Aaho Daryaie: Todesmutige Iranerin!

Die Studentin Aaho Daryaie sitzt in Unterwäsche auf dem Uni-Campus. Foto: X
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Wird sie ihre kühne Aktion überleben? Die Menschen im Iran sind in Sorge um Aaho Daryaie – die Frau, die am Samstag auf dem Campus der „Freien Universität für Wissenschaft und Forschung“ in Teheran aus Protest gegen den Kopftuchzwang nicht nur das Kopftuch ablegte, sondern gleich ihre ganzen Kleider auszog.

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Wie Studentinnen aus Teheran und der Studenten-Sender „Amirkabir News“ berichten, soll Aaho wegen „unangemessener Kleidung“ – sie trug kein Kopftuch – von den Sittenwächtern zuvor gemaßregelt worden sein. Daraufhin brach ein Streit aus, die Sittenwächter sollen Teile ihrer Kleidung zerrissen haben. Davon gibt es keine Videos. Erst ab dem Moment, als Aaho in Unterhose und BH auf einer Mauer sitzt und sichtlich empört abwartet, was nun geschieht. Man sieht, wie eine schwarz verhüllte Sittenwächterin mit ihr diskutiert. Ein Mann neben ihr telefoniert hektisch.

Iranerinnen befürchten, dass Aaho im Foltergefängnis sitzt und getötet wird

Und dann passiert es: Aaho läuft stoisch in Unterhose und BH auf den Ausgang des Campus zu. Wahrscheinlich aus Wut zieht sie sich auch noch die Unterhose aus und kickt sie weg. Und dann geschieht, was Iranerinnen seit dem Tod von Mahsa Amini wieder verstärkt und immer wieder passiert: Ein Auto hält neben ihr, sie wird unter Schlägen auf den Kopf hineingezerrt. Der Studentensender berichtet, Aahos Kopf habe stark geblutet.

Offiziell heißt es, sie sei in eine Psychiatrie gebracht worden. Die Menschen in Iran gehen davon aus, dass sie ins Gefängnis gebracht wurde und dort gefoltert wird – wie es so vielen Frauen passiert, die gegen das Kopftuch rebellieren. Denn das im Westen so gerne verharmloste Kopftuch ist der konstitutionelle Kern des Selbstverständnisses der patriarchalen Diktatur Iran.

Aaho studiert im 7. Semester französische Literatur. „Sie repräsentiert eine Generation, die nicht länger im Schatten von Angst und Unterdrückung leben will“, kommentierte der entlassene Universitätsdozent Hassan Bagherinia die Ereignisse. Studentinnen berichten im Netz außerdem, dass die Frau zuvor von Mitgliedern der zu den Revolutionswächtern gehörenden Basidsch-Miliz belästigt worden sei.

Die Universität stellt offiziell das Ereignis – wie so oft - anders dar. Die Frau habe psychische Probleme, ließ die Pressestelle verlauten und verbreitete ein Video, in dem ein unkenntlich gemachter Mann sich als geschiedener Ehemann der Studentin ausgibt und unter Tränen darum bittet, keine weiteren Videos zu verbreiten.

Gerade die Proteste der Frauen machen dem Regime zu schaffen, das zurzeit auch außenpolitisch stark unter Druck steht. In ihrem Brief zu der Verleihung des "HeldinnenAward 2024" an Alice Schwarzer hatte die bekannte iranische Anwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotoudeh jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass die Verhängung der Todesstrafe im Iran „sprunghaft gestiegen“ sei.

Proteste aus dem Ausland sind vermutlich das Einzige, was Aahos Leben noch retten könnte. Für den 8. November hat die Britische Organisation „One Law for All“ (Ein Gesetz für alle), die gegen die Scharia und religiöse Schiedsgerichte mitten in Großbritannien kämpft, zu weltweiten Solidaritätsaktionen aufgerufen. Mehr dazu hier! Auch Aahos Kommilitoninnen bitten darum, Bilder und Videos von ihr unter dem Hashtag #OneLawforAll zu posten und mit Informationen und Aktionen auf die Lage Aahos und aller Frauen im Iran aufmerksam zu machen.

Unter den Studentinnen vor Ort und über Social Media ist eine Protestwelle losgebrochen, die weit über Teheran hinaus schwappt. Iranerinnen posten stilisierte Bilder von Vida Movahed, (die sich 2017 als erstes „Mädchen der Revolutionsstraße“ auf einen Stromkasten stellte und ihr Kopftuch an einem Stock schwenkte), auf denen sie den Staffelstab an Aaho Daryaie weiterreicht. Die Protestwelle erinnert an 2022, als Mahsa Amini das verrutschte Kopftuch mit ihrem Leben bezahlte. Doch ist es nicht wünschenswert, dass auch Aaho eine Märtyrerin wird. Die trotzige, wütende Aaho soll leben!

Jede Frau, die im Iran ihr Kopftuch abzieht, riskiert damit ihr Leben

Seit den Frau-Leben-Freiheit-Protesten von 2022 wird der Kopftuchzwang auch an den Universitäten wieder zunehmend schärfer durchgesetzt. So gibt es an der Universität Kameras mit Gesichtserkennung. Sobald sie einen Verstoß erfassen, wird umgehend eine Ermahnung an die Familie verschickt.

Egal, ob in der U-Bahn, in der Stadt oder auf dem Campus einer Uni: Immer, wenn eine Frau im Iran sich dem Kopftuchzwang widersetzt, ist ihr Leben in Gefahr. Mahsa Amini wurde zu Tode geprügelt, weil ihr Kopftuch nicht stramm genug saß. Und trotzdem ziehen viele Iranerinnen ihre Kopftücher jeden Tag wieder ab. Sie werden immer mehr - und sie werden nicht aufhören, für ihre Freiheit zu kämpfen. Wir müssen ihnen beistehen!

Übrigens: Vom „feministischen“ deutschen Außenministerium war bislang nichts zu hören. EMMA hört nach und berichtet weiter.

#irangirl #womanLifeFreedom #StudentOfScienceResearch #Girlofscienceresearch #oneLawforAll

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