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Kate Millett: Sexus & Herrschaft

Kate Milletts "Sexus und Herrschaft" analysiert den harten Kern des Patriarchats..
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Die amerikanische Schriftstellerin, Essayistin und Künstlerin Kate Millett (1934 – 2017) prägte mit ihrem 1970 erschienenen Buch „Sexual Politics“ (auf Deutsch: „Sexus und Herrschaft“, 1971) den zentralen Begriff des Neuen Feminismus: die Sexualpolitik. Der Begriff benennt den harten Kern des Patriarchats: die Ausübung von Macht durch Sexualität. Das geht von den Sexualpraktiken über das Abtreibungsverbot, dem sexuellen Missbrauch bis zu Prostitution und Vergewaltigung. Milletts Buch, ursprünglich die Doktorarbeit der Literaturwissenschaftlerin, war im gesamten Westen ein Paukenschlag. Ihre nachfolgenden Essays waren meist autobiografisch geprägt. So thematisierte sie in „Flying“ (1974) ein Tabu: den Hass, auch unter Feministinnen, am Beispiel ihrer eigenen Verfolgung als „Star“ und ihres Zwangsoutings durch die Frauenbewegung. Und das zu einer Zeit, in der es keineswegs akzeptiert war, als Frau Frauen zu lieben (Millett war bisexuell). Sie scheute sich auch nicht, in die Abgründe der „Weiblichkeit“ zu blicken. Mit „Basement“ lieferte sie 1979 eine auf einem realen Fall basierende psychologische Studie über weiblichen Masochismus und Sadismus: Sie dachte sich in Opfer und Täterin ein. 1974 veröffentlichte Millett eines der ersten Bücher der Neuen Frauenbewegung über Prostitution („Das verkaufte Geschlecht“) und 1982 einen klarsichtigen Bericht über ihre Reise in den islamistischen Iran. – In dem nachfolgenden Auszug aus „Sexus und Herrschaft“ analysiert Millett die Entstehung der „Sklavenseele“ (Beauvoir) der unterdrückten Frauen und, exemplarisch für die seit damals grassierende pornografische Literatur, Henry Millers „Sexus“. Das Buch galt vor allem in der Linken als Plädoyer für eine „befreite Sexualität“ (der Männer). A.S.

Wenn das Ich-Bild, das eine Gruppe von sich selbst hat, durch gemeinschaftlichen Glauben, Ideologie oder Tradition nur in gehässigen Versionen existiert, muss die Wirkung schädlich sein. Diese wird noch durch eine beständige, oft sehr subtile Art der Herabsetzung verstärkt, die Frauen täglich im persönlichen Umgang erfahren. Es kann deshalb nicht überraschen, dass Frauen Gruppencharakteristiken entwickeln, die denen von Minoritäten und Randexistenzen gleichen.

Ein einfaches Experiment von Philip Goldberg belegt, was jedermann sowieso weiß: Nachdem Frauen die Verachtung, mit der sie behandelt werden, akzeptiert haben, beginnen sie, sich selbst sowie einander gegenseitig zu verachten. Der einfache Test bestand darin, College-Studentinnen zu fragen, welche Meinung sie über eine wissenschaftliche Arbeit hatten, die von einem gewissen John McKay bzw. von einer Joan McKay geschrieben worden war. Die Studentinnen stimmten allgemein darin überein, dass John ein eindrucksvoller Denker sei, Joan aber höchst mittelmäßig. Die Arbeiten waren identisch: die Reaktion war durch das Geschlecht des angeblichen Autors bestimmt worden.

Da Frauen in einem Patriarchat meist nur ‚Randbürger‘ sind, wenn sie überhaupt Bürgerrechte genießen, gleicht ihre Situation der anderer Minoritäten, wobei unter einer Minorität hier nicht die zahlenmäßige Unterlegenheit einer Gruppe verstanden wird, sondern deren niedrige Rangordnung. „Eine Minorität ist eine Gruppe von Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen oder kulturellen Eigenschaften aus der Gesellschaft, in der sie leben, für eine andersartige und ungleiche Behandlungsweise ausgesondert sind. (Louis Wirth in „Problems of Minority Groups“: Es ist interessant, dass viele Frauen sich selbst nicht als diskriminiert betrachten; man kann keinen besseren Beweis für eine erfolgreiche Beeinflussung finden.) (…)

Selbst das wenige, was die Sozialwissenschaften in diesem Zusammenhang in Erfahrung gebracht haben, bestätigt, dass die Frauen die bei einer Minorität zu erwartenden Charakteristiken aufweisen: Gruppenselbsthass und Selbstablehnung, Verachtung sowohl ihrer selbst als anderer Frauen. Dies ist das Ergebnis der ständigen, wenn auch subtilen Eintrichterung einer Unterlegenheit, die allmählich als Tatsache akzeptiert wird.

