,,Sie denken, sie haben ein Recht auf mich."

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Elham schämt sich, als sie erzählt. Die Iranerin ist eine hübsche junge Frau. Das macht es nicht leichter. Die anzüglichen Blicke, die Sprüche der Männer. Sie fühle sich nicht sicher in der Herberge für 50 Menschen im Nürnberger Land, sagt sie, als einzige alleinstehende Frau. Neben den vielen ­allein reisenden Männern. „Sie denken, sie haben ein Recht auf mich“, klagt sie. Die Anspannung unter den Flüchtlingen ist groß, sie hat schon zwei Selbstmordversuche mit ansehen müssen.

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Alleinreisende Frauen werden aus den Küchen weggedrängt

Die Geschichte der 26-Jährigen ist nur eine von vielen, wie sie die Beraterinnen im Internationalen Frauencafé in Nürnberg oft zu hören bekommen. Auf Frauen, die allein unterwegs sind, schaute die Öffentlichkeit bislang kaum (EMMA 2/15).

Frauen wie Genet aus Äthiopien. Sie ­erzählt, dass sie in einer Unterkunft mehrfach von einem Mann geschlagen wurde. Ohne Grund, vielleicht einfach, weil sie ­alleine war. Sie habe die Polizei gerufen, mehrmals, aber erst nach Monaten sei der Mann in ein anderes Haus verlegt worden. Rasijat aus Tschetschenien berichtet, wie schwer es Frauen ohne männlichen Schutz im Alltag hätten. Sie würden aus den ­Küchen und von den Waschmaschinen in den Gemeinschaftsunterkünften verdrängt. Selbst Kinder seien nicht sicher.

Das kann Kristina, die mit ihrer kleinen Tochter Tina und ihrer Lebensgefährtin Tatjana aus Odessa geflüchtet ist, bestätigen. Ein arabisch sprechender Mann habe sich der Vierjährigen immer wieder aufdringlich genähert. Die Mutter bat um Hilfe, aber: „Der Security-Mann sagte nur, wir sollen besser auf sie aufpassen.“ Das ist nicht so einfach: In dem ehema­ligen Möbelhaus, in dem die Familie ­untergebracht ist, gibt es keine Zimmer, sondern nur Trennwände.

Um die Frauen und Kinder zu schützen, müssten sie getrennt von Männern untergebracht werden, fordern jetzt die Beraterinnen des Frauencafés. Sie schrieben einen Offenen Brief an die bayerische Staatsregierung und die Stadt Nürnberg, den 20 Flüchtlings- und Fraueninitiativen, vom Bayerischen Flüchtlingsrat bis „Wildwasser“, unterzeichneten. Bisher werde die Situation allein reisender Frauen und Alleinerziehender mit Kindern nicht genug beachtet, heißt es darin. „Dabei sind sie besonders schutzlos.“ Wenn in den großen Gemeinschafts­unterkünften Männer- und Frauenzimmer nebeneinander liegen, ebenso wie die Waschräume, trauten sich Frauen und Kinder nachts oft nicht auf die Toilette. „Manche Frauen lassen ihre Töchter auch tagsüber nicht alleine in die Sanitäreinrichtungen“, schreiben die InitiatorInnen. Auch sexuell würden die Frauen belästigt und als „Huren“ beschimpft, weil sie allein unterwegs seien.

Zahlen über sexuelle Übergriffe in Flüchtlingsunterkünften gibt es nicht. Nur wenige Fälle werden tatsächlich angezeigt. Doch schon im Frühjahr sorgte in München das Papier einer Flüchtlingsorganisation für Aufsehen, in dem von Vergewaltigungen und Prostitution in einer Erstaufnahmeeinrichtung die Rede war. Unbeabsichtigt war es öffentlich geworden, und die Unterzeichner räumten hinterher ein, konkrete Fälle seien ihnen nicht bekannt. Gerüchte aber sehr wohl.

In Hessen dagegen sollen es nicht nur Gerüchte gewesen sein. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen habe es „zahlreiche Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe“ gegeben, „zunehmend wird auch von Zwangsprostitution berichtet“. Das schrieben die VertreterInnen von vier Wohlfahrtsorganisationen, darunter der Landesfrauenrat und pro familia, in einem Brief an den hessischen Sozial­minister. Es handle sich nicht um Einzelfälle, betonten die UnterzeichnerInnen. Nicht nur Frauen, sondern auch Kinder seien in dem Lager vergewaltigt worden. „Selbst am Tag ist der Gang durch das Camp bereits für viele Frauen eine angstbesetzte Situation“, heißt es.

Das hessische Innenministerium bestätigte daraufhin vier Sexualdelikte. Wie so oft fehlen genauere Zahlen, viele Frauenorganisationen vermuten hohe Dunkelziffern, denn die wenigsten Frauen sprechen über sexuelle Übergriffe – aus Scham oder weil sie in ihren Heimatländern gelernt haben, dass man Behörden besser nicht vertraut; schon gar nicht nach einer Vergewaltigung.

