Hassrapper: Pop oder Porno?

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Bushidos neuester Song heißt „Alles verloren“, und das dazugehörige Video zeigt den „Star-Rapper im Blutrausch“, verkündet Bravo. Die Zeitschrift war „exklusiv am Set“ und bietet auf ihrer Homepage jetzt „die krassesten Clip-Szenen“ zum Durchklicken an. Zu sehen sind: Eine tote Frau in einer Badewanne; eine nackte, weinende, geknebelte Frau, die an einen Rollstuhl gefesselt ist; und Bushido mit Hannibal Lecter-Stahlmaske.

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Das neueste Produkt des Berliner Labels „Royal Bunker“ heißt „Künstler im Zuchthaus“, kurz K.I.Z., und die vier Jungs drohen ihren männlichen Mitrappern auf die übliche Art, nämlich – wie es in jedem Krieg üblich ist – mit der Vergewaltigung ihrer Bräute: „Tour zu Ende, ich bring dir dein Mädel zurück, Fotze ausgeleiert, Arsch zerfleddert, Schädel gefickt“.

Sidos „Arschficksong“ („Katrin hat geschrien vor Schmerz, mir hat’s gefallen/ihr Arsch hat geblutet, und ich bin gekommen“) ist ab 16 freigegeben. Allerdings kann jedes Kind gleich mehrere – vermutlich von Fans per Handy gefilmte – Videos des Songs auf YouTube finden. Und sich ansehen, wie Sido sein Publikum mit „Aua aua aua“-Rufen anheizt – worauf es kollektiv mit „Arschfick!“ antwortet. Gibt’s hier ein Problem? Nein.

Bravo jedenfalls hat offensichtlich keins. Im Gegenteil: Die Zeitschrift, deren HauptleserInnenschaft um die zehn Jahre alt ist, hat Bushido zum Botschafter für ihre Kampagne „Schau nicht weg – Gegen Gewalt an Schulen“ ernannt und ihn zum „Bravo-Konzert gegen Jugendgewalt“ eingeladen. Auch seine neue Plattenfirma Sony hat kein Problem, denn Bushido sei schließlich „extrem populär, ein echtes Jugendidol“, antwortet Sony-Chef Edgar Berger auf die Frage, wie Sony es denn mit den gewaltverherrlichenden Texten des Rappers halte. „Früher hat er einige indizierte Texte gemacht, aber er wandelt sich.“

Aber auch wenn es nach den Musik- und Gesellschaftskritikern der deutschen Feuilletons geht, insbesondere derer, die sich als fortschrittlich bis „links“ verstehen, sind die atemberaubend frauenfeindlichen Texte und Bilder der Rapper von Aggro, Hirntot Records, Royal Bunker und Konsorten eigentlich nicht der Rede, pardon: des Diskurses wert.

Der gerappte Frauenhass ist für Daniel Erk von jetzt.de, der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung, „schlicht lästige Grundausstattung des Genres“. Die „Spielchen“ mit „sexistischer Absurdität, billigen Kalauern und pubertären Ferkeleien“, führten eben zu „Missverständnissen“.

Eine aufschlussreiche Debatte mit dem Titel „Ist Pornografie jetzt Pop?“ wird gerade in der taz geführt. Eröffnet wurde sie von Monika Griefahn, der SPD-Fraktionssprecherin für Kultur und Medien, die jüngst wegen ihrer Forderung nach einer besseren Kontrolle Morddrohungen erhielt. Die Sache liegt nun beim Staatsanwalt.