Ein weiteres Anzeichen für den Minoritätenstand ist die Strenge, mit der Gruppenmitglieder abgeurteilt werden. Die doppelte Moral wird nicht nur in bezug auf sexuelles Verhalten, sondern auch in anderem Zusammenhang angewendet. Dies trifft auch bei den relativ seltenen Fällen weiblicher Verbrecher zu: In vielen amerikanischen Staaten werden eines Verbrechens überführte Frauen zu längeren Strafen verurteilt als Männer. Im allgemeinen wird eine angeklagte Frau weit über ihre Taten hinaus bekannt und berüchtigt und aufgrund der allgemeinen Sensationslust hauptsächlich für ihr ‚Sexleben‘ verurteilt.

Doch ist die Erziehung zur Passivität in einem Patriarchat meist so wirkungsvoll, dass Frauen selten extrovertiert genug sind, um den Weg ins Verbrechen einzuschlagen. So wie jedes Mitglied einer Minorität die Exzesse eines anderen Mitgliedes entweder entschuldigen oder mit lautem Enthusiasmus verdammen muss, so sind auch Frauen in der Kritik ihrer Artgenossinnen typisch hart, rücksichtslos und ängstlich.

Der nagende Zweifel, der viele Mitglieder einer Minorität quält, dass nämlich der über ihre Unterlegenheit verbreitete Mythos letzten Endes doch stimmen könnte, hat in der persönlichen Unsicherheit der Frauen phantastische Proportionen angenommen. Manche finden ihre untergeordnete Position so schwer zu ertragen, dass sie deren Existenz überhaupt nicht anerkennen und glattweg leugnen. Eine große Anzahl jedoch erkennt die Umstände klar und gibt sie auch zu, wenn sie mit treffenden Worten beschrieben werden.

Bei zwei Rundfragen, in denen Frauen befragt wurden, ob sie lieber als Männer geboren wären, wurde diese Frage in der einen Studie von einem Viertel der Frauen, in der anderen von der Hälfte bejaht. Wenn man Kinder fragt, die noch keine Ausweichmechanismen entwickelt haben, was ihre Wahl wäre, wenn sie eine hätten, stellt sich heraus, dass eine große Anzahl von Mädchen es vorzögen, in der Elitegruppe der Männer geboren zu sein, während die Knaben überwiegend die Zumutung, Mädchen zu sein, zurückwiesen. Eine Befragung von Kindern in der vierten Klasse zeigte, dass zehnmal mehr Mädchen wünschten, sie könnten Buben sein, als umgekehrt. (…)

Vergleiche, die Myrdal, Hacker und Dixon zwischen den Attributen von Schwarzen und von Frauen angestellt haben, zeigen, dass beiden Gruppen dieselben Merkmale zugeschrieben werden: niedrige Intelligenz; Befriedigung der Instinkte oder Sinne; eine emotionelle Natur, die zugleich primitiv und kindlich ist; eine vorgespielte Begabung oder Affinität für das Sexuelle; eine listige Angewohnheit zu täuschen und die Gefühle zu verbergen; eine Zufriedenheit mit dem Schicksal, was zugleich der Beweis für seine Angemessenheit ist.

Beide Gruppen sind zu denselben Besänftigungstaktiken gezwungen: zu einem sich anbiedernden Benehmen, das dazu da ist, zu gefallen.

Politisch gesehen sind die brauchbarsten Personen für diese Rolle Unterhaltungskünstler und öffentliche Sexobjekte. Allgemein ist festzustellen, dass in einer Minorität immer ein kleiner Prozentsatz von Glücklichen die Herrscher unterhalten darf. In den meisten Minoritäten wird es Sportlern oder Intellektuellen erlaubt, als ‚Stars‘ hervorzutreten. Eine Identifikation mit ihnen soll auch die weniger Glücklichen unter den anderen Gruppenmitgliedern befriedigen.

