Glenn Close: Ich darf das!
Nein, sie hat auch diesmal keinen Oscar bekommen. Zum siebten Mal war sie nominiert, diesmal für ihre Rolle in „Die Frau des Nobelpreisträgers“. Das ist nicht nur deshalb bedauerlich, weil man Glenn Close die Trophäe sehr gegönnt hätte, sondern auch, weil sie vermutlich eine ähnlich feministische Ansprache gehalten hätte wie ihre „powerful feminist speech“ (Independent) wenige Wochen zuvor bei den Golden Globes.
Als Glenn Close diesen Filmpreis am 6. Januar unter tosendem Applaus entgegennahm, war sie sichtlich gerührt. Aber in Tränen brach die Geehrte erst aus, als sie über ihre Mutter sprach. „Meine Mutter hat ihr ganzes Leben meinem Vater un- tergeordnet. Mit 85 hat sie zu mir gesagt: ‚Ich habe das Gefühl, ich habe im Leben nichts erreicht.‘“ Mutter Bettine hatte ihren Mann William jung geheiratet und sich nicht einmal die Zeit genommen, die High School abzuschließen, um ihrem Ehemann, einem erfolgreichen Chirurgen, den Rücken freizuhalten. Sie blieb Hausfrau und kümmerte sich um die fünf Kinder. Einige Jahre lebte die Familie im Kongo, wo der Vater ein Krankenhaus leitete.
Über ein halbes Jahrhundert später steht nun Tochter Glenn, 71, auf der Bühne des Beverly Hilton Hotels und fordert: „Frauen müssen ihre Träume verfolgen können. Wir müssen sagen: Ich kann das – und ich darf das auch!“ Ihre Kolleginnen, die während ihrer Rede bestätigend genickt haben, erheben sich. Standing Ovations. In der ersten Reihe applaudiert die ebenfalls nominierte Lady Gaga, die zur Feier des Tages passend zum Festkleid eine blaue Strähne in ihrem weiß gefärbten Haar trägt.
Glenn Close spielt auch im Film eine hochtalentierte Frau, die ihr ganzes Leben ihrem Mann unterordnet: Joan Castleman schreibt die Romane, für die Ehemann und Schürzenjäger Joe schließlich mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird. Doch „The Wife“, so der Originaltitel der Buchvorlage von Meg Wolitzer, will nicht mehr…
Es ist eine Paraderolle für Glenn Close, die, gemeinsam mit Meryl Streep, Susan Sarandon & Co., in die Riege der großen Hollywood-Feministinnen gehört. An der Seite von Gloria Steinem marschierte sie auf Pro-Choice-Demos, sie spielte in den „Vagina Monologen“ gegen sexuelle Gewalt an und setzte sich für die Homo-Ehe ein. Schon in ihrem ersten Film „Garp und wie er die Welt sah“ eröffnet sie als Garps emanzipierte Mutter ein Frauenhaus. Close, die übrigens auch eine großartige Sängerin ist und ihre Karriere Mitte der 1970er mit Broadway-Musicals begann, spielte in Blockbustern wie „Das Geisterhaus“ oder „Mars Attacks“, aber immer auch in kleinen Independent-Filmen, die sie durch ihren Namen groß machte. Zum Beispiel „Serving in Silence“, die Geschichte der Margarethe Cammermeyer, die als höchstdekorierte Frau der US-Armee wegen ihrer Homosexualität unehrenhaft entlassen wird.
Die „Rolle ihres Lebens“ (FAZ) allerdings war „Albert Nobbs“. Drei Jahrzehnte lang kämpfte Glenn Close für ihr „Herzensprojekt“: die anrührende Geschichte eines irischen Butlers, der eigentlich eine Frau ist, doch im Dublin des 19. Jahrhunderts nur als Mann überleben kann. Für ihren Albert Nobbs bekam Close 2012 ihre sechste Oscar-Nominierung.
Glenn Close war dreimal verheiratet, aus Ehe Nr. 2 stammt Tochter Annie, die Mutter Glenn nach der Scheidung allein erzog – und die in der „Frau des Nobelpreisträgers“ die junge Joan spielt. Auf die Frage, warum „Männer so schlecht mit starken, begabten Frauen leben“ könnten, antwortet Glenn Close: „Das sollten Sie meine Ex-Partner fragen.“