Natascha: Die Lokalpolitikerin

Natascha Kauder, hier bei einem Bundestagsbesuch in Berlin.
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„Mein Engagement für Flüchtlinge ist politisch und praktisch. Ich bin Stadtverordnete für die Grünen und sitze im Ortsbeirat. Und ich kümmere mich, wie gerade viele hier, um die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Es wird allerdings immer schwieriger, solche Unterkünfte zu finden. In Frankfurt gibt es bisher keine riesigen Flüchtlings-Gettos und es sind auch nicht in allen Stadtteilen gleich viele Menschen untergebracht. In Nordend, da wohne ich, leben etwa 20 Flüchtlinge. Die sind fast überversorgt und deshalb haben wir hier entschieden: Wir wollen etwas darüber hinaus tun!

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Frauen auf der Flucht tarnen
sich zum Schutz als Männer

Da wir wussten, dass Flüchtlinge Fahrräder gebrauchen können, haben wir hier kurz vor Pfingsten in der Nachbarschaft einen Spenden-Aufruf gestartet. Am Ende hatten wir über 45 Räder zusammen in nur fünf Stunden. Toll war auch, dass sich zwei Fahrradhändler bereit erklärt haben, die Räder umsonst zu reparieren. Leider sind nicht sehr viele Flüchtlinge zu dem Fahrrad-Basar gekommen, eher die Hilfsorganisationen. Dafür haben wir im Anschluss zusammen mit der Polizei ein Sicherheitstraining mit Fahrradparcours auf einem Schulhof organisiert. Da kamen dann tatsächlich etwa 15 Männer.

75 Prozent der Flüchtlinge in Frankfurt sind männlich, unter den Jugendlichen sind es sogar über 90 Prozent. Aber das ändert sich gerade. Mittlerweile höre ich auch aus anderen Bundesländern immer öfter von Frauen und Mädchen, die in Gruppen ankommen.

Für die wenigen jungen und älteren Frauen müssen wir natürlich dringend die Frage der Unterbringung klären. Frauen und Mädchen sind in den riesigen gemischten Unterkünften doch total ausgeliefert. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf der Flucht sexuelle Gewalt oder Zwangsprostitution erlebt haben, ist ohnehin schon hoch genug.

Wir brauchen also Schutzräume für Frauen, zum Beispiel eigene Container-Unterkünfte oder kleinere Unterbringungen mit Türen, die abgeschlossen werden können. Was wir mittlerweile auch mitbekommen haben: Es gibt Frauen und Mädchen, die sich auf der Flucht nach Westeuropa als Männer und Jungen tarnen. Das kommt, wenn überhaupt, erst bei der ärztlichen Untersuchung raus.

Ich bin auch Sprecherin der ‚Landesarbeitsgemeinschaft der lesbischen und schwulen Grünen’ in Hessen und frage mich, wie wir speziell lesbische, schwule und transsexuelle Flüchtlinge besser schützen können. In einigen Unterkünften in Deutschland soll es zu Zwangsoutings gekommen sein – das kann für die Menschen lebensbedrohlich sein.

Das Problem ist: Die ganze Abwicklung der Flüchtlingshilfe ist teilweise noch schlecht organisiert. Der Schritt von ‚Ich will helfen!’ zu ‚Ich kann helfen’ ist groß. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die würde gerne Trompetenunterricht anbieten. Eine andere ist Osteopathin und möchte stundenweise umsonst behandeln. Aber beide wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. Klar, ich kann hier vermitteln. Aber auch das dauert oft sehr lange.

In einigen Unterkünften gab es Zwangs-
outings 

Bis vor kurzem gab es im Amt für Jugend und Soziales nur ein Info-Telefon und eine weitere Ansprechpartnerin im Amt für Multikulturelle Angelegenheiten - und das bei mittlerweile 1.500 Flüchtlingen und 1.200 unbegleitet minderjährigen Flüchtlingen im so genannten Clearingverfahren. Ein anderes Beispiel: Viele Menschen kamen anfangs mit Kleiderspenden – es gab aber nicht ausreichend Lagerraum. Sie wurden wieder weggeschickt, natürlich sind die Leute dann frustriert. Der tatsächliche Bedarf an Spenden muss klarer kommuniziert werden. Wir brauchen nicht unendlich viele Spielsachen, wenn in den Unterkünften vor allem erwachsene Männer aus Syrien sitzen. Dann brauchen wir Männerschuhe ab Größe 40. 

