Das Geschwafel gewisser Karriere-Feministinnen in Berlin Mitte ist gemeinhin realitätsfern. Aber nun kippt es in den nackten Zynismus. Im SZ-Magazin durfte Teresa Bücker jüngst ein Plädoyer für das „Recht“ schwangerer Prostituierter halten, solange die Beine breit zu machen, bis sie im Kreißsaal landen.
Wir sind von Teresa Bücker ja einiges gewohnt. Unvergessen ihr Auftritt in der Maischberger-Sendung „Wie diskriminierend ist Sprache?“ vor drei Jahren. Da war Bücker noch Chefredakteurin des Online-Magazins Edition F und erläuterte zu Beginn der Sendung politisch korrekt, warum „Zigeunerschnitzel“ gar nicht geht und dass sie bei ihrem Kind größten Wert auf geschlechtergerechte Sprache lege. Sprache transportiere schließlich eine Haltung.
Doch als dann Rapper Bushido auftrat („Mit der Rechten werd ich wichsen, mit der Linken dich schlagen“, „Deutschland, ich ficke deine Nutten“), war von der sprachsensiblen Feministin Bücker kein kritisches Wort mehr zu hören. Nachträglich rechtfertigende Begründung der Mitinitiatorin des Hashtags #ausnahmslos: Sie habe „Migranten“ nicht zu „Alleinschuldigen“ am Sexismus erklären wollen.
Drei Jahre später ist Teresa Bücker nicht mehr Chefredakteurin, sondern Kolumnistin beim Magazin der Süddeutschen Zeitung. Jüngst äußerte sie sich in ihrer „Ideenkolumne“ zum Thema Prostitution, genauer gesagt: zum Thema Schwangerschaft und Prostitution. Anlass für Bückers Einlassungen ist das Wahlprogramm der CDU. Dort steht: „Wir wollen Prostitution von Schwangeren sowie Heranwachsenden unter 21 Jahren verbieten – mit einer entsprechenden Bestrafung der Freier.“
Natürlich begrüßt die Feministin und Mutter zweier Kinder dieses Verbot. Nein, kleiner Scherz. Teresa Bücker findet, dass es sich hier um ein von den moralinsauren Konservativen geplantes „Berufsverbot“ handle. Und dieses Verbot sei „sex- und frauenfeindlich“. Denn: „Sex in der Schwangerschaft schadet weder den aktiv Beteiligten noch dem Baby. Solange sich eine Schwangere dabei wohlfühlt und keine unerwünschten Schmerzen hat, ist Sex unbedenklich. Sexuelle Handlungen in der Schwangerschaft als gefährlich oder schädlich darzustellen, ist unwissenschaftlich und verweist im Kern auf ein patriarchales Frauenbild, das Schwangeren ihre Sexualität absprechen will.“ Schließlich „empfehlen Hebammen Geschlechtsverkehr sogar als natürliche Methode der Geburtseinleitung.“
Meint die Frau das ernst? Hat Teresa Bücker schon mal mit rumänischen Prostituierten auf dem Straßenstrich darüber gesprochen, wie „wohl“ sie sich beim Sex mit einem Freier fühlen? Welche Pillen sie einwerfen oder wieviel Alkohol sie trinken, um die „unerwünschten Schmerzen“ auszuhalten? Und welche wissenschaftlichen Studien zu schwangeren Prostituierten meint Teresa Bücker? Unseres Wissens gibt es keine. Aber es gibt Schilderungen von SozialarbeiteriInnen, ÄrztInnen und von Prostituierten selbst. Die berichten davon, wie Prostituierte auf Geheiß ihrer Zuhälter gezielt geschwängert werden, damit sie Freier mit Schwangeren-Fetisch bedienen können. Die zahlen dafür nämlich besonders gut. Und mancher Zuhälter freut sich auch schon auf das Baby, für das es im hochkriminellen Rotlichtmilieu auch wieder einen Markt gibt.
Es braucht aber eigentlich auch gar keine Studien, sondern nur etwas Phantasie, um sich vorzustellen, was es heißt, hochschwanger 10, 20, 30 Freier am Tag bedienen zu müssen.
