Irmtraut: die Feministin (Nr. 2)

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"Es ist jetzt etwas über ein Jahr her, dass hier in Rahlstedt das 'Gelbe Dorf' aufgemacht hat. Dort sind von der Stadt Hamburg 18 asylsuchende Familien in gelben Wohncontainern untergebracht. Deshalb der Name. Für uns Anwohner gab es damals von der Kirchengemeinde aus einen Runden Tisch, wir waren also von Anfang an informiert.

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Ich hab' sieben Enkel, ich bin Lärm gewohnt...

Bei dem Treffen war es richtig voll, wir mussten immer wieder Stühle nachholen. Das fand ich gut. Ich wusste da schon, dass ich helfen will. Ich bin Rentnerin und im Verein „Kulturwerk Rahlstedt“ Mitglied. Und bei unserem Stammtisch habe ich mitbekommen, dass für die Nähstube für Flüchtlingsfrauen noch Hilfe gesucht wird, eines von vielen Projekten übrigens. ‚Kannste nähen?’ hat mich eine vom Kulturwerk gefragt. Und ich hab gesagt: ‚Jo!’ Ab da war ich dabei. Ich brauchte nur noch ein polizeiliches Führungszeugnis, wir arbeiten ja auch mit Kindern.

Wir haben einen Raum, 16 Quadratmeter mit drei Tischen, und meistens sind so 15 Frauen da. Manchmal auch noch die Töchter. Wir Helferinnen sind zu fünft. Da ist immer ganz schön was los. Aber ich hab drei Töchter und sieben Enkel, ich bin Lärm gewohnt. Am Anfang hatten wir auch das Gefühl, wir sind ne Änderungsschneiderei, so viele Leute aus der Wohnunterkunft sind mit ihren Sachen angekommen. Wir bekommen auch viele Stoffspenden. Die Frauen nähen sich ihre ganze Kleidung selbst. Oder die ihrer Kinder. Im Winter haben wir auch Mützen gestrickt und mit Mädchen Häkeln und Sticken geübt. Die meisten können das eh schon alles. Ich sag auch immer wieder zu den Jungs: Wenn du handarbeiten möchtest, komm! Aber die antworten  dann ‚Neee, das ist was für Mädchen!’. Es fängt auch langsam an, dass einige Frauen sich öffnen.

Viele kommen aus Syrien, einige aus Afghanistan, Serbien und auch Nigeria. Sie wirken immer sehr fröhlich. Machen unglaubliche viele Witze, auch über sich selbst und ihre Körper, wenn sie Klamotten anprobieren. Klar, wenn du sieben Kinder bekommen hast, dann siehst du nicht mehr aus wie ein Model. Aber letztens, da war eine ganz blass und hat zu mir gesagt: ‚Ich bin sehr, sehr traurig’. Oder ein syrisches Mädchen, das hatte Geburtstag, wollte aber nicht feiern. ‚Früher haben wir Geburtstagspartys gefeiert. Da hatten wir ein Haus und einen Garten’ hat sie geweint.

Nazis? Deren Plakate wurden schnell wieder abgehängt!

In Rahlstedt gab es ganz am Anfang auch mal Probleme mit Nazis. Da hingen plötzlich Plakate vor dem Gelben Dorf, ‚Flüchtlinge raus’ und so, aber die wurden schnell abgehängt. Und ein paar Anwohner haben geschimpft, dass seien doch alles ‚Zigeuner’! Ist natürlich Quatsch. Aber wenn: Na und! Neuerdings begleiten wir manche Frauen und Mädchen extra, zum Arzt oder zum Einkaufen. Und ein Mädchen ist so richtig schlau. Die hat mir erzählt: ‚Ich mache in Deutschland Abitur, dann studiere ich Architektur und dann baue ich Syrien wieder auf!’

Na ja, um die Ecke in Jenfeld ist das alles nicht so gut gelaufen. Da haben sie eine Zeltstadt für 800 Leute aufgebaut und die Anwohner viel zu spät informiert. Da stand Bett an Bett. Und dann ist die Krätze ausgebrochen. Da gab es viel Protest. Ich mache als nächstes eine Fortbildung im Bereich Traumatherapie. Es gibt hier viele Kurse, auch was die rechtliche Situation von Asylsuchenden angeht. Ich bin es ohnehin gewohnt, Sachen richtig anzupacken. Früher war ich in der Frauenbewegung aktiv und habe mit meinem Mann ein Umzugsunternehmen geführt. Mein Mann ist mittlerweile weg. Mein Elan ist geblieben."

Mehr zum Thema
Fördern und Wohnen, Stadt Hamburg
Kulturwerk Rahlstedt

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Frauen helfen Flüchtlingen. Foto: Christian Mang/imago
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