Feministinnen: Hier bloggen wir!
www.eva-prinzip.com ist zur Zeit wg. "Wartungsarbeiten" geschlossen- aber die Femi-Foren blühen - trotz Maskulisten.
Angefangen hat alles mit Eva. Nein, nicht mit der Eva und dem Apfel der Erkenntnis, sondern mit der apfelkuchenbackenden Eva. Anja William Jahr als Feministin im Netz begann im heißen Hausweibchen-Herbst 2006. Sie wollte mitmischen in der öffentlichen Debatte, ihr emanzipiertes, modernes Frauenbild verteidigen. Anjas erste Station war also www.eva-prinzip.com, Eva Hermans Weblog und Diskussionsplattform.
"Ich war erleichtert, hier auf Frauen zu treffen, die ähnlich dachten wie ich." Sie knüpfte erste Internet-Freundschaften mit ihren Mitstreiterinnen. Sie wehrten sich gegen verschwurbelte Konstruktionen von Naturinstinkten, die Frauen mit Kindern ans Haus fesselten, während Männer in der gleichen Lebenssituation munter am Karriererad drehen durften. Kein leichtes Unterfangen auf Evas Website.
Wer nicht im Fahrwasser der Kinder-und-Küche Fraktion schwamm, wurde schnell niedergeschrieen. Das Blog eskalierte zu einer Frauenhasser-Plattform. "Mit deinen Ansichten wärst du im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden!"
"Ich war anfangs noch unerfahren, dachte, ich könne überzeugen, mit Fakten, Beweisen, Argumenten. Doch viele haben nur ein Ziel: Feministinnen im Netz mit allen Mitteln zu bekämpfen." Statt sich mit hoffnungslosen Fällen abzugeben, engagiert sich Anja William lieber in konstruktiven Projekten wie terre de femmes. Und sie machte sich auf, eine neue Heimat für Feministinnen im Netz zu suchen.
Noch vor wenigen Jahren prägten Medienpublikationen, Unternehmen oder Institutionen das Internet. Doch dann begann unter dem Schlagwort Web 2.0 eine Entwicklung, in der jedes Individuum und jede gesellschaftliche Strömung mittels Weblogs oder Foren sich öffentlich Gehör schaffen kann. Wer pfiffige Ideen hat, spannende Themen anbietet oder gut schreibt, findet sein Publikum.
Heute berichten über eine halbe Million deutschsprachiger BlogautorInnen über ihren Alltag, kämpfen für ihre Überzeugungen, kritisieren gesellschaftspolitische Missstände oder blödeln einfach herum - etwa die Hälfte davon sind weiblich.
Alles ist möglich. Die technischen Hürden, die früher viele abschreckten, gibt es nicht mehr. Es ist ein Kinderspiel, einen eigenes Blog zu eröffnen. Blogs und Diskussionsforen erreichen mittlerweile Millionen LeserInnen und gewinnen zunehmend Einfluss.
Das Internet ist demokratischer geworden. PolitikerInnen, Werbetreibende und JournalistInnen konsultieren längst regelmäßig die Blogosphäre, um sich einen Überblick über Volkes Meinung zu beschaffen. FeministInnen fangen gerade erst an, diesen öffentlichen Raum zu besetzen.
Anja erhielt den Tipp für ihre nächsten Stationen als Feministin im Netz ausgerechnet von der Stänkererfraktion, die über die "Drecksfeministinnen" im Internet herzogen: Die Internetforen "femfacts" und "Cleos Lila-Laune-Gender-Forum". "Dann kann das ja für mich nur das richtige sein!", entschied Anja. Beide Diskussionsforen zählen zusammen rund 200 Mitglieder und der Meinungsaustausch ist freundschaftlich bis ausgesprochen hitzig.
Frau debattiert über aktuelles Zeitgeschehen, Kind und Karriere, Feminismus, Sexualität, Männer und Medien. Eine große Bandbreite an Themen und eine gleichsam große Vielfalt an Meinungen und feministischen Strömungen treffen aufeinander. Es diskutieren: Hausfrauen, Karrierefrauen, Männer, die sich für Gleichberechtigung einsetzen und FeminismuskritikerInnen - bis tief in die Nacht im Chat.
