Wunderschöne Prostitution...

Das "Escort-Girl" ist noch ein Teenager und hat gerade eine Abtreibung hinter sich. Foto: Screenshot
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Es gibt in Karoline Herfurths neuer Komödie „Wunderschöner“ viel zu lachen. Zum Beispiel die Riesenklitoris, die die Schülerinnen der rabiat-feministischen Kunstlehrerin Vicky (Nora Tschirner) in ihrer Projektwoche bauen (müssen). Oder die karikaturalen Therapiesitzungen, die Sonja (Karoline Herfurth) mit ihrem Mann Milan absolviert, damit die beiden nach ihrer Trennung das „Nestmodell“ für ihre Kinder hinkriegen.

Auch die Hochgeschwindigkeits-Dialoge zwischen den ziemlich besten Freundinnen Sonja und Vicky sind zum Brüllen, ebenso wie die Fotos von Alpengipfeln im Nebel, die Vickys Freund von seinem Selbstfindungs-Trip in den Bergen schickt.       

Aber an einem Punkt ist Schluss mit lustig. Nämlich da, wo Charity-Lady Nadine (großartig: Anneke Kim Sarnau) herausfindet, dass ihr Mann Philipp (Godehard Giese) zu einer Prostituierten gegangen ist. Jemand hat heimlich Fotos von dem Treffen gemacht und den Medien zugespielt. Die wollen Philipp, seines Zeichens Berliner Finanzsenator, zu Fall bringen.

Im Hotelzimmer steht als "Escort-Lady" eine
21-jährige Rumänin mit Pausbacken vor ihr. 

Nadine will wissen, wer die „Escort-Lady“ ist und „bucht“ sie. Im Hotelzimmer steht vor ihr: eine eingeschüchterte 21-Jährige mit Pausbacken. Nadja (Bianca Radoslav) kommt aus Rumänien und bricht auf der Toilette zusammen. Sie hatte zwei Tage zuvor eine Abtreibung gehabt, muss aber auf Befehl ihres Zuhälters weiter anschaffen. Die schockierte Nadine nimmt die verstörte junge Frau mit nach Hause – und schmeißt ihren Mann raus, den sie als „Vergewaltiger“ beschimpft.   

Der weiß nicht, wie ihm geschieht. „Das war ne ganz normale Prostituierte. Ich hab die nicht vergewaltigt!“ rechtfertigt er sich. „Woher willst du das denn wissen?“ fragt sie. „Und was soll das überhaupt sein: eine ganz normale Prostituierte?“

Dass es eben nicht „normal“ ist, eine Frau zu kaufen, das begreift im Laufe des Films nicht nur Philipp, sondern dürften viele der bisher über 400.000 ZuschauerInnen verstehen, die den Film seit dem Filmstart am 13. Februar gesehen haben. Damit landete „Wunderschöner“ auf Platz 1 der deutschen Kinocharts und schlug sogar den Marvel-Blockbuster „Captain America“ aus dem Rennen.

Karoline Herfurth: "Lust, die ohne Lust des anderen auskommt, ist mir nicht begreiflich."

Und das ist Karoline Herfurth von Herzen zu gönnen, denn die hat mit diesem Film wirklich Mut bewiesen. Schon in ihrem Vorgänger „Wunderschön“ von 2022 hatte die gebürtige Ost-Berlinerin und Absolventin der Ernst-Busch-Schauspielschule es geschafft, (tod)ernste Themen wie Essstörungen und zerstörerische Körperbilder für Mädchen und Frauen so zu verpacken, dass frau darüber weinen musste und lachen konnte.

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Herfurth, 40, weiß, wovon sie spricht: Sie wurde selbst mit 13 Jahren magersüchtig. Als sie mit 17 wieder aß, „habe ich gemerkt, dass ich wieder andere Dinge wahrnehme als die Oberschenkelform meines Gegenübers. Ich hatte wieder Energie für die Welt.“

Mit dieser Energie schreibt Herfurth seit einigen Jahren auch Drehbücher und führt Regie. Und hat sich nun in „Wunderschöner“ wieder harte „Frauenthemen“ vorgenommen: Sexuelle Belästigung, toxische Männlichkeit und: Prostitution. „Lust, die ohne die Lust des anderen auskommt, ist mir nicht begreiflich“, sagt sie. „Geht man davon aus, dass, konservativ gerechnet, 50 Prozent der Prostituierten keine Wahlfreiheit haben, dann hat ein Freier eine 50-Prozent-Chance, ein Vergewaltiger zu sein.“

"Freiwilligekit und Konsens sind in diesem Gewerbe in meinen Augen eine Illusion."

Sie sei für das „Nordische Modell“, wie es Schweden schon 1999 eingeführt hat. Fast alle skandinavischen Länder folgten, ebenso Irland und Frankreich. „Dort werden nicht die Prostituierten bestraft, sondern ihre Kunden. Ich halte dieses Sexkaufverbot für richtig, weil Freiwilligkeit und Konsens in diesem Gewerbe in meinen Augen eine Illusion sind.“

Dass Karoline Herfurth in „Wunderschöner“ in Sachen Prostitution so deutlich Position bezieht, dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass sie sich eine Frau an die Seite geholt hat, die nur zu genau weiß, wovon die Rede ist: Huschke Mau hat die „Fachberatung“ für den Film geleistet. Sie war selbst mehrere Jahre in der Prostitution. Heute setzt sich die Doktorandin und Buchautorin („Entmenschlicht“) mit ihrem Netzwerk „Ella“ für die Freierbestrafung ein.

Mit dem Ergebnis ist Huschke Mau „sehr glücklich“, schreibt sie auf Instagram. „Ich möchte euch den Film sehr ans Herz legen. Er ist sehr berührend, sehr spannend, sehr wichtig und sehr witzig.“ EMMA schließt sich an.

 

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