahre alt wird, dann kann sie auf ein sehr bewegtes, aber auch auf ein sinnvolles Leben zurückblicken.

ALICE SCHWARZER

Artikel teilen
 
Zur Startseite