Beide feministischen Communities werden von Moderatorinnen begleitet, die darauf achten, dass die manchmal heftig geführten Wortschlachten im Rahmen der Forennettiquette bleiben: Gezielt zur Sache, keine persönlichen Beleidigungen, umgänglich in der Form. Aber es ist ein mühsames Tauziehen zwischen dem Anspruch, Meinungsvielfalt zu gewähren und dem Bemühen, die Parolen der AntifeministInnen einzudämmen. Denn die Frauenhasser schleichen sich immer wieder ein. Mit System.
Die Vertreter dieser kleinen, aber im Internet bestens vernetzten Subkultur nennen sich "Maskulisten" und geben vor, gegen Ungleichbehandlung der Männer in der Gesellschaft zu kämpfen. Die Maskulisten kämpfen jedoch nicht für Männer, sondern gegen Frauen. "Du Frau - ich Mann, du putzen - ich jobben, du Fresse halten - ich Reden schwingen." Eine beliebte Masche, um sich in feministische Foren einzuschleichen, ist die Opferrolle des liebevollen Vaters, dem die erzgemeine Exgattin die Kinder entreißt. So ergaunern sie sich Zuspruch und Verständnis.
Wenn ihnen die Argumente ausgehen klappen, sie ihr Visier auf. Beiträge wie "Dir blöden Fotze sollte man ins Maul pissen" gehören noch zu den harmloseren. Die Website "Maskulisten-Information" beschreibt diese Leute als meist rechtskonservative, anachronistische Männer, die bisweilen ein großes Gewaltpotenzial haben, mit dem sie prahlen.
Eine Handvoll Frauenhasser kann auf diese Weise jede noch konstruktive Diskussion im Netz zerstören. Und sie belassen es nicht dabei. Einzelne recherchieren die persönlichen Adressdaten der Feministinnen im Netz. Auf Sexseiten loggen sie sich mit den Namen der jeweiligen Frauen ein und bieten sexuelle Dienstleistungen an, stalken die Frauen mit Vergewaltigungsdrohungen per Mail oder Telefon. Wer als Feministin im Internet unterwegs ist, muss damit rechnen, früher oder später mit dieser Spezies konfrontiert zu werden.
Für Anja William war bald die Zeit gekommen, sich ein eigenes Sprachrohr im Internet zu schaffen: "Zeit für ein eigenes feministisches Blog!" Ihr Weblog steht unter dem Motto "Lesen statt putzen!" "Hier kann ich endlich alle Themen auf den Tisch bringen, die mich bewegen", sagt Anja. Die Kommentare zu Anjas Blogeinträgen sind zu 99 Prozent positiv. "Man lernt sich kennen, findet Gleichgesinnte und engagiert sich für befreundete BloggerInnen." Das Netz weitet sich.
Ein ganz besonderes Highlight in der feministischen Blogosphäre ist das Genderblog als erstes kollaboratives Weblog zu Frauen- und Geschlechterforschung, Feminismus und Geschlechterpolitik im deutschsprachigen Raum. "Im Genderblog soll Platz für unterschiedliche Meinungen und Interessen sein, von der gendertheoretischen Analyse von Schillers Räubern bis zur Kopftuchdebatte, von eigenen Diskussionsbeiträgen bis hin zum schlichten Verweis auf einen guten Text anderswo im Netz oder außerhalb", erklärt Rochus Wolff, Initiator des Genderblogs.
Der Webdesigner und Kulturjournalist studierte Women's Studies an der University of Oxford und will mit seinem Projekt, das im März 2005 ans Netz ging, die öffentliche Diskussion um queerfeministische Themen voranbringen. Denn: "In der deutschsprachigen Netzkultur fehlte bislang ein Rahmen, solche Themen anzusprechen, während es im angloamerikanischen Raum bereits zahlreiche Vorreiter gab, wie beispielsweise feministing.com. Voraussetzung ist die Bereitschaft, selbstkritisch zu sein und differenziert zu diskutieren.