Für Frauen treffen diese Sonderumstände der Sportler und Intellektuellen nicht zu, da die übliche Erklärung für ihren niedrigeren Stand gerade darin besteht, dass man ihnen körperliche Schwäche und intellektuelle Minderwertigkeit zuschreibt. Frauen unterhalten, gefallen, befriedigen und schmeicheln Männern mit ihrer Sexualität.

Aus logischen Gründen ist die Zurschaustellung körperlichen Mutes oder körperlicher Gewandtheit nicht schön (für Frauen deshalb nicht angebracht), und Anzeichen ernstzunehmender Intelligenz sind fehl am Platz. (…)

***

„Ich bat sie, das Bad für mich einlaufen zu lassen. Sie tat so, als könne sie sich nicht dazu entschließen, tat es aber dann doch. Eines Tages, als ich in der Wanne saß und mich abseifte, bemerkte ich, dass sie die Handtücher vergessen hatte. Ida, rief ich, bring mir ein paar Handtücher! Sie kam ins Badezimmer herein und brachte sie mir. Sie hatte einen seidenen Morgenmantel und Seidenstrümpfe an. Als sie sich über die Wanne beugte, um die Handtücher auf das Gestell zu hängen, öffnete sich ihr Morgenmantel eine Handbreit. Ich kniete mich hin und vergrub meinen Kopf in ihrem Vlies. Es ging so schnell, dass sie nicht Zeit hatte, sich dagegen zu wehren oder auch nur so zu tun, als wehre sie sich dagegen. Im nächsten Augenblick hatte ich sie samt Strümpfen und allem in die Wanne gezogen. Ich streifte ihr den Morgenmantel ab und warf ihn auf den Boden. Die Strümpfe durfte sie anbehalten – das ließ sie lüsterner, mehr nach dem Cranach-Typ aussehen. Ich legte mich zurück und zog sie auf mich. Sie war wie eine läufige Hündin, biss mich überall, schnappte nach Luft und wand sich wie ein Wurm am Angelhaken. Als wir uns abtrockneten, beugte sie sich herunter und fing an, an meinem Schwanz zu lecken. Ich saß auf dem Rand der Wanne, und sie kniete, ihn gierig verschlingend, zu meinen Füßen. Nach einer Weile ließ ich sie aufstehen und sich bücken. Dann besorgte ich es ihr von hinten. Sie hatte ein kleines, saftiges Loch, das mir wie ein Handschuh passte. Ich biss in ihren Nacken, ihre Ohrläppchen, die empfindliche Stelle ihrer Schulter, und als ich mich von ihr löste, hinterließ ich das Mal meiner Zähne auf ihrem schönen weißen Hintern. Nicht ein Wort wurde zwischen uns gesprochen.“

Diese farbenreiche Beschreibung stammt aus Henry Millers berühmtem Roman „Sexus“, der in den vierziger Jahren in Paris veröffentlicht wurde, aber von den hygienischen Küsten Amerikas bis zur Herausgabe durch die „Grove Press“ 1965 verbannt war. Miller, alias Val, erzählt, wie er Ida Verlaine, die Frau seines Freundes Bill Woodruff, verführt. Als Sexualbericht enthält der Auszug jedoch wesentlich mehr als die Beschreibung der rein biologischen Handlung, die der Erzähler mit ‚Ficken‘ bezeichnet. Ja, es ist gerade dieser andere Inhalt, der dem Vorfall seinen Wert und Charakter gibt.

Man muss sich die Umstände und Zusammenhänge dieser Szene vor Augen halten: Val hat Bill Woodruff gerade vor dem Varieté getroffen, in dem Ida Verlaine auftritt. Dies erinnert den Helden an seine sexuellen Abenteuer vor zehn Jahren, und so folgen in der weitschweifigen Art von Millers Erzählstil elf Seiten lebhafter Vergegenwärtigungen. Da ist zuerst Ida selbst: Sie war genauso, wie ihr Name klang – hübsch, eitel, theatralisch, treulos, verwöhnt, verhätschelt. Schön wie eine Puppe aus Meißner Porzellan – nur dass sie rabenschwarze Flechten und beseelte japanische Schlitzaugen hatte. Sie ging vollkommen im Körperlichen auf, lebte ihren Sinnen, ihren Begierden – und leitete die Schau, die Körperschau, mit ihrem tyrannischen kleinen Willen, den der arme Woodruff als monumentale Charakterstärke auslegte ... Ida verschlang alles wie eine Anakonda. Sie war herzlos und unersättlich.