Griefahn, selbst Mutter von drei Kindern, erklärte: „Ich habe etwas dagegen, wenn pornografische, gewaltverherrlichende, frauenfeindliche und rassistische Texte erstens unwidersprochen hingenommen und zweitens Kindern und Jugendlichen ständig zugemutet werden.“

Die Politikerin wies auf wissenschaftliche Untersuchungen hin, die belegen, dass „Kinder und Jugendliche, die nicht in einem sicheren sozialen Umfeld und in einer intakten Familie aufwachsen, ein viel höheres Aggressionspotenzial haben, wenn sie 15 mal am Tag Textzeilen wie ‚Ich fick dich in die Urinblase‘ hören.“

„Ist es nicht genau das, was man von Kunst erwartet? Verwirren, Fragen aufwerfen, Debatten provozieren?“, belehrt HipHop-Experte Thomas Winkler in der taz die Medienbeauftragte und mit ihr die Allianz aus „besorgten Müttern“ und „kleinbürgerlichen Politikern“, kurz: die „übereifrigen Bedenkenträger“, die bekanntermaßen zur „Intoleranz gegenüber Minderheitengeschmäckern“ neigten und „fragwürdige Zusammenhänge“ zwischen Raptexten und Gewalttaten herstellten.

Sekundiert wird er von Tobias Rapp, Leiter des taz-Kulturressorts. Die „immer wieder empört zitierten Zeilen“ seien in Wahrheit „Teil komplizierter Beleidigungen“ und „Teil eines hochkomplexen Aussagegeflechts“. In der Kritik an den Rappern demaskiere sich „nur der Klassendünkel von Leuten mit guter Ausbildung, die Leuten mit schlechter oder keiner Ausbildung den Mund verbieten wollten“.

Wir haben es hier also erstens mit „Kunst“ zu tun, die zweitens von der unterdrückten „Unterschicht“ produziert wird (zu der Bushido übrigens schon länger nicht mehr gehören dürfte). Die Produkte der Herren Kool Savas („Ficksau, ich bums dich in die Klinik“) oder King Orgasmus One („Ich stoß meine Faust in dein Bauch bis du platzt“) gelten also als Provokation und Befreiungsschlag gegen Spießer und Privilegierte, für die linken Herren folglich als sakrosankt.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der Diskurs vom „minoritären Sprechen“ und der „dialogisch konstruierten Kunstform“ just in dem Moment ad acta gelegt wird, wo sich der „testosterongetriebene Spaß“ nicht gegen Frauen richtet, sondern zum Beispiel gegen schwule Männer. Da glänzt die taz mit einer ganzseitigen Analyse der gesellschaftlichen Auswirkungen der homophoben Raptexte auf die Atmosphäre auf deutschen Schulhöfen: „Alles halb so wild, sagen viele, ist doch nur Pop. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Schwulen-Bashing gehört heute wieder zum guten Ton.“

Als jüngst der Berliner Rapper G-Hot in seinem Song „Keine Toleranz“ dazu aufforderte, den „Schwuchteln besser den Schwanz abzuschneiden“, wurde er von seinem Label Aggro gefeuert. Eine Rapperin, die anonym bleiben will, erstattete Anzeige. Das begrüßt die Berliner Rapperin Pyranja, bedauert aber: „Sobald es gegen Schwule geht, gehen alle auf die Barrikaden. Über diese ganze Frauenfeindlichkeit regt sich keiner auf. Und wenn man es tut, dann ist man die unentspannte Braut, die nicht rafft, dass alles nur Spaß ist.“

Entspannt zu bleiben, ist für die 28-Jährige aus Rostock auch nicht so einfach, wenn bei ihren Rap-Workshops an Schulen zwölfjährige Jungs Zeilen wie diese produzieren: „Ich fick dich, bis du platzt.“ „Ich weiß nicht, wie die mit ner normalen Sexualität groß werden sollen“, sagt Pyranja. „Das ist die totale Verrohung. Da muss ne Diskussion kommen!“

Endlich eine gesellschaftliche „Debatte über Sexismus und Rassismus im HipHop“ fordert auch Monika Griefahn. Und eine Verbesserung des Indizierungsverfahrens der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“. Denn bis ein Song indiziert ist, also nicht mehr an Jugendliche verkauft und nicht mehr beworben werden darf, dauert es sechs bis acht Wochen. Bis dahin ist der Abverkauf der CDs gelaufen. Außerdem darf die Bundesprüfstelle nicht von sich aus aktiv werden, sondern kann nur auf Anträge von Jugendämtern und anderen befugten Stellen reagieren.

