Shitstorms: Immer druff!

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November 1976 Die EMMA war noch nicht erschienen, da berichtete der Spiegel am 29.11.1976, also zwei Monate vor Start, über den „Kampf um Emma“: „Feministinnen“ verfolgten „das Schwarzer-Vorhaben“ mit Misstrauen. Allen voran die Berliner Schwarze Botin (Auflage 3 000). Die titelte: „Im Januar sollen 200.000 Frauen penetriert werden“ – in Anspielung auf Alice Schwarzers „Kleinen Unterschied“ und deren Ankündigung, sie wolle mit einer Auflage von 200.000 starten. Aber „marktfreundlicher Journalismus und die Interessen der Frauenbewegung“ seien unvereinbar. Es folgten Boykottaufrufe von Frauenzentren, Frauenbuchläden und Frauen projekten sowie des Lesbischen Aktionszentrums (LAZ). Letzteres unkte, mit EMMA solle nur die „Heterosexualität und patriarchale Kleinfamilie stabilisiert werden“. Courage, seit Anfang 1976 eine Berliner Stadtzeitung, nutzte die Gunst der Stunde. Sie ging ab Anfang 1977 auf überregionalen Vertrieb. Sodann ließ Courage die erste EMMA von „Frau S.“ besprechen. Die Rezensentin bestätigte einen „Fehlstart“. – Ja, liebe Frauen, so hat es angefangen.

26. Januar 1977Die erste EMMA erscheint. Die Nation steht Kopf. Innerhalb weniger Tage müssen, zusätzlich zur Startauflage von 200. 000, gleich 100000 nachgedruckt werden. Wo Erfolg ist, ist Neid. Die Süddeutsche Zeitung skizziert EMMAs Feindbild: „Eine Art King Kong mit einem Penis wie das Empire State Building.“ Ein Spiegel-Redakteur zählte die Abbildungen von Alice Schwarzer im Heft: sieben, inklusive Hinterkopf beim Romy-Schneider-Porträt. Und die WDR-Redakteurin Carola Stern sah sich genötigt zu versichern, sie sei „nicht lesbisch und sehe darin kein Manko. Geschieden bin ich auch nicht – Ansonsten mag ich Männer.“ Die Bunte schließlich prophezeite, EMMA würde höchstens zwei, drei Ausgaben schaffen – und steckte Schwarzer jahrelang in ihre Rubrik „Leute von gestern“.

Oktober 1978 EMMA veröffentlicht eine Anzeige von Marlboro: „Der Geschmack von Freiheit und Abenteuer“. Die Hölle ist los. Enttäuschte Leserinnen rufen an und weinen. „Ein Cowboy in meiner EMMA?“ Das findet so manche mindestens so schlimm wie die halbnackten Mädchen auf dem Stern-Titel. Die mit Anzeigen nicht gerade gesegnete EMMA knickt ein und cancelt die weiteren zwei Anzeigen, die schon gebucht waren. Schwarzer im Rückblick: „Ich hätte einfach die Nerven behalten sollen.“

Juli 1988 EMMA erscheint mit doppeltem Titel: vorne als Emma, hinten als Herbert. Sechs Kollegen hatten die Hälfte der EMMA gemacht, geschickt von Spiegel bis Stern . Die Aktion war das Resultat einer von Alice Schwarzer bei Gottschalk verlorenen Wette. Die EMMA-Redaktion hatte sich, ehrlich gesagt, eine Woche lang ziemlich amüsiert mit den Kollegen – aber so manche EMMA-Leserin war einfach entsetzt. „Euren geistigen Verfall werde ich nicht weiter mit ansehen!“ schrieb Kathrin aus Bremen und kündigte ihr Abo. Doch es gab auch Stimmen wie die von Sibylle aus Illigen, die uns tröstete: „Mich habt ihr als Abonnentin gewonnen. Ich finde es gut, dass ihr so viel Humor habt.“ Das Thema Männer in EMMA bleibt heikel. Den einen sind es zu viele – den anderen zu wenige.

September 1992 Selten haben wir EMMA-Macherinnen uns so amüsiert wie beim Verfertigen der „Tagebücher von Eva Braun“. Sie waren als Parodie auf die (falschen) Hitler-Tagebücher vom Stern und die (richtigen) Goebbels-Tagebücher vom Spiegel gemeint. Bettina Flitner hatte tagelang in der Staatsbibliothek zu Berlin recherchiert – und dann zusammen mit Alice Schwarzer Evas Eintragung an ihr „liebes Hertalein“ verfasst. Titel: „Der stille Widerstand der Eva Braun“. Das Ganze war anscheinend so gelungen, dass sogar die geschätzte Historikerin Gerda Lerner von Amerika aus gegen unsere „Eva-Braun-Verherrlichung“ protestierte. Bild rief an und bot mit gesenkter Stimme einen Nachdruck der Braun-Tagebücher an, „der Preis spielt keine Rolle“.