Als Familienfreund hat Val das Recht, die Nacht bei den Woodruffs zu verbringen, und während Ehemann Bill zur Arbeit geht, wird Val das Frühstück ans Bett serviert. Vals Taktik, Ida dazu zu bringen, ihn zu bedienen, ist im Hinblick auf folgende Bemerkung wichtig: Der Gedanke, mich im Bett zu bedienen, war ihr zuwider. Sie tat das schon nicht für ihren Mann und vermochte nicht einzusehen, warum sie es dann für mich tun sollte. Im Bett frühstücken war etwas, was ich nur bei Woodruffs tat. Ich tat es eigens, um Ida zu ärgern und zu demütigen.

Einer der Mythen, die den Kern eines jeden Romans von Miller bilden, ist der Protagonist, der immer eine Fassung des Autors selbst darstellt; er ist sexuell unwiderstehlich und zu einem beinahe mystischen Grad potent. Es soll den Leser daher nicht überraschen, dass Ida in seine Hände fällt.

Doch um auf den ersten langen Auszug zurückzukommen: Die Szene liest sich wie ein Schlachtplan, in dem der Held die aggressive Rolle übernimmt und die fügsame Rolle der „Heldin“ der Episode, Ida, zugeteilt wird. Sein erster Schachzug besteht darin, Handlangerdienste zu erzwingen, indem er zum Beispiel nach einem Handtuch verlangt und Ida damit in die ihr angemessene Rolle einer Gastgeberin und Dienerin verweist.

Val macht den ersten Zug: „Ich kniete mich hin und vergrub meinen Kopf in ihrem Vlies.“ Der Ausdruck „Vlies“ schlägt den Ton an, den die ganze Passage hat – ein Ausdruck, den Männer gebrauchen, wenn sie sich gegenseitig und von ihrem Gesichtspunkt aus Abenteuer erzählen. Noch eindeutiger in bezug auf den wahren Charakter der Handlung ist der Kommentar, der gleich darauf folgt: „Es ging so schnell, dass sie nicht die Zeit hatte, sich dagegen zu wehren.“ Da die ganze Szene keine Beschreibung von heterosexuellem Geschlechtsverkehr zwischen zwei erwachsenen Menschen ist, sondern Geschlechtsverkehr als Machtausübung zeigt, ist „wehren“ ein aufschlussreiches Wort. Val hatte den Leser bereits darüber unterrichtet, dass sie „mich in ihren Bann bringen wollte, mich auf dem Seil tanzen lassen wollte, wie sie es mit Woodruff und ihren anderen Liebhabern getan hatte“. Die Frage ist jetzt natürlich, wer von den beiden auf dem Seil tanzen und wer der Herr der Lage sein wird.

Nachdem Val Ida unter seine Herrschaft bekommen hat, handelt er schnell, um jeder Auflehnung zuvorzukommen. Dies ruft das nächste bemerkenswerte Ereignis hervor – Val zieht sie sozusagen in sein Element und damit in die entschieden lächerliche Lage, bekleidet in der Badewanne zu sitzen. Auch hier drückt die Sprache wieder die Machtposition aus: „Ich hatte sie in der Badewanne.“ Der Leser wird erneut darauf aufmerksam gemacht, dass dem Erzähler für Vals Geschwindigkeit und Beweglichkeit Anerkennung gebührt; Ida wird im Handumdrehen in die Badewanne gezerrt. Nachdem er so die Initiative übernommen hat, entkleidet Val seine Beute ihres überflüssigen Morgenrocks und wirft ihn auf den Boden. Die Strümpfe und die Nacktheit dienen dem ästhetischen Genuss; sie tragen dazu bei, Ida „lüsterner, mehr nach dem Cranach-Typ aussehen“ zu lassen.

Die zarte Vollkommenheit eines Cranach-Typs war bereits vorher vergleichsweise als Idas Körpertyp erwähnt worden. Die Übereinanderlagerung der Unschuld und des Seltenheitswertes eines solchen Bildes mit der traditionellen Hürchen-Figur in Seidenstrümpfen ist eine großartige Strategie. Das Wort „lüstern“ deutet auf bewusste Sinnlichkeit und hängt von einem Geschmack fürs Geile und besonders für das im Sexakt Erniedrigende ab. Diese Einstellung baut wiederum klar auf der puritanischen Überzeugung auf, dass Sexualität tatsächlich schmutzig und lächerlich ist. Bei dem fraglichen Cranach handelt es sich wahrscheinlich um die zarte und morbide Eva aus der Paradiestafel, jetzt auf Pin-up-Girl zurechtgemacht.