Seit diesem Monat ist deshalb das Netzwerk ‚Frankfurt hilft’ aktiv. Die koordinieren Angebot und die Nachfrage. Hauptberuflich arbeite ich übrigens im Jobcenter und sitze gerade an einem Konzept, um jugendlichen Flüchtlingen eine Ausbildung oder ein längeres Praktikum zu ermöglichen. Gerade erst hat die Bundesagentur für Arbeit ja Handlungsbedarf in dem Bereich angekündigt, um die Abläufe zu beschleunigen. Darauf müssen wir als Stadt vorbereitet sein.“

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Frankfurt hilft – Engagement für Flüchtlinge

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Birte: Die Informantin (Nr. 1)

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„Angefangen hat alles im Oktober 2014. Ich hatte mich als Journalistin schon länger über den zündelnden Ton gewundert, in dem eine Lokalzeitung über Flüchtlinge berichtet und habe das Thema deshalb sehr genau verfolgt. Und schließlich wollte ich selbst etwas darüber schreiben, am liebsten sogar mithelfen in einer Flüchtlingsorganisation. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Projekt in meiner Umgebung gemacht. Und nichts gefunden. Ich habe mich bei Bekannten und KollegInnen umgehört. Und die hatten alle das gleiche Problem: Sie wollten helfen – wussten aber nicht wie und wo. Also habe ich entschieden: Ich schaffe diese zentrale Informationsstelle. Ich habe einen Wordpress-Blog aufgesetzt und so „Wie kann ich helfen?“ ins Leben gerufen. Um Projekte in ganz Deutschland vorzustellen, die Flüchtlingen helfen. Menschen, die ebenso helfen wollen, finden auf dem Blog die Infos, die sie brauchen. Das ist in dieser Form bisher einmalig.

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Die pauschale Ablehnung des Ostens finde ich beunruhigend

Innerhalb von wenigen Tagen sind die Zugriffzahlen explodiert. Obwohl anfangs gar nicht so viel drauf stand auf meinem Blog. Die ersten Projekte musste ich mir noch mühsam zusammensuchen. Heute gibt es eine Übersichtskarte, auf der ich über 350 verlinkt habe. Initiativen aus ganz Deutschland schreiben mich an. Und ich suche selbst gezielt weiter. Zurzeit in genau den Orten, in denen es Aktionen gegen Flüchtlinge gibt, in Leipzig und in Nauen zum Beispiel. Denn auch in diesen Städten gibt es ja Leute, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. Die kommen bloß in den Medien nicht vor. Da sehen wir gerade dauernd die Bilder von den brennenden Flüchtlingsheimen und der angeblich schweigenden Masse. Das führt leider auch zu einer pauschalen Ablehnung des Ostens, was ich ähnlich beunruhigend finde. 

Ich selbst bekomme gelegentlich E-Mails von Männern und Frauen, die mir die Sache mit den Flüchtlingen mal ganz grundsätzlich erklären wollen. Oft auch in diesem typischen Pegida-Ton. Ich erhalte auch Hilferufe von Flüchtlingen, die Probleme bei ihren Asylverfahren haben oder abgeschoben werden sollen. Aber da kann ich natürlich nichts tun. Das ist manchmal sehr bedrückend. Dafür bin ich oft beeindruckt von den vielen schönen Ideen, die Menschen haben. Was mir allerdings fehlt, sind mehr Projekte für Frauen. Klar, für viele ist es schwierig, nachzuvollziehen, was diese Frauen auf der Flucht erleben: Sexuelle Gewalt oder die vielfache Belastung. Sie müssen sich ja trotzdem um alles und jeden kümmern: die Kinder, die Männer, die Versorgung der Familie. Für sich selber haben sie keine Zeit. Viele kommen völlig traumatisiert hier an.

Was mir fehlt, sind mehr Projekte für Flüchtlingsfrauen

Ich wünsche mir deshalb mehr Solidarität von Frauen mit den Flüchtlingsfrauen. Damit sie hier frei leben können. Ich kämpfe selbst eigentlich schon seit der Schulzeit für Gleichberechtigung und führe auch noch ein zweites Blog: „Thea“. Darin geht es um feministische Themen: geschlechtergerechte Sprache und die Darstellung von Frauen in den Medien. In meinen Zwanzigern habe ich in Neuseeland am Theater gearbeitet, ich weiß also selbst, wie es sich anfühlt, die Ausländerin zu sein. Heute verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt als Texterin, vor allem in den Bereichen Kultur, Tourismus, Natur und Umweltschutz. Gerade nimmt mich die Flüchtlingssache aber ganz schön in Anspruch. Mein Ziel? Alle Projekte in Deutschland erfassen. Dann erst höre ich auf!“

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