Das öffentliche Interesse ist mäßig, schon deswegen, weil sich nur wenige Frauen alleine auf den Weg machen. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt, denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt nach eigenen Angaben keine Statistik darüber. Klar ist: Von den AsylbewerberInnen, die in Deutschland einen Antrag stellen, ist etwa ein Drittel weiblich.

Immerhin gibt es inzwischen die ersten Versuche, die Lage der Frauen in den Unterkünften zu verbessern. So hat beispielsweise der Paritätische Wohlfahrtsverband ein Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder in Gemeinschaftsunterkünften ­erstellt. Ein solches Konzept gebe es in den wenigsten Heimen, klagt der Verband. Er empfiehlt, MitarbeiterInnen in Unterkünften zu schulen und feste AnsprechpartnerInnen für mögliche Gewaltopfer zu benennen. Außerdem solle es in Gemeinschaftsunterkünften abschließbare Wohneinheiten geben. Sollten sanitäre Anlagen gemeinsam genutzt werden, müssten diese streng nach Geschlechtern getrennt werden.

Und das „Institut für Menschenrechte“ stellt in einer aktuellen Studie fest, dass der Schutz vor geschlechtsspezifischer ­Gewalt und vor sexueller Belästigung derzeit „kaum thematisiert“ wird. Oft wüssten die Frauen nicht um ihre Rechte und um Möglichkeiten, Schutz zu suchen. „Rechtliche Unwissenheit oder Unsicherheit verstärkt die Tendenz, Gewalt auszuhalten“, schreibt Verfasserin Heike Rabe. Auch sie empfiehlt dringlich Gewaltschutzkonzepte für Flüchtlingsunterkünfte. Ihr Fazit: „Die derzeitige Praxis genügt nicht den Anforderungen der Istanbul-Konvention.“ Diese Konvention ist ein Übereinkommen des Europarates aus dem Jahr 2011, das Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt verhüten und ­bekämpfen soll.

Dennoch scheint sich mancherorts etwas zu bewegen. So gibt es im hessischen Darmstadt nun ein Haus nur für alleinreisende Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder. Allerdings gehört das Gebäude zu einer großen Unterkunft auf einem ehemaligen Kasernengelände, auf dem auch Männer einquartiert sind. So treffen alle bei der Verpflegung und in den Gemeinschaftsräumen aufeinander. „Die Politik wollte ursprünglich eine getrennte Unterbringung von Frauen und Männern, aber das lässt sich in der Praxis nicht realisieren“, sagt Jörg Günther vom Deutschen Roten Kreuz, das die Einrichtung betreut.

ExpertInnen fordern Ge-
waltschutz für die Unterkünfte

Auch in Nürnberg hat der Appell der Organisationen nicht das gewünschte ­Ergebnis erzielt. Die Grünen hatten im Nürnberger Stadtrat den Antrag gestellt, eine Unterkunft für Frauen sowie eine für homo- und transsexuelle Menschen einzurichten. Der wurde jedoch von der Mehrheit abgelehnt. Begründung: Es gebe dafür keinen Bedarf. Das sieht auch die Regierung von Mittelfranken so, die für die Erstaufnahmeeinrichtung zuständig ist: Eine eigene Unterkunft sei nicht geplant. In den Unterkünften seien nach Geschlechtern getrennte und abschließbare Sanitäreinrichtungen vorgesehen. Außerdem müsse es möglich sein, schnell die Polizei zu alarmieren, „sollte hierfür Anlass bestehen“. Von Übergriffen auf Frauen in Flüchtlingsheimen sei der Regierung „nichts bekannt“.

Trotzdem, sagt Anne Maya vom Internationalen Frauencafé in Nürnberg, habe sie den Eindruck, dass sich doch etwas bewege. Nicht nur, weil Elham endlich ausziehen durfte und nun in einer Unterkunft wohnt, in der für ­alleinstehende Frauen wenigstens ein eigenes Stockwerk vorgesehen ist. Es werde auch mehr über das Thema geredet, sagt Anne Maya. Immer mehr JournalistInnen fragten bei ihr an, und auch einige Landtagsabgeordnete beschäftigten sich intensiv mit der Situation von Flüchtlingsfrauen. Also habe es doch etwas gebracht, dass die Frauen ihre Geschichten erzählen.

Elham geht inzwischen auf eine weiterführende Schule. Irgendwann will sie studieren. Am liebsten Maschinenbau.

Dies ist ein Beitrag aus der aktuellen EMMA, in der es auf 22 Seiten um Hilfe für Flüchtlinge, sowie den dringend nötigen besonderen Schutz für weibliche Flüchtlinge und Kinder geht.           

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Flüchtlingsfrauen auf Bustour!

