Alice Schwarzer schreibt

Johanna Dohnal rockt Wien!

Johanna Dohnal - Foto: Elfie Semotan
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Das war vermutlich weltweit einmalig: Dass die radikalste Feministin im Lande eine Politikerin war. So wie Johanna Dohnal in Österreich. In den 1980er Jahren wurde die Staatssekretärin und spätere Ministerin zur Stimme Nr. 1 in ihrem Land. Nicht zuletzt mit Sprüchen wie: „Mehr Macht für Frauen heißt, weniger Macht für Männer.“ Oder: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“ Oder: „Ohne Rollenzwänge! Ohne Macht- und Gewaltverhältnisse! Ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn!“

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Ich war seit dieser Zeit mit ihr befreundet, bis zu ihrem Tod. Und ich erinnere mich nicht nur an Besuche in ihrem güldenen Ministerium (in der Wiener Hofburg) und wortgewaltige Podiumsdiskussionen, sondern auch an Nächte in ihrer Küche, in denen durchgeredet, durchgetrunken und durchgesungen wurde. Ich kenne niemanden, der mit so einer Inbrunst die alten Arbeiterlieder schmettern konnte wie Johanna („Roter Wedding, grüßt euch Genossen…“).

Was vertrat diese Politikerin da? Das Recht auf Abtreibung! Mehr Macht für Frauen!

Das waren die Wurzeln von Johanna Dohnal: die ledige Mutter Fabrikarbeiterin; die Großmutter, bei der sie aufwuchs, Wäscherin; der Einstieg in den Beruf mit 14 Jahren. Da war der Weg in die sozialistische Partei quasi selbstverständlich. Schon als Jugendliche kassierte sie die Beiträge für die Sozialistische Partei (SPÖ) im Arbeiterviertel Penzig. Da konnte sie noch nicht ahnen, dass der legendäre rote Kanzler Bruno Kreisky sie eines Tages als Staatssekretärin in sein Kabinett holen würde.

Und was vertrat diese Politikerin da? Das Recht auf Abtreibung! Häuser für geschlagene Frauen und Kinder! Mehr Macht für Frauen! Und wenn sie kritisiert wurde, antwortete die hochgewachsene Johanna selbstbewusst: „Aus taktischen Gründen leiser zu treten, hat sich schon immer als Fehler erwiesen!“

Kreiskys „Jeanne d’Arc“ setzt die Filmemacherin Sabine Derflinger jetzt ein beeindruckendes Denkmal, mehr noch: Die erfahrene Regisseurin („Vorstadtweiber“, „Tatort“) hat einen Dokumentarfilm „gegen das Vergessen und für eine gleichberechtigte Zukunft“ gemacht. Im Mittelpunkt steht Dohnal und ihre Zeit – die so viel hoffnungsvoller war als Kurz und seine Zeit.

Der in Österreich gefeierte und mit dem Großen Diagonale-Preis ausgezeichnete Film arbeitet mit zahlreichen Originaldokumenten über Dohnal, und es ist rührend zu sehen, wieviel Charme und Humor dies so kämpferische Frau eben auch hatte. „Mir war wichtig“, sagt die bekennende Feministin Derflinger, „zu zeigen, was von ihr geblieben ist“.

Und was verschüttet ist. Von Dohnals Politik können die Österreicherinnen heute nur träumen. Derflinger, selbst Kind vom Land, beklagt, dass für gewisse heutige Strömungen des Feminismus kulturelle Differenzen wichtiger seien als Menschenrechte. „Die Frauenpolitik ist seit Dohnal in Österreich im Rückschritt“, klagt sie – und hofft auf Impulse dank ihres Films.

1995 wurde Johanna Dohnal brutal gechasst. Diese Frau war einfach zu lästig.

Als junge Frau hatte Dohnal geheiratet und zwei Kinder geboren: eine Tochter und einen Sohn. Als sie in die Politik ging, wurde die Spannung in der Ehe zu groß, sie ließ sich scheiden. Später teilte Johanna nicht nur die Politik, sondern auch ihr Leben mit Frauen.

1979 war Dohnal unter Kreisky Staatssekretärin geworden, elf Jahre später Frauenministerin – fünf Jahre weiter wurde sie bei einer Regierungsumbildung brutal geschasst. Diese Frau war einfach zu lästig. Und lästige Frauen dürfen nicht absetzbar sein. Johanna starb mit 71 im Jahr 2010. Das Herz.

Alice Schwarzer

Jetzt im Kino: „Die Dohnal. Frauenministerin/Feministin/Visionärin“

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