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Jessica Wade: Ihre Waffe? Wikipedia!

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Kim Cobb war die Erste. Die US-Wissenschaftlerin beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Ozeane. Als die britische Physikerin Jessica Wade 2016 einen Vortrag von ihr hörte, war sie tief beeindruckt. Sie googelte Cobb – und entdeckte, dass die Klimawissenschaftlerin keinen Wikipedia-Eintrag hatte. War ihre Arbeit nicht bedeutend genug? 

Cobb war damals Professorin am Georgia Institute of Technology, hatte über 100 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, sprach in Schulen und bei Konferenzen publikumswirksam über den Klimawandel. An der Relevanz konnte es also nicht liegen.

Hatte es mit ihrem Geschlecht zu tun? Aktuell stammen nur knapp 20 Prozent aller Biografien auf der Online-Enzyklopädie von Frauen; über 80 Prozent jener, die als „Freiwillige“ Artikel verfassen, sind Männer. Doch es gibt wohl niemanden, der nun mit einer solchen Inbrunst daran ist, das zu ändern, wie die 35-jährige Jessica Wade. Am 11. Oktober 2016 verfasste sie als JessWade88 ihren ersten Eintrag – über Kim Cobb. Knapp 2.200 weitere Artikel über Wissenschaftlerinnen sowie über Forschende aus Minderheitengruppen sind mittlerweile gefolgt.

„Wir hatten unzählige Geschichtsbücher und Enzy­klopädien, die die Welt aus männlicher Sicht erklärt haben“, sagt Wade. „Und jetzt gibt uns Wikipedia diese Plattform, um eine breitere Perspektive zu inkludieren.“ Wenn die Physikerin nicht gerade selbst am Imperial College London an neuen Materialien für Quantentechnologie forscht, ist sie Aktivistin, die die Online-Enzyklopädie auf kluge Art nutzt, um Wissenschaft verständlicher und Frauen sichtbarer zu machen. Für ihren Einsatz erhielt sie 2019 die prestigeträchtige British-Empire-Medaille.

Wade wuchs in London auf, für Physik begeisterten sie ihre Lehrer. Trotzdem besuchte sie nach dem Schulabschluss zunächst einmal einen einjährigen Kurs auf einer Kunsthochschule. „Im britischen Schulsystem muss man sich viel zu früh entscheiden, ob man eher wissenschaftlich oder künstlerisch interessiert ist“, sagt Wade. „Dabei würde ich sagen, mein Job als Wissenschaftlerin ist genauso analytisch wie kreativ.“

Als Frau blieb sie während ihres Studiums am Imperial College stets in der Minderheit. Weshalb sie als Studentin begann, in Schulen zu gehen, um Mädchen für Physik zu interessieren. „Und dann merkte ich: Es reicht nicht, neue Generationen für Wissenschaft zu begeistern. Wir müssen auch die Forschung, die wir schon haben, besser präsentieren.“ Vor allem jene von Frauen. Vor allem auf Wikipedia. „Jeder nutzt es. Jeder vertraut ihm“, sagt Wade.

Auf der sechstbeliebtesten Internetseite der Welt gibt es über 61 Millionen Einträge in 316 Sprachen. Die Autoren von Wikipedia-Artikeln arbeiten allesamt ehrenamtlich. Auch Jessica Wade, die sich meist Jess nennt, schreibt nebenbei – im Flugzeug, nach dem Abendessen, oder wenn sie darauf wartet, dass der Teilchenbeschleuniger ihre Experimentierreihe durchführt.

Nebenbei hat Wade, die selbst keine Kinder hat, ein Kinderbuch über Nanowissenschaften geschrieben, für das sie 2022 mit dem US-ameri­kanischen Cook Prize ausgezeichnet wurde. Sie geht joggen, macht Krafttraining, hat einen internationalen Freundeskreis und besucht an einem Nachmittag schon einmal zwei Kunstmuseen ­hintereinander.

Wie schafft sie das alles? Wade arbeitet vermutlich so effizient, wie sie spricht. In atemberaubendem Tempo erzählt sie aus ihrem Leben und ihrer Forschung, von ihren Bemühungen, Frauen für Wissenschaftspreise zu nominieren und von den widersprüchlichen Anforderungen, zugleich Wissenschaftlerin und Aktivistin zu sein: „Das Pro­blem ist, es wird erwartet, dass man sich für die Anliegen der eigenen Gruppe einsetzt. Doch wenn man es tut, wird man als Wissenschaftlerin weniger ernst genommen.“ Will man, so wie Jessica Wade, beides, ist das richtig viel Arbeit.

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