Val aber macht ruhig weiter – sein Benehmen ist kühl selbstsicher und stinkt nach Bequemlichkeit. „lch legte mich zurück und zog sie auf mich.“ Was darauf folgt, ist rein subjektive Beschreibung. Der Held hat aufgehört, sich zu bewundern, und verliert sich nun in einem Staunen über seine eigene Wirkung, denn die Feuerwerke, die jetzt sprühen, stammen von Ida, auch wenn sie von einem Pawlowschen Mechanismus ausgelöst werden. Wie der berühmte programmierte Hund, besser noch, wie „eine läufige Hündin“, reagiert Ida auf die geschickten Manipulationen des Helden: „… Sie biss mich überall, schnappte nach Luft und wand sich wie ein Wurm am Angelhaken.“ Die Reaktion des Helden hingegen schließt einen ähnlichen Fall tierischen Mangels an Selbstkontrolle aus. Er ist der Angelhaken, und sie ist der Wurm: Dies deutet ganz klar auf stählerne Selbstzucht hin, die mit einer amourösen Dienstbarkeit und kriecherischen Verletzlichkeit lebhaft kontrastiert. Ida hat es – in der doppelten, aber eng verwandten Bedeutung des Wortes – gehabt. Jetzt hat er Ida so an der Angel, dass sie zu ihrem ersten Zug bereit ist: „… beugte sie sich herunter und fing an, meinen Schwanz zu lecken.“

Der Schwanz des Helden, jetzt der strahlende Mittelpunkt, ist immer noch ein Haken, an dem Ida in einen einfältigen Fisch verwandelt ist. (Vielleicht waren alle diese Wassermetaphern von der Badewanne inspiriert.) Auch die Positionen sind nun wesentlich vertauscht. „Ich saß auf dem Rand der Wanne, und sie kniete, ihn gierig verschlingend, zu meinen Füßen.“ Die Machtverhältnisse sind jetzt klar umrissen. Dem Helden bleibt nichts mehr zu tun, als seinen Sieg in einer arroganten, letzten Geste zu bestätigen: „Nach einer Weile ließ ich sie aufstehen und sich bücken. Dann besorgte ich es ihr von hinten.“

Was der Leser hier aus zweiter Hand erlebt, ist ein beinahe übernatürliches Machtgefühl – falls der Leser ein Mann ist. Gleichzeitig bedeutet er eine männliche Machtbestätigung durch eine schwache, gefügige und ziemlich unintelligente Frau. Es handelt sich um einen Fall von Sexualpolitik auf der untersten Ebene.
Zweifellos häufen sich über dem Triumph des männlichen Egos die Befriedigungen von Held und männlichem Leser gleichermaßen und finden in folgender Feststellung ihren plastischen Ausdruck: „Sie hatte ein kleines, saftiges Loch, das mir wie ein Handschuh passte.“

Daraufhin macht der Held dem Leser mit der Beschreibung Appetit, wie er sich an seinem Objekt nährt: „Ich biss in ihren Nacken, ihre Ohrläppchen, die empfindliche Stelle ihrer Schulter, und als ich mich von ihr löste, hinterließ ich das Mal meiner Zähne auf ihrem schönen weißen Hintern.“ Der letzte Biss ist ein Mal, das Besitz und Gebrauch kennzeichnet und, mehr noch, die innere Einstellung äußerlich dokumentiert. Val hatte uns vorher informiert, dass Bill Woodruff ein so absurder und verliebter Kriecher sei, dass er sich dazu erniedrigt hatte, diesen Teil der Anatomie seiner Frau zu küssen. Unser Held berichtigt die Beziehung zwischen den Geschlechtern durch eine, wie er glaubt, den wirklichen Verhältnissen besser entsprechende Geste.

Zweifellos ist der letzte Satz unseres Zitats der beredteste: „Nicht ein Wort wurde zwischen uns gesprochen.“ Wie ein Cowboy, der sich niemals herablässt, seinen Hut abzunehmen, hat auch Val den ganzen Schlachtplan, einschließlich des Coup de grace, ausgeführt, ohne sich auf ein einziges menschliches Wort einzulassen.

KATE MILLET

Der Text ist ein Auszug aus „Sexus und Herrschaft“
(vergriffen, präsent im FrauenMediaTurm in Köln )

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