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Tina Powileit: Nie aus dem Takt

Foto: Carsten Klick
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"Wir waren die erste erfolgreiche Frauenband der DDR“, sagt Christina Powileit über ihre Zeit als Schlagzeugerin bei „Mona Lise“, die sie 1982 mitbegründet hat. Damals eine Ausnahme, nicht nur in der DDR, sondern auch „im Westen“: Vier Frauen auf der Bühne, die eigene Songs spielen und dabei mit toupierter Mähne, engen Lederhosen und Kajalaugen den internationalen Rockstars in nichts nachstehen. Selbst Udo Lindenbergs Management fragte an, ob sie als Vorband spielen könnten – die Künstleragentur der DDR lehnte ab.

Zum Schlagzeug kam Powileit, weil eine Freundin die Pferdenärrin, die Leistungssport betrieb, zu einer Bandprobe schleppte. Ein Drummer gab ihr Noten, sie meisterte das Instrument mühelos und schrieb sich zum Schlagzeugstudium ein. Als sie die ausgebildete Sängerin Lieselotte Reznicek kennenlernte, gründeten die beiden Frauen  „Mona Lise“. „Es war ein Senkrechtstart“, sagt Powileit. „Wir waren im Fernsehen, gaben Radiointerviews und bekamen Artikel in Zeitschriften – natürlich wollten wir auch zeigen, dass wir es schaffen, nur als Frauen.“ Manche hätten sie anfangs belächelt. Aber Powileit betont: „Wir hatten auch viel Unterstützung von männlichen Kollegen, zum Beispiel von der Band
‚Pankow‘.“ Deren Bassist Jäcky Reznicek, Mann von Frontfrau Liese, half bei den Anfängen. „Wir konnten Equipment nutzen, was sehr wichtig war, um Live-Erfahrungen zu sammeln“, sagt Powileit. Schnell hatte die Vorband genug eigene Songs, um selbst Konzerte zu geben; Lieder über das jugendliche Alltagschaos, ruhelose Nächte und Männer, die mit starken Frauen klarkommen.

In ihrem eigenen Leben war das nicht immer der Fall. Der erste Mann, den Powileit heiratete, schlug sie. „Ich war erst Anfang zwanzig und völlig überrascht davon. Bei meinen Eltern gab es keine Gewalt.“ Als er das dritte Mal zuschlug, warf sie ihn raus und reichte die Scheidung ein. Ihre zweite Ehe wird glücklicher. Den Bassisten Thomas Hergert lernte sie in ihrer Band kennen, denn irgendwann nahm „Mona Lise“ auch Männer auf, weil Mitglieder in Mutterschaftsurlaub gingen und die Musikerinnen keinen passenden weiblichen Ersatz fanden. Als Powileit 1988 ihr erstes Kind bekam, passte ihre Mutter an den Wochenenden auf die Tochter auf, weil die Schlagzeugerin gemeinsam mit ihrem Mann auf der Bühne stand. „Und ich hatte eine tolle Kinderfrau.“

Um den Spagat zwischen Beruf und Familie ging es auch in ihrer ersten Filmrolle 1987: In der Romanverfilmung „Die Alleinseglerin“ spielt Tina Powileit eine alleinerziehende Germanistin, die ein Segelboot erbt und fortan Reparaturarbeiten, Dissertation und Kinderbetreuung jonglieren muss. Nicht immer leuchtete Powileit ihre Figur ein: „Die war so furchtbar hilflos. Ich war von meinen Eltern selbstständig erzogen worden und dann steht meine Figur so ein bisschen verloren bei den Männern im Bootsverein am Rand. Das wäre mir selbst so nicht passiert.“ 

Dann fiel die Mauer. „Mit der Wende brach die Sicherheit weg“, erinnert sich Powileit. „Wir waren als Musikerinnen sozial abgesichert und hatten Arbeit. Das war fast über Nacht weg.“ Die Band löste sich 1989 auf. Powileit kellnerte, verkaufte norwegische Holzhäuser. 1991 brachte sie ein Anruf zur Musik zurück: „Gerhard Gundermann habe ich kennengelernt, weil mich dessen Schlagzeuger Delle Kriese fragte, ob ich ihn für eine Fernsehaufnahme vertreten könnte.“ Fast sieben Jahre arbeitete sie danach mit dem Liedermacher Gundermann zusammen (2018 würdigte Andreas Dresen den „singenden Baggerfahrer“ aus der Lausitz mit seinem Spielfilm). Nach Gundermanns frühem Tod 1998 pausierte seine Band „Die Seilschaft“ für einige Jahre. 2007 starb auch Tina Powileits Ehemann. 

Heute lebt Powileit mit ihrem neuen Partner in Berlin und steht auch wieder auf der Bühne. „Ich muss immer irgendwas machen, wenn möglich etwas Sinnvolles, sonst wird mir langweilig“, sagt die 65-Jährige. Seit ihre Töchter erwachsen sind, hat sie Zeit für gleich mehrere Musikprojekte. Sie singt in einem Gospelchor, spielt Percussions in einer Soulband und ist auch wieder als Schlagzeugerin mit „Die Seilschaft“ unterwegs. Die Band hat zum 30. Jubiläum ihres ersten Albums „Der 7. Samurai“ alle Stücke mit Gästen neu eingespielt. 

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