Happy Birthday, Tante Karin!
Ich bin Feministin. Nach dem Warum zu fragen, erübrigt sich. Es gibt Gründe genug, aber nicht jede ist für sie empfänglich. Ich kann mich erinnern, dass ich selbst, wie viele Frauen, früher vieles nicht gesehen habe, was eigentlich leicht zu sehen ist. Dass ich mich vielleicht den Stimmen angeschlossen hätte, die abwiegeln und leugnen, dass es überhaupt noch eine Ungerechtigkeit gegenüber den Frauen in unserer Gesellschaft gibt. Doch das hat meine Tante Karin verhindert.
Karin Bakker wird am 19. September 80 Jahre alt, und sie ist immer noch eine Feministin der alten Schule: kompromisslos, direkt, unerschrocken. Sie hat sich nie davon abhalten lassen, dass andere sie nicht verstanden oder sich gar darüber lustig machten, dass sie sich auch bei Kleinigkeiten nicht mundtot machen ließ. Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt und sich erinnert, wie alles anfing mit dem Feminismus in der BRD, und wenn sie sieht, wo wir jetzt stehen, dann hoffe ich, dass sie ein bisschen stolz ist. Aber sie wird sicher sagen: Es ist noch viel zu tun! Zum Beispiel das Buch, an dem sie gerade schreibt.
Ich hoffe sehr, dass sie ein bisschen stolz ist
Meine Tante und ich wohnten recht weit auseinander. Als ich ein Kind war, besuchten unsere Familien sich nicht sehr oft. Dabei habe ich meine Tante als eine herzliche Frau erlebt, die aber auch scharf und laut werden konnte. Es konnte Streit geben mit ihr, und manchmal fanden die anderen in der Familie sie befremdlich. Das spürte ich.
Erst später habe ich sie besser kennengelernt. Nach und nach habe ich begriffen, wie stark diese Frau ist, die aus einer streng katholischen Familie stammt und sich ihren Weg und ihr Denken ganz allein erarbeitet hat. Ihr Elternhaus war nicht arm, aber viel Unterstützung gab es für sie nicht. Abitur und Studium musste sie sich selbst finanzieren. Als sie schon verheiratet war und einen kleinen Sohn hatte, arbeitete sie trotzdem weiter. Ihr Mann schob auch noch ein Studium nach, während sie arbeiten ging. Wirklich durchgeatmet hat sie wohl nie.
Karin ist eine mehrfache Marathonläuferin, im Leben genauso wie auf der Straße. Sie gibt nicht auf und sie akzeptiert nicht, dass manche Bereiche nur den Männern vorbehalten sind (wie der Marathonlauf als olympische Disziplin noch bis 1984).
Mein erstes EMMA-Abo schenkte Karin mir und meiner ganzen Berliner WG, die zu dieser Zeit hauptsächlich aus Jungs bestand. Sie lasen die EMMA mit Begeisterung, klauten sie aus meinem Zimmer und legten sich mit ihr in die Hängematte auf unserem Balkon.
Ich begann zu verstehen, dass ein Unrecht, das benannt wird statt geleugnet, bekämpft werden kann. Vielleicht sogar gemeinsam. Genau dieses Zur-Sprache-Bringen ist Karins wichtigstes Anliegen.
Sie schenkte mir mein erstes EMMA-Abo
Vor über 15 Jahren gründete meine Tante mit anderen Frauen ein Frauenforum in Monheim. Es hat Vernetzung und Ermächtigung von Frauen zum Programm. Vor acht Jahren hat sie in diesem Rahmen zudem noch den Ladies' Brunch initiiert, zu dem sich Frauen zum „Politisieren, zum Klönen und zum Kontakte knüpfen“ treffen, Veranstaltungen organisieren und diskutieren.
Vor zwei Jahren habe ich meine Dissertation in Philosophie verteidigt. Meine Tante kam extra nach Berlin. Zusammen mit meiner Mutter bastelte sie mir einen schwarzen Doktorhut aus Pappe. Mit meinem kleinen Sohn auf dem Schoß saß sie bei mir am Tisch, und wir sprachen über die Kinder, das Leben und den Feminismus. Sie würde jetzt mit einigen anderen Frauen an einem Buch arbeiten, erzählte Karin. Es soll um die Frauen in der Geschichte Monheims gehen. Ob ich mitmachen wollte? Klar, sagte ich, ich bin dabei!
Viola Nordsieck, 33, Berlin