100 Jahre Frauenfriedenskongress
Wir Frauen aus vielen Ländern, zum Internationalen Kongresse versammelt, erklären hierdurch über allen Hass und Hader hinaus, der jetzt die Welt erfüllt, uns in der gemeinsamen Liebe zu den Idealen der Gesittung und Kultur verbunden zu fühlen, auch wo unsere Wege zu diesem Ziele auseinander gehen. Wir erklären feierlich jeder Neigung zu Feindschaft und Rache zu widerstehen, dagegen alles Mögliche zu tun um gegenseitiges Verständnis und guten Willen zwischen den Nationen herzustellen und für die Wiederversöhnung der Völker zu wirken. Wir erklären: Der Lehrsatz, Kriege seien nicht zu vermeiden, ist sowohl eine Verneinung der Souveränität des Verstandes, als ein Verrat der tiefsten Triebe des menschlichen Herzens. Von der innigsten Teilnahme beseelt für die Leidenden, Trostlosen und Unterdrückten, fordern wir, Mitglieder dieses Kongresses, die Frauen aller Nationen feierlichst auf, für ihre eigene Befreiung zu arbeiten und unaufhörlich für einen gerechten und dauernden Frieden zu wirken.
1. Protest
Wir protestieren gegen den Wahnsinn und die Gräuel des Krieges, der nutzlos Menschenopfer fordert und vielhundertjährige Kulturarbeit der Menschheit zerstört.
2. Leiden der Frauen im Krieg
Wir protestieren aufs Entschiedenste gegen das furchtbare Unrecht, dem Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind, und besonders gegen die entsetzlichen Vergewaltigungen von Frauen, welche die Begleiterscheinungen jedes Krieges sind.
3. Friedensschluss
Wir Frauen der verschiedenen Nationen, Klassen, Parteien und Glaubensrichtungen sind uns einig im Ausdruck warmen Mitgefühls mit den Leiden Aller, die unter der Last des Krieges für ihr Vaterland arbeiten und kämpfen, gleichviel welcher Nation sie angehören. Da die Völker aller im Kriege befindlichen Länder glauben, keinen Angriffskrieg zu führen, sondern zur Selbstverteidigung und für ihre bedrohte nationale Existenz zu kämpfen, können keine unversöhnbaren Gegensätze zwischen ihnen bestehen. Ihre gemeinschaftlichen Ideale bieten eine Grundlage, auf der ein gerechter und ehrenhafter Friede aufgebaut werden kann. Wir fordern daher die Regierungen der Welt auf, das Blutvergießen zu beenden und Friedensverhandlungen zu beginnen.
4. Ständige Vermittlung
Wir fordern die neutralen Länder auf, sofort Schritte zu unternehmen, um eine Konferenz neutraler Staaten einzuberufen, die unverzüglich ständige Vermittlungsbereitschaft anbieten soll.
5. Anerkennung der Volksrechte
Wir erklären in Anerkennung des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung, dass kein Gebiet ohne Einwilligung seiner männlichen und weiblichen Bevölkerung übertragen werden soll, und dass keinem Volk Autonomie und ein demokratisches Parlament verweigert werde.
6. Schiedsgericht und Vergleich
In der Überzeugung, dass Krieg die Verneinung von Fortschritt und Zivilisation bedeutet, fordern wir die Regierungen aller Länder auf, zu einem Übereinkommen zu gelangen, auf Grund dessen alle künftigen internationalen Streitigkeiten einem Schiedsgericht oder einer Vermittlung zu unterstellen sind. (...)
8. Kontrolle auswärtiger Politik
Da Krieg gewöhnlich nicht durch die Volksmassen verursacht wird, die ihn nicht wünschen, sondern durch einzelne Interessengruppen, fordern wir, dass die äußere Politik demokratischer Kontrolle unterstellt werde. Wir erkennen als demokratisch nur ein System an, welches die gleiche Vertretung von Männern und Frauen umfasst.
9. Die Gleichberechtigung der Frau
Da der zusammenwirkende Einfluss der Frauen aller Länder einer der stärksten Faktoren zur Vermeidung des Krieges ist, und da Frauen nur dann volle Verantwortung und wirksamen Einfluss ausüben können, wenn sie die gleichen politischen Rechte wie die Männer haben, fordern wir politische Gleichberechtigung der Frauen. (...)
11. Internationale Organisation
Dieser Internationale Frauenkongress fordert, dass die Organisation einer Vereinigung der Nationen auf der Grundlage aufbauenden Friedens gestaltet werde und folgendes umfasse:
a) Das Haager Schiedsgericht werde durch einen dauernden internationalen Schiedsgerichthof erweitert.
b) Zur Fortentwicklung des aufbauenden Werkes der Haager Konferenz soll eine ständige internationale Konferenz organisiert werden, mit regelmäßigen Sitzungen, an denen auch Frauen teilnehmen sollen. Diese Konferenz soll derartig organisiert sein, dass die Grundsätze der Gerechtigkeit, Billigkeit und guten Willens aufzustellen und durchzusetzen im Stande ist, durch welche die Kämpfe unterdrückter Gemeinwesen voll anerkannt und die Interessen und Rechte nicht nur der Großmächte, und der Mittelstaaten, sondern auch der schwächeren Länder und der Naturvölker durch eine aufgeklärte öffentliche Meinung allmählich geregelt werden können.
12. Allgemeine Abrüstung
Da dieser Internationale Frauenkongress allgemeine Abrüstung empfiehlt und sich bewusst ist, dass diese nur durch ein internationales Übereinkommen erreicht werden kann, fordert er als einen Schritt zu diesem Ziel, dass alle Länder auf Grund internationalen Abkommens die Fabrikation von Waffen und Munition verstaatlichen und deren internationalen Handel unter Aufsicht stellen. Der Kongress sieht in der Ausschaltung der Privatinteressen an der Waffenfabrikation ein wichtiges Mittel zur Abschaffung der Kriege. (...)
15. Die Frauen in der Politik
Dieser Internationale Frauenkongress erklärt es für unumgänglich, sowohl national, wie international den Grundsatz in die Praxis umzusetzen, dass die Frauen alle bürgerlichen und politischen Rechte und Verantwortungen unter gleichen Bedingungen tragen sollen, wie die Männer.
16. Die Kindererziehung
Dieser Internationale Frauenkongress betont die Notwendigkeit, die Erziehung der Kinder so zu leiten, dass ihr Denken und Wünschen auf das Ideal aufbauenden Friedens gerichtet wird.
18. Friedensbedingungen
Dieser Internationale Friedenskongress fordert, dass Vertreter des Volkes an der Konferenz teilnehmen sollen, in welcher die Friedensbedingungen nach dem Krieg festgesetzt werden und fordert, dass auch Frauen unter diesen Vertretern an der Konferenz teilnehmen.
19. Die Frauen beim Friedensschluss
Dieser Internationale Frauenkongress beschließt die Abhaltung eines internationalen Frauenkongresses am selben Ort wo, und in derselben Zeit, wenn die Konferenz der Mächte zur Feststellung der Friedensbedingungen tagt, um dieser praktische Vorschläge zu unterbreiten.
20. Deputationen zu den Regierungen
Um die Regierungen der Welt zu veranlassen, dem Blutvergießen ein Ende machen und einen gerechten und dauernden Frieden zu schließen, entsendet dieser Frauenkongress Deputationen, welche die in den Resolutionen niedergelegte Botschaft den Oberhäuptern der kriegführenden und neutralen Staaten Europas und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Nordamerikas überbringen sollen.