Aber wieso ist eigentlich immer nur vom „Jugendschutz“ die Rede? Wieso ist die „Herabwürdigung der Frau zum sexuell willfährigen Objekt“, die die Bundesprüfstelle zu Recht als Kriterium für eine Indizierung anlegt und die bisher rund zwei Dutzend Rapper-Alben auf die schwarze Liste gebracht hat, für 17-Jährige schwer gefährdend, für 18-Jährige aber plötzlich ganz unproblematisch?

Doch es geht ja hier um mehr als um einfachen Sexismus (die Herabwürdigung der Frauen zum Objekt). Es geht um die Verharmlosung und Verherrlichung von sexualisiertem Frauenhass. Und das ist strafbar. Sogar, wenn es „nur“ die Frauen trifft. Laut §130, Absatz 2 des geltenden Strafrechts wird „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft“, wer „Schriften, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln“, verbreitet. Und genau das tun diese Songs. Worauf also warten wir?

 

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Pornografie: Frauenhass ist strafbar!

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Im deutschen Strafgesetzbuch gibt es den § 130, in dem heißt es: „Wer (...) zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Auch Frauen sind „Teile der Bevölkerung“. Und dass Pornografie die Menschenwürde verletzt und zum (Frauen)Hass aufstachelt, ist offensichtlich. Worauf also warten wir, die Pornografen wegen Verletzung des § 130 anzuzeigen?

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In Absatz 2 von § 130 heißt es weiter: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wird bestraft, wer Schriften, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen aufstacheln“ verbreitet. Zu den „Schriften“ gehören, rein juristisch gesehen, auch die „Tonträger“, also auch die Hass-Rapper (siehe Seite 86).

In dem darauf folgenden § 131 geht es um „Gewaltdarstellung“, also wohlgemerkt: nicht um die Ausübung, sondern um die Darstellung von Gewalt. „Wer Schriften, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder das grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletztenden Weise darstellen“, herstellt, anbietet, verbreitet etc. wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft.

Also genau das, was in Bezug auf die Betroffenheit von Frauen in der Pornografie immer als „Meinungsfreiheit“ oder „folgenlose Fantasie“ bezeichnet wird, ist in Bezug auf andere Menschengruppen eine eindeutige Straftat. Warum? Sind Frauen keine „Menschen“ oder „menschenähnliche Wesen“? Sind Begriffe wie „Nutte“ oder „Fotze“, die alle Frauen meinen, harmloser als „Nigger“ oder „Kanake“? 

Ist die lustvolle Darstellung einer Gruppenvergewaltigung oder eines Sexualmordes, deren Opfer in der Regel Frauen (bzw. Kinder) sind, harmloser als die Propagierung von Verachtung und Gewalt gegen Fremde?

1978 drückte Richter Manfred Engelschall in seinem Urteil im so genannten Stern-Prozess, in dem auf Initiierung von EMMA zehn Frauen den Stern wegen „frauenverachtender Titelbilder“ verklagt hatten, sein Bedauern aus, dass er die Klage abweisen musste, denn: „In 20, 30 Jahren würde Klägerinnen vielleicht Recht gegeben werden“ - aber noch gäbe es dafür keine gesetzliche Grundlage. Die gibt es bis heute nicht.

1988 lud die SPD zu der Frage, ob es statt des geltenden Pornografie-Gesetzes zum „Verstoß gegen Sitte und Anstand“ nicht ein zeitgemäßes gegen den „Verstoß gegen die Menschenwürde“ geben müsste, zum Hearing nach Bonn. Auslöser war der diskutierte Gesetzesvorschlag von EMMA, der Pornografie als „die Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt“ definierte. Ausnahmslos alle ExpertInnen waren sich einig, dass so ein Gesetz her müsse. Es geschah – nichts.

