Melanie Heuser: Kreuzt auf

Melanie Heuser auf hoher See - sie ist direkt am Sylter Hafen in Hörnum aufgewachsen. - Foto: Jakob Winter/artundweise
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Normalerweise trägt Melanie Heuser in ihrem Arbeitsleben als Bankkauffrau in Westerland hohe Schuhe und Business-Kostüm. Doch wenn der Alarm geht, fliegt beides in die Ecke und wird gegen schwere Sicherheitsschuhe und Überlebensanzug eingetauscht. BankkundInnen werden vertröstet, die KollegInnen halten schon mal die Tür auf. Die Nordsee hält sich nicht an Geschäftszeiten, auf Sylt verstehen das alle.

Dann eilt die 38-Jährige nach Hörnum ganz im Süden der Insel, zu ihrer „Horst Heiner Kneten“. Das ist ihr Seenotrettungsboot, das sie als Bootsführerin fahren wird – als einzige Frau auf Sylt und eine der wenigen in ganz Deutschland. „Direkt auf den Rettungsbooten sind wir Frauen doch sehr überschaubar, ebenso auf Lehrgängen und Weiterbildungen“, sagt sie. „Ich würde mich freuen, wenn wir mehr Frauen an Bord holen könnten!“

Sie selbst kam auch lange nicht auf die Idee, zur „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ (DGzRS) zu gehen. „Vielleicht, weil da nur wenige Frauen waren, die das gemacht haben.“ Auch ihr Vater, der selbst einmal Seenotretter war, hat sie nicht herangeholt. Dabei waren sie und ihre zwei Geschwister bereits mit zehn Jahren in der Sylter Jugendfeuerwehr, haben früh gelernt zu retten. Auch ist Melanie direkt am Hafen in Hörnum aufgewachsen, machte schon in jungen Jahren den Segel- und Sportbootsschein. „So jemanden wie dich bräuchte die Besatzung unseres Seenotrettungsbootes!“, sagte damals ein Kollege aus der Feuerwehr anerkennend. Melanie ließ sich nicht zwei Mal bitten: „Aber ich habe keine Lust auf Mann-Frau-Gedöns. Klärt das, Jungs! Wenn ihr damit klarkommt, dann komme ich damit klar!“ Und das kommt sie nun seit zehn Jahren – ohne Probleme.

Hin und wieder stößt Melanie bei Rettungen auf verdutzte Blicke, weil Schiffbrüchige wohl doch eher einen Mann auf einem Seenotrettungsboot erwarten. „Das stört mich gar nicht. Im Gegenteil, so setze ich auch ein Zeichen“, sagt sie. In ihrem Team spielt das Geschlecht keine Rolle. „Wir müssen uns 100 Prozent aufeinander verlassen können, das ist lebenswichtig. Wir wissen genau, wer was am besten kann, und danach werden wir eingesetzt.“

Durch ihre Feuerwehr-Ausbildung kann Melanie auch die komplizierten Sachen. Eine Einsatzroutine gibt es nicht wirklich. Jede Rettung ist anders, je nachdem, wer wo gerade Mayday funkt. Fischkutter auf Fangreise, Ausflugs- und Passagierschiffe, Surfer, Stand-Up-Paddler oder Kite-Surfer. Wenn es „kabbelig“ wird und die „Horst Heiner Kneten“ durch die Wellen brechen muss, ist der Job nicht ohne. Dann gilt mehr denn je: Eine Hand fürs Boot, eine für sich selbst. Angst hat Melanie Heuser keine. „Wir wissen ja, was wir tun und dafür sind wir schließlich ausgebildet. Aber natürlich haben wir Respekt vor den Elementen.“

Mehr noch als die Herausforderung der Elemente schätzt die Sylterin die Gemeinschaft der Crew und den Geist in der Rettung. „Egal, ob bei den Seenotrettern, beim THW oder beim Roten Kreuz, wir alle leben diesen Gemeinsinn. Das gibt uns viel“ – gerade auf einer Insel wie Sylt, deren einheimische EinwohnerInnen wegen des Ausverkaufs der Immobilien stark um den Zusammenhalt ihres Ortes kämpfen müssen.

Heusers Lebensgefährte ist ebenfalls Seenotretter, allerdings hauptberuflich und auf Helgoland, das heißt also Fernbeziehung. „Dass wir das beide machen, ist ein Glücksfall. In einer Beziehung ist es sonst oft schwierig, wenn einer immer auf Abruf ist.“ Aber: „Letzten Endes sind soziale Beziehungen und Engagements doch das, was das Leben lebenswert macht.“

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