10. Mai 1994 Es gibt noch kein Internet. Also müssen die HasserInnen persönlich Hand anlegen. Gegen halb sechs klingeln sie an der EMMA-Tür in der Alteburger Straße 2 (damals noch EMMAs Adresse): Über ein Dutzend Frauen stürmen in die Redaktionsräume. Alle jung und alternativ, aus der „linksradikalen Szene“, wie sich später herausstellt. Sie sprühen auf die frisch renovierten Wände und die neu gekauften Computer Sprüche wie: „Schluss mit dem Rassismus!“ oder „EMMA selektiert“ und „EMMA verrecke“. Dann kippen sie in Müllsäcken mitgebrachten Mist auf die Schreibtische und schneiden die Telefonkabel durch. Und signieren: „Frauen Lesben Gruppen aus Köln + Anderswo“. Als Grund geben die Vandalinnen allen voran das EMMA-Dossier in 4/1993 über die Agitation der islamistischen Fundamentalisten mitten in Deutschland an. Das war vor 22 Jahren. Und es geht bis heute so weiter.

Dezember 2011 #EMMAgate #Piraten Wenige Tage vor Heiligabend bescherte die Piratenpartei der EMMA-Redaktion einen Shitstorm der härteren Sorte. Zeitweise war wegen Serverattacken EMMAonline nicht mehr zu erreichen. Auf dem Höhepunkt der Hasswelle postete der bayerische Pirat Wolfgang Britzl das Foto seiner Freundin Anna mit einer brennenden EMMA in der Hand. Und schickte gleich noch einen Tweet hinterher: „Das Schmirrrrblatt wurrrde auf dem Oberrrsalzberrrrrg verbrrrrrrannt”. Anlass war unser Artikel „Frauen im Boot bringen Unglück“, über die Frauenfeindlichkeit innerhalb der Piratenpartei. Die Bundes-Piratenpartei distanzierte sich von dem flammenden Protest. Die (wenigen) Piratinnen distanzierten sich auch, allerdings von EMMA. „Ich habe den Artikel gelesen. Er ist sch***“, befand Marina Weisband, damals noch politische Geschäftsführerin der Partei.

November 2014 #EMMAistfürmich Unter dem Hashtag #EMMAistfürmich erzählten Abonnentinnen nach einem Besuch in der Redaktion, was EMMA für sie bedeutet, zum Beispiel: „EMMA ist für mich die Nachricht, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine bin.“ Die Fotos mit Zitat stellten wir ins Netz. EMMAGegnerinnen kaperten den Hashtag und übergossen EMMA und Abonnentinnen mit Hohn. „#EMMAistfürmich und meine feministische Entwicklung noch nie relevant gewesen“, twitterte die „Netzfeministin“ Anne Wizorek. Und „#EMMAistfürmich die Beerdigung des Feminismus in Deutschland“, karrte Johanna Weber hinterher, die Sprecherin des „Berufsverbands“ der „Sexarbeiterinnen“.

März 2015 #Germanwings #4U9525 Am 24. März 2015 stürzte der Germanwings-Flug 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf über den französischen Alpen ab. Amokpilot Andreas Lubitz hatte die Maschine mit 149 Insassen absichtlich zerschellen lassen. Am Freitag nach dem Absturz veröffentlichte EMMA einen sarkastischen Text der Linguistin Luise F. Pusch, in dem sie eine „Frauenquote fürs Cockpit“ forderte: „Die Selbstmordquote ist bei Männern viermal so hoch wie bei Frauen. Die Lufthansa könnte also das Risiko mit jeder Frau, die sie zur Pilotin ausbilden, ganz erheblich reduzieren“, spottete Pusch. Ohje, Achtung Sarkasmus. „Absurd und fanatisch“, „ekelhaft“, „der Gipfel der Geschmacklosigkeit“ lauteten die Reaktionen. Die Medien zogen nach: „Instrumentalisiert Emma wirklich Tote für die Quote?“ fragte die Süddeutsche. Carolin Kebekus kürte EMMA zur „Pussy des Monats“. Und auch Jan Böhmermann musste sich sehr empören. Die Frauenquote fürs Cockpit ist übrigens nicht nur ein Scherz. Der Vorschlag wurde einen Tag nach EMMA ernsthaft von der Schweizer Psychiaterin Gabriela Stoppe, Vizepräsidentin des Dachverbands für Suizidprävention, gemacht. „Es wäre nicht nur wegen der Durchmischung sinnvoll, mehr Frauen für den Transport von Menschen zu engagieren, sondern vor allem wegen der Sicherheit“, erklärte sie in der Schweiz am Sonntag.

Januar bis Dezember 2016 Es ist erstaunlich ruhig. Leute, was ist denn los …?

 

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