Femen gegen Kölner "Pascha"
Und natürlich hatten sich die Aktivistinnen in bester Femen-Manier auch ihre Körper mit Botschaften bemalt: „Not for Sale“ – „Nicht zu kaufen“ war auf einem Bauch zu lesen. „Stop Modern Slavery“ auf einem anderen. Und schließlich begannen die Frauen zu rufen: „Der Mensch ist keine Ware!“ Es ist soweit: Die „Femen“, die 2008 in der Ukraine mit ihrem Oben-Ohne-Protest gestartet waren, haben jetzt einen Ableger in Deutschland.
Zwölf Uhr. Eigentlich sollten sie schon da sein. Doch noch wartet der Pulk Fotografen, Kameramänner und Journalisten – die einzige Journalistin hat Bild entsandt – vergeblich auf die barbusigen Frauen, die da kommen sollen. Aber Melanie Schmitz ist schon da. Zwischen dem himmelblauen Betonklotz, laut Eigenwerbung „Europas größtes Laufhaus“, und dem gegenüberliegenden Bordell, das einfach „Bordell“ heißt, gibt die Femen-Mitgründerin Interviews. „Wir wollen nicht, dass Frauen in den Köpfen der Menschen als verfügbare Ware gelten“, diktiert Juristin Schmitz den Presseleuten in die Blöcke. „Und das Pascha ist für uns das Sinnbild dieser Haltung.“
Das Bordell in der Kölner Hornstraße ist mit seinen elf Etagen und 127 Zimmern nicht nur groß– es drängt auch seit Jahren in die Mitte der Kölner Gesellschaft. Kölner Taxis fahren mit Pascha-Werbung auf der Karosserie durch die Stadt, Lokalmatador Gerd Köster gibt Konzerte im Pascha-Nachtclub, fast wäre das Bordell Sponsor des Fanclubs des 1. FC Köln geworden, hätten nicht massive Proteste diese Allianz verhindert.
Seit in Deutschland vor zehn Jahren das rot-grüne Prostitutionsgesetz in Kraft trat und den Verkauf der Ware Frau zum normalen Geschäft deklarierte, ist all das möglich. Großbordelle, gern als „Wellnesstempel“ angepriesen, schießen seither wie Pilze aus dem Boden. 80 Prozent der Prostituierten stammen aus den ärmsten Regionen Osteuropas. Und Deutschland ist zum Paradies für Zuhälter und Frauenhändler geworden.
12.15 Uhr. Ein Trupp Frauen kommt im Stechschritt die Hornstraße entlang. Ein Raunen geht durch die wartenden Presseleute. Die Frauen, die jetzt vorm Pascha angekommen sind, das sich auf Plakaten im Eingangsbereich mit „Geld-zurück-Garantie“ anpreist und für Junggesellenabschiede im Bordell wirbt, machen nicht viele Worte. Sie spannen das rot-wei_e Baustellenband zwischen den beiden Steinsäulen am Eingang. Dann geht es los: Jacken aus, Pullis runter, Schilder hoch. Und Gebrüll: „Der Mensch ist keine Ware!“ „Der Mensch ist keine Ware!“ Die Auslöser klackern.
Der Protest gegen die Prostitution war die Keimzelle der Femen. Anna Hutsol, Inna Schewtschenko und all die anderen waren es leid, dass sie nicht mehr über die Flaniermeile von Kiew gehen konnte, ohne ständig von Freiern angesprochen zu werden. Bald gingen die Bilder von ihren Oben-Ohne-Protesten um die Welt. EMMA berichtete in einer Titelgeschichte über die feministischen Guerilla-Girls: „In der letzten Zeit ist viel vom neuen Feminismus die Rede – hier ist er!“ Und: „Na, wenn das Schule macht. Werden dann die Männer beim Anblick eines bloßen Frauenbusens eines Tages nicht mehr Frauenkauf assoziieren, sondern Frauenkampf? Schöne Aussichten.“
Jetzt hat es Schule gemacht. Ein rundes Dutzend Femen-Ableger gibt es inzwischen weltweit, im Sommer hat sich „Femen Germany“ gegründet. Im September startete sie erste Aktion auf dem Berliner Slutwalk, wo Melanie Schmitz & Co. ganz in schwarzer Körperfarbe gegen die Entrechtung der Frauen nach dem arabischen Frühling protestierten. Im Oktober startete die Truppe die Aktion „Occupy Sofa“ bei Ikea: Aus Protest gegen das schwedische Möbelhaus, das für seine neuen Filialen in Saudi-Arabien sämtliche Frauen aus dem Katalog retuschiert hatte, hatten die Femen bei Ikea Hamburg mit blanken Brüsten diverse Sofas besetzt.
Und jetzt also das Pascha und die Prostitution. Pünktlich zum 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, sind Aktivistinnen aus ganz Deutschland angereist, um vor dem Großbordell, in dem die Polizei bei Razzien immer wieder Opfer von Frauenhandel entdeckte, zu protestieren.
Sollte ein Freier an diesem Sonntagmittag das Bordell angesteuert haben, dreht er mit Blick auf den Pulk vor dem Eingang wieder ab. Kein Mann begehrt Einlass. Auch drinnen bleibt alles ruhig. Es heißt, Geschäftsführer Armin Lobscheid habe seine Leute angewiesen, die Frauen in Ruhe zu lassen. Vermutlich möchte er sich seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft nicht von Bildern versperren lassen, die zeigen, wie schrankbreite Türsteher zarte, halbnackte Frauen wegzerren.
So kann Freya-Victoria, auf deren nacktem Oberkörper „Fuck Pimps“ steht, einem Reporter also ungehindert von ihrer Bekannten erzählen, die sich schon als Minderjährige prostituierte, „ohne dass das Jugendamt eingegriffen hat“. Irina aus Hamburg erklärt, dass Femen Germany einen „Sturm auf die Bordelle“ plant.
Dann ziehen sich die Aktivistinnen wieder an und aus der Hornstraße ab. Und EMMA, die schon vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes 2002 vor den desaströsen Folgen der Salonfähigkeit des Frauenkaufs gewarnt hat, hat neue Mitstreiterinnen im Kampf gegen die „Frau als Ware“.
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Femen Power (1/2012)