Nicht mit meinem Namen!
Kerstin Klamroth, stimmt es eigentlich, dass ihr 1985 euren Ehenamen per Münzwurf entschieden habt?
Ja. Wir waren vor unserer Hochzeit mit Freunden in einer Kneipe und die fragten: „Wie haltet ihr es eigentlich mit dem gemeinsamen Ehenamen?“ Wir hatten uns darüber noch gar keine Gedanken gemacht, aber an diesem Abend fragten wir uns: Wie sollen wir das denn entscheiden? Jeder verknüpft doch seinen Namen mit seiner Identität. Hinzu kam: Wir haben beide als Journalisten unter unserem Namen bereits viel veröffentlicht. Da schlugen die Freunde vor, das jetzt gleich an Ort und Stelle zu regeln und eine Münze zu werfen. Ich habe Kopf gewählt und gewonnen.
Damit war die Sache eigentlich klar: Dein zukünftiger Mann würde Arnd Klamroth heißen. Und er fand das auch okay. Warum habt ihr euch dann doch zur Klage entschlossen?
Unsere Entscheidung hat Reaktionen nach sich gezogen, die mich fassungslos gemacht haben – von meinen Eltern, meiner Schwiegermutter, aus dem Freundeskreis. Da kamen Sprüche wie: „Du demütigst deinen Mann!“ Oder: „Wenn eine Ehe schon so losgeht, dann kann sie ja gar nicht halten!“ Meine eigentlich emanzipierte Schwiegermutter führte ins Feld, dass der Familienname ihres verstorbenen Mannes erhalten bleiben müsse. Unter so einem Druck geben die meisten Frauen ihren Namen ab. Aber ich fand es unmöglich, dass wir Frauen in so einen Entscheidungszwang gebracht werden. Das wäre doch gar nicht nötig, wenn jeder seinen Namen behalten könnte. Also ergriff ich die Initiative, um gesellschaftlich etwas zu verändern. Unterstützt wurde ich von meiner feministischen Patentante. Sie war Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei und hat mir die Klage zur Hochzeit geschenkt.
Und wie ist eure Trauung dann abgelaufen?
Wir haben dem Standesbeamten erklärt, dass wir uns nicht auf einen Ehenamen einigen können und ihn gebeten, diese Erklärung zu den Akten zu nehmen. Damit war er dann gesetzlich verpflichtet, den Ehenamen des Mannes einzutragen, denn das war damals geltendes Recht. Besonders romantisch war das nicht.
Ihr habt euch dann auch mit anderen Paaren zusammengetan.
Ja. Es gab bereits andere Paare, die den Weg durch die Instanzen angetreten hatten. Wir haben dagegen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht und uns direkt auf Artikel 3 des Grundgesetzes bezogen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Über unsere Klage wurde in vielen Medien berichtet, ich habe damals auch in EMMA darüber geschrieben. Daraufhin haben sich etliche Paare bei uns gemeldet, die den Zwang zum Ehenamen ebenfalls ablehnten. Deswegen habe ich einen „Interessenverband Namensrecht“ gegründet, um auch auf der politischen Ebene etwas zu erreichen.
1991 kam dann das bahnbrechende Urteil. Das Bundesverfassungsgericht erklärte: Das aktuelle Namensrecht ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Drei Jahre später trat das neue Namensrecht in Kraft. Seitdem dürfen Ehemann und Ehefrau ihren Namen behalten.
Erwin Huber von der CSU war allerdings der Ansicht, das sei ein „Anschlag auf die Familie“.
Du hättest dir gewünscht, dass der Gesetzgeber einen Schritt weitergegangen wäre: Frau und Mann behalten grundsätzlich ihren Namen.
Ja, das wäre aus meiner Sicht die bessere Lösung gewesen. Es ist ja an den Statistiken abzulesen, dass nur wenige Frauen die Möglichkeit, ihren Namen zu behalten, nutzen. Vermutlich, weil sie Nachteile befürchten oder den Konflikt mit den Männern scheuen. Die so genannte Wahlfreiheit bedeutet für Frauen eben immer noch, dass sie ihre Bedürfnisse zurückstellen – nicht nur beim Namensrecht.
Laut einer Untersuchung der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) nahmen 2018 drei von vier Frauen immer noch den Namen ihres Mannes an – aber nur jeder 16. Mann den Namen seiner Frau. Ist das nicht frustrierend für dich?
Ich finde es natürlich schade. Die Sitten lassen sich eben viel schwerer ändern als Gesetze. Das sehen wir zum Beispiel auch am Thema Hausarbeit, die immer noch zu zwei Dritteln von Frauen erledigt wird. Es braucht sehr lange, bis sich an solchen Gebräuchen etwas ändert. Da möchte ich den Frauen den Satz von Hedwig Dohm, die vor 100 Jahren gestorben ist, mitgeben: „Glaube nicht, es muss so sein, weil es so ist und immer so war!“
Kürzlich gab es einen kleinen Skandal, weil bei der Karnevalssitzung im Kölner Gürzenich eine Zuschauerin namens Gabriele Möller-Hasenbeck empört auf die Bühne gestiegen war, nachdem sich der Kabarettist Bernd Stelter über den Doppelnamen Annegret Kramp-Karrenbauer lustig gemacht hatte. Sie schleuderte Stelter entgegen: „Männernamen sind immer toll – und Frauennamen sind immer scheiße. Und Doppelnamen sind Doppelscheiße!“
Ich fand die Aktion von Frau Möller-Hasenbeck absolut gelungen. Es ändert sich nämlich nichts, wenn man den Mund hält und solche Dinge unkommentiert lässt. Bernd Stelter hat der Frau hinterher vorgeworfen, sie hätte keinen Humor. Aber wieviel Humor hat denn ein Veranstalter, der dieser Frau ein lebenslanges Hausverbot erteilt? Wieviel Humor hat der WDR, der die Szene doch tatsächlich aus der Sendung schneidet? Wir sehen: Wenn es darum geht, dass Männer Privilegien aufgeben sollen, dann ist es gar nicht mehr komisch, sondern bitterernst. Da darf man sich keine Illusionen machen.
Dabei war es doch für Frauen durchaus mal ein emanzipativer Akt, einen Doppelnamen anzunehmen.
Genau. So hat es ja auch Frau Kramp-Karrenbauer erklärt. Auf die Frage, warum sie dieses Namensungetüm gewählt hat, hat sie geantwortet: „Weil ich ein Stück meiner Identität retten wollte.“ Aber den Frauen mit Doppelnamen wurde nicht Achtung entgegengebracht, sondern Verachtung. Das waren die verspannten Ziegen, die sich mit dem Jodel-Diplom und ihrem Doppelnamen selbstverwirklichen wollen. Vor 30 Jahren war das so – und so ist es auch heute noch.
Heute könnten sie ja nun ihren Namen behalten.
Sicher, aber der zu erwartende Konflikt schüchtert viele Frauen ein, weshalb sie sich dem oft gar nicht erst aussetzen. Deshalb bin ich eben dafür, dass jeder seinen Namen behält – und jede ihren.
Das Interview führte Chantal Louis.