Das mit dem Frauenfußball
Vor ein paar Wochen erzählte ich meinem Sohn Tim, 28, dass ich zusammen mit einem Kollegen Alice Schwarzer für den Stern interviewen würde. „Cool“, sagte er. Dann wurde er nachdenklich.
Nach einer kurzen Pause kam der Einwand, ob es nicht doch besser wäre, wenn eine Frau mit zum Interview käme. Am besten eine jüngere.
„Wieso denn das?“, fragte ich. „Na ja“, sagte Tim, „wegen der Fragen, der Standpunkte.“
Was dann folgte, kannte Tim schon. Es waren Auszüge aus meinem Standardreferat zum Thema Rollenverständnis im 21.Jahrhundert. Kerngedanke: Jeder solle alles können dürfen – solange er dafür die entsprechenden Fähigkeiten besitzt; vorauseilende pseudo-korrekte Bedenken verstellten nur den Weg zu Freiheit, Gleichheit und, gut, da müssen Sie jetzt als EMMA-Leserinnen durch: Brüderlichkeit.
Ich bin kein Anhänger der These, dass man unbedingt Bauer gewesen sein oder gedient haben muss, um einen passablen Landwirtschafts- oder Verteidigungsminister abgeben zu können. Fazit: Man muss keine Frau sein, um eine Feministin interviewen zu können. So richtig überzeugen konnte ich Tim nicht.
Es wurde übrigens ein sehr schönes Interview, was in erster Linie an Alice Schwarzers Antworten lag. Selbstredend. Die Fragen waren, in aller Bescheidenheit, aber auch nicht so schlecht.
Ein Satz aus dem Stern-Gespräch ist mir in besonderer Erinnerung: „Frauen sind nicht von Natur aus friedlicher, sie haben einfach nicht die Macht, Kriege anzuzetteln.“ Das ist natürlich ein Hammer! Ich stelle mir vor, Gerhard Schröder hätte das seinerzeit so oder so ähnlich formuliert, womöglich gar im Wahlkampf 2005. Aufschrei? Ganz sicher. Aber ich komme vom Thema ab – das klingt hier sonst zu sehr nach gegenseitiger Aufrechnerei.
Mir geht es um etwas anderes: Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Alice Schwarzer den oben zitierten Satz auch gesagt hätte, wenn sie von einer Frau gefragt worden wäre. Nur – wäre sie überhaupt gefragt worden? Da bin ich mir schon nicht mehr so sicher. Andere Fragen, andere Themen, hatte Tim gesagt.
Nun bin ich von EMMA gefragt worden, doch mal meinerseits aufzuschreiben: „Was ich als Mann immer schon mal in EMMA schreiben wollte.“ Man(n) kann an dieser Stelle den Provokateur geben, den Rechthaber oder den Frauenversteher – was sicher am einfachsten ist. Doch ich würde diesen Platz gerne für ein Plädoyer gegen die grassierende vorschnelle Kategorisierung nutzen, die mittlerweile jeden gesellschaftlichen Dialog im Keim zu ersticken droht. Dieses Annehmen von Vollkasko-Positionen zur Absicherung der eigenen Gewissheit. Nichts ist hinderlicher auf unserem Weg zu einer emanzipierten, toleranten Gesellschaft.
Nein, frau muss nicht gedient haben, um Verteidigungsministerin werden zu können. Man ist fürs Erste kein Anti-Amerikaner, nur weil man sich weigert, Baseball zu verstehen. Und man ist auch nicht gegen die Gleichberechtigung oder gar ein Frauenfeind, wenn man Frauenfußball für überflüssig hält.
Ich für meinen Teil würde mich sehr gerne auch weiterhin nicht für Frauenfußball interessieren müssen, ohne damit bei Ihnen, liebe EMMA-Leserinnen, einen falschen Eindruck zu erwecken. Geht das? Das jedenfalls wollte ich immer schon mal in EMMA schreiben!
Axel Vornbäumen
Der Autor ist Reporter im Hauptstadtbüro des Stern. – Das Gespräch, das er zusammen mit seinem Kollegen Andreas Borchers mit Alice Schwarzer führte, steht auf www.aliceschwarzer.de/alice-schwarzer-im-stern-interview-2019