Die neuen Modemacherinnen
Bereits ihre erste Kollektion war ein Wurf: Zum einen wegen des T-Shirts mit dem Aufdruck „We Should All Be Feminists“, womit Maria Grazia Chiuri, 53, das, was der Rest der Modebranche erst mit der Wahl Donald Trumps erkennen würde, vorwegnahm. Und zum anderen wegen des schwarzen Slingbacks mit dem Kitten-Heel, der als Schuh des Frühlings gilt. Dabei hatte die Italienerin noch im Sommer 2016, kurz nach ihrer Ernennung als erste Frau an der Spitze von Christian Dior, unumwunden zugegeben, dass sie es nie für möglich gehalten hätte, eines Tages ein Haus wie Dior zu führen. Sie war 17 Jahre lang bei Valentino gewesen, neun Jahre davon als Co-Chef-Designerin gemeinsam mit Pier Paolo Piccioli. Die beiden hatten das Kunststück geschafft, das Couture-Haus wieder einer breiteren Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen: Die Rock-Stud-Schuhe, jene spitzen, mit Nieten verzierten Pumps und Ballerinas, gehören zu den meist kopierten Schuhen der letzten Jahre. Aber jetzt eben Dior, ein französisches Traditionshaus. Während der Verhandlungen habe man ihr gesagt, Dior sei ein „feminines“ Label. Was bedeutet das heute „feminin“?, fragte sich Chiuri, und wusste nur eines: Frauen wollen kein Diktat mehr, wie das Monsieur Dior einst vorgegeben hatte. Ihre zweite Kollektion war komplett in Dunkelblau gehalten, die Silhouette weich, fließend, alles herrlich entspannt. Die moderne Dior-Frau ist nicht eingeschnürt. Sie kann sich nicht nur bewegen, sie kann auch große Schritte machen. Und das kommt nicht von ungefähr: Die Mutter einer Tochter und eines Sohns sagte in einem Interview mit dem Telegraph unlängst, sie sei besorgt über die weltweite Zunahme der Misogynie: „Es ist, als würde sich das Rad der Zeit gerade zurückbewegen, was die Frauen angeht. Ich hätte das nie für möglich gehalten. Das ist nicht die Welt, die ich mir für meine Kinder wünsche.“
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