Um Frau Bückers Phantasie etwas auf die Sprünge zu helfen. Ich bin einmal einer schwangeren Prostituierten begegnet. An diesem Abend zog ich mit einer Sozialarbeiterin durch die Bordelle der Stuttgarter Rotlichtmeile. Wir kamen aus dem Prostituierten-Café, das jeden Donnerstagabend den Frauen wenigstens einmal in der Woche eine warme Mahlzeit anbietet und gynäkologische Untersuchungen. Die Frauen standen Schlange, für das Essen und die Untersuchungen. Sie brauchten Schmerzmittel, weil sie trotz Unterleibs-Entzündungen weiterarbeiten mussten, und Medikamente gegen die Geschlechtskrankheiten. (Dazu gibt es übrigens Studien: Jede fünfte „Sexarbeiterin“ hat Tripper, Chlamydien, Syphilis.) Nach Ende der Sprechstunde bekam die Sozialarbeiterin vom Gynäkologen eine Liste. Darauf standen die Prostituierten, bei denen der Frauenarzt eine Schwangerschaft festgestellt hatte. An diesem Abend waren es zwei.
Wir gingen in das erste Bordell, eine Kaschemme auf der Leonhardstraße mit engen Treppen. Die junge, schwarzhaarige und erschreckend magere halbnackte Frau, die die Tür zu dem winzigen Zimmer öffnete, hieß laut Türschild „Selmin“. Dem Gynäkologen hatte sie einen rumänischen Namen gesagt. „Selmin“ sprach kein Deutsch, eine Kollegin aus dem Nachbarzimmer musste übersetzen.
Ja, sie weiß, dass sie schwanger ist. Nein, sie will das Kind nicht kriegen. Ja, sie will einen Abbruch. Nein, sie hat kein Geld, um ihn zu bezahlen. Das mit der Bezahlung könne sie regeln, erklärte die Sozialarbeiterin. Aber sie dürfe nach der Abtreibung erstmal nicht arbeiten. Die junge Frau riss entsetzt ihre Augen auf. „Das geht auf keinen Fall“, übersetzte die Kollegin. Sie müsse den Abbruch dann eben bei ihrer nächsten Fahrt nach Rumänien machen. Es stellte sich heraus, dass sie dann im sechsten Monat sein würde.
Das sind sie, die schwangeren Frauen, die in Deutschlands Bordellen arbeiten. (Auch dazu gibt es übrigens Statistiken, 80 bis 90 Prozent kommen aus den ärmsten Ländern Europas.) Oder auf dem Straßenstrich. „Aus meiner über 15-jährigen Praxis am Straßenstrich in Berlin kenne ich unzählige Frauen, die ein, zwei Tage vor der Entbindung noch an der Straße standen“, berichtet Sozialarbeiter Gerhard Schönborn. „Eine dieser Frauen bekam um 8.55 einen Sohn. Um 13.00 Uhr stand sie wieder am Straßenstrich.“
Es ist aber durchaus nachvollziehbar, dass Teresa Bücker die Phantasie fehlt, sich diese Welt vorzustellen. Man muss dazu wissen, dass die 37-Jährige im letzten Frühjahr ihr zweites Kind zur Welt brachte. Es war eine Hausgeburt im Geburtspool. Die Wehen kamen sehr plötzlich, als Teresas Freund gerade auf dem Balkon ihrer Berliner Wohnung Blumen pflanzte, berichtete Bücker dem Elternportal „Leben und Erziehen“. Die Hausgeburtshebamme kam gerade noch rechtzeitig, die Geburtsfotografin verspätete sich leider. Dass das Kind zwölf Tage vor dem errechneten Termin zur Welt kam, findet Bücker „ein bisschen traurig“, weil sie in den Wochen vor der Geburt „noch mal Freundinnen treffen wollte, in die Sauna und wirklich nur entspannen“. Daraus wurde leider, leider nichts.
Kurz vor diesem traurigen Ereignis war ein Artikel von Bücker auf Zeit online erschienen. Titel: „Lasst die Gebärenden nicht allein“. Untertitel: „Dass so viele Menschen schlechte Erfahrung bei der Geburt machen, sollten wir nicht akzeptieren.“
Und wir sollten nicht akzeptieren, dass wohlstandsverwöhnte Möchtegern-Feministinnen in ihrer Bionade-Fairtrade-Babymoden-Pasta-Manufaktur-Welt dafür plädieren, das Prostituierte auch noch in der Schwangerschaft die Beine breit machen müssen. Lasst uns mit diesen „Feministinnen“ nicht allein!