"Women in Exile"-Gründerin Elisabeth Ngari. - © Anja Weber
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Sie haben in den letzten Wochen viele Flüchtlingsheime besucht und dort mit den geflohenen Frauen gesprochen. Was haben die berichtet? 
Viele Frauen haben Angst. Angst davor, zurückgeschickt zu werden oder Angst vor der Zukunft: Wie sollen sie es schaffen, hier wieder ein ganz neues Leben anzufangen? Und sie haben Angst in den Heimen. Die Unterkünfte sind überfüllt, die Verhältnisse total beengt. Wir waren zum Beispiel in einem neuen Heim in Templin. Dort leben Familien in einem Raum, die voneinander nur durch einen Schrank getrennt sind. In einem Heim in Eisenhüttenstadt sind ganze Flure ohne Licht. Da trauen sich die Frauen nicht, zur Gemeinschafts-Toilette zu gehen. Die Frauen müssen sich Toiletten, Waschräume und Küchen mit vielen anderen Bewohnern teilen. Da gibt es Konflikte zwischen den Bewohnern, Gewalt und sexuelle Belästigung. „Women in Exile“ prangert das im übrigen schon seit Jahren an.

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Bei Belästigung sagt die Security: "Dann bleiben Sie halt in Ihrem Zimmer!"

Mit welchen Konsequenzen? 
Es ist schonmal ein Fortschritt, dass endlich darüber gesprochen wird. Journalisten kommen zu uns und wollen mit Frauen sprechen, die in den Heimen sexuelle Übergriffe erlebt haben. Aber die Frauen berichten uns, dass in den Heimen niemand eingreift. Wenn sie zur Security gehen, sagt man ihnen: „Halten Sie sich eben von den Männern fern, die Sie belästigen!“ Oder: „Bleiben Sie halt in Ihrem Zimmer und schließen sie es ab!“ Selbst die Polizei sorgt nicht dafür, dass die Frauen geschützt werden. Letzte Woche haben wir eine Frau auf die Polizeiwache begleitet, die von einem Mann angegriffen worden war. Die Polizei war zwar freundlich zu uns und hat den Täter wohl auch vernommen, aber die Frau sagte mir, sie habe ihn kurz darauf wieder im Heim gesehen.

Wie könnten die Frauen effektiv geschützt werden? 
Solange es keine klare Policy für den Umgang mit der Gewalt gegen Frauen in den Heimen gibt, will niemand etwas damit zu tun haben. Es muss also klare Richtlinien geben. Das Problem ist auch, dass die Frauen ihre Rechte nicht kennen. Die nehmen das einfach so hin. Die meisten sprechen ja noch nicht mal über die Übergriffe, unter anderem auch deshalb, weil sie Angst haben, dass sich ihre Chancen auf Anerkennung ihres Asylantrags verringern, wenn sie „Ärger machen“.

Die Frauen haben Rechte. Darüber müssen sie aufgeklärt werden!

Und nun?
Die Politik müsste zunächst zur Kenntnis nehmen, dass Asylbewerberinnen von Gewalt betroffen sind, natürlich auch durch ihre eigenen Ehemänner. Sie müsste in einem solchen Fall genauso in ein Frauenhaus gehen können wie jede andere Frau in diesem Land. Das ist wegen der „Residenzpflicht“ leider nicht möglich. Und den BetreuerInnen in den Heimen muss vermittelt werden, dass sie im Falle einer Belästigung oder Vergewaltigung genauso handeln sollten, als wenn die Tat einer anderen Frau in unserer Gesellschaft passiert wäre. Es gibt in Deutschland Gesetze zum Schutz von Frauen gegen Gewalt. Diese Gesetze gelten bei Flüchtlingsfrauen aber selten, sie werden einfach ignoriert, von allen Instanzen. Die Frauen müssen systematisch über ihre Rechte aufgeklärt werden. Sie müssen zum Beispiel wissen, dass es nichts mit den Erfolgsaussichten ihres Asylantrags zu tun hat, wenn sie sich gegen einen Übergriff wehren. Auch sollten Frauen und ihre Kinder so schnell wie möglich in Wohnungen untergebracht werden.

Nehmen die Frauen die Sprach- und Integrationskurse an?
Das würden sie, aber oft haben die Anbieter die Frauen nicht auf dem Schirm. Wenn man will, dass sie in einen Kurs kommen, muss man gleichzeitig Kinderbetreuung anbieten, so dass die Mutter sich vier oder sechs Stunden auf ihren Kurs konzentrieren kann – genau wie der Vater. Sonst passiert das, was wir oft beobachten: Die Frauen sind schon jahrelang im Land, sprechen aber kaum Deutsch. Es kommen nun viele Männer ins Land und in die Flüchtlingsheime, die ein sehr rückständiges Frauenbild haben. Darum muss man beiden, Männern wie Frauen, von Anfang an klar machen, dass Frauen Rechte haben! Das muss Teil der Sprach- und Integrationskurse sein: Frauenrechte sind Menschenrechte.

Hier geht es zur Internetseite von Women in Exile

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