Sehr prompt allerdings wurde nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda und Solingen in den 90er Jahren der Begriff „Fremdenhass“ in die Kriminalstatistiken eingeführt – seither kann das Ausmaß des Motivs Fremdenhass sehr genau erfasst werden.

1998 forderte ein Kreis von Spitzenpolitikerinnen, darunter Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Ex-Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), die Einführung des Motivs „Frauenhass“ parallel zu dem Motiv „Fremdenhass“ ins Gesetz. „Pornografie ist sexualisierter Frauenhass“, argumentierten sie, sie müsse darum „geächtet und bekämpft werden“. Die Politikerinnen forderten darüber hinaus: „Die Opfer von Frauen/Kinder-Hass sowie die Täter müssen in polizeilichen und juristischen Statistiken gesondert ausgewiesen werden, differenziert nach Geschlechtern. Und dies möglichst unter besonderer Berücksichtigung eines direkten Zusammenhanges mit der Produktion bzw. dem Konsum von Pornografie.“

Die amtierende Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) nahm die Anregungen ein Jahr später auf und kündigte in einem EMMA-Interview „ein vernünftiges Gesetz gegen Pornografie als Verstoß gegen die Menschenwürde“ an, sowie „Sanktionen für Handel mit und den Konsum von Pornografie“.
„Die Parallele Ausländerhass/Frauenhass liegt sehr nahe“, befand Däubler-Gmelin. Drei Jahre später war sie nicht mehr im Amt. Acht Jahre später, 2006, antwortet eine andere SPD-Justizministerin, Brigitte Zypries, im EMMA-Interview auf die Frage nach juristischen Maßnahmen gegen den Frauenhass sehr erstaunt: „Dass wir Fremdenhass und Antisemitismus unter Strafe stellen, hat in Deutschland auch historische Gründe. Um jedoch das Motiv ‚Frauenhass‘ strafrechtlich zu fassen, müsste es Menschen geben, die Frauen umbringen, nur weil sie Frauen hassen. Ich habe davon noch nichts gehört.“

Wir haben es bei der Pornografie, dieser Darstellung von sexualisiertem Frauenhass in Bild und Text, seit der Liberalisierung 1976 also mit einem Auf und Ab in Wahrnehmung und Bewusstsein zu tun. Nur eines steigt unablässig: die Verbreitung und der Konsum von Pornografie.

Sicher, es ist etwas passiert. Am 27.12.2003 wurde im Zuge der Sexualstrafrechtsreform auch der Pornografie-Paragraph ergänzt: in Bezug auf Kinderpornografie und neue Medien. Und richterliche Rechtssprechung und juristische Kommentierungen stellen Pornografie seither nicht länger als Verstoß gegen „Anstand und Sitte“ dar, sondern als Entmenschlichung der Sexualität: „die Darstellung entpersönlichter sexueller Verhaltensweisen, die die geschlechtliche Betätigung vollständig oder weitgehend von personalen oder sozialen Sinnbezügen trennt und daher kein personales Anerkennungsverhältnis, sondern eine Subjekt-Objekt-Beziehung zum Ausdruck bringt“.

Das ist ein Fortschritt. Doch in dem gesamten §184 und seiner Handhabung geht es ausschließlich um Jugendschutz, also um Pornografie, die unter Achtzehnjährigen zugänglich ist. Bis heute schützt niemand die Frauen vor Pornografie. Warum?

EMMA fordert darum endlich eine dem Ernst des Problems angemessene Debatte und Forschung in Bezug auf das Wesen und die Auswirkungen von Pornografie – sowie eine angemessene Umsetzung der Erkenntnisse in Zivil- und Strafrecht. Dabei müssen Fragen wie „Menschenwürde“ und „Frauenhass“ im Zentrum der Überlegungen stehen.

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