Der Erfolg des Genderblogs ist dem hohen reflexiven Niveau der zwölf AutorInnen zu verdanken, die überwiegend in Forschung und Wissenschaft tätig sind. Eine weitere Besonderheit: Im Genderblog schreiben die AutorInnen nur unter ihrem Klarnamen, sie müssen ihre Identität preisgeben. "Es geht darum, Positionen zu vertreten, die man auch in der Öffentlichkeit vertreten würde", erklärt Rochus Wolff.
Gewaltig genervt von Parolen der Jugendmagazine wie "Mit sexy Outfit den Traumtyp angeln!" oder "Stars tricksen auch! Wie du dich größer, fitter und schlanker schummeln kannst" waren die AutorInnen vom Mädchenblog, einem queer-feministischen Weblog, das sich vor allem an Jugendliche richtet.
"Wir verstehen uns als Gegenpol zu Mädchenzeitschriften", sagt Pia, eine von rund 25 aktiven AutorInnen, die jene Jungs-müssen- dies-machen-und-Mädchen-sollen-so-sein Mantras strikt ablehnen. "Wir wollen unseren eigenen Weg finden, als Junge, als Mädchen, als Mensch, der sich irgendwo dazwischen wiederfindet."
"Mädchenblog" ist eigentlich eine abfällige Bezeichnung für Blogs, die Männer für Mädels einrichten, weil die es technisch nicht draufhaben. Die Mädels tippen dann Geschichtchen über Ponyhöfe und Freundschaftsbändchen und stellen sie ins Internet, während sich die Netzkultur darüber lustig macht. Die Mädchenbloggerinen spielen dieses augenzwinkernde, ironische Spiel mit den gängigen Vorurteilen. Sie treten frech und selbstbewusst auf, provozieren bewusst und demontieren mit Witz und Kampfgeist die gängigen Geschlechterrollen.
Ihre Beiträge sind politisch und sie vertreten einen ähnlichen Ansatz wie das Genderblog. Doch ihre Inhalte sind weniger akademisch und oftmals persönlicher. Konsequenterweise legen die MädchenbloggerInnen sehr großen Wert auf ihre Anonymität. "In Zeiten, in denen ArbeitgeberInnen Informationen über MitarbeiterInnen oder BewerberInnen im Internet suchen, muss man sich schützen, wenn man zum Beispiel frei über seine Sexualität schreibt."
Eine Autorin, die sich schlicht "sie" nennt, beschreibt in "Niemand ist sicher", wie ihr "erstes Mal" mit einem Mann zugleich ihre erste Begegnung mit sexualisierter Gewalt wurde, die sie gerade noch abwehren konnte. Ihr Artikel gehört zu den Blogeinträgen mit den meisten Kommentaren. Denn die heile Welt der Mädchen und Jungen in Bravo und den Eva-Prinzipien zeigt im Real-Life Risse. Und diese Risse finden im Netz eine Öffentlichkeit.
Und was ist mit Eva Herman? www.eva-prinzip.com wurde mittlerweile "wegen notwendiger Wartungsarbeiten" geschlossen. Derweil betreuen die Moderatorinnen von "femfacts" und "Cleos Lila-Laune-Gender-Forum" weiterhin ihre quirligen Communities und kämpfen wacker gegen Maskulisten. Anja William hat ihr Studium begonnen und führt aus Zeitgründen ihr Blog nicht weiter, schreibt aber als Gastautorin für das Genderblog.
Rochus Wolff freut sich über neue gute AutorInnen. Das Mädchenblog hat es mittlerweile auf Platz 17 der deutschen Bloggerinnencharts geschafft. Auch hier sind neue Mitglieder, die schreiben wollen, herzlich willkommen. Und die Linkliste auf www.emma.de/1001_frauenadressen listet viele weitere spannende feministische Aktivitäten im Internet.
Femfacts
Genderblog
Mädchenblog: Anjas Blog:
http://anja-lesenstattputzen.blogspot.com/