Islamismus: Die deutschen Dunkelmänner

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15. September 1995. In Peking geht die Weltfrauenkonferenz zuende. Schärfste Gegner der Emanzipation: katholische und islamische Eiferer. Arm in Arm bringen sie 40 Staaten dazu, die von Frauen über Jahre erarbeitete „Aktionsplattform“ abzulehnen, da diese die nationale Souveränität, die Ehe, die Familie und die Mutterschaft „gefährdet“.

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15. September 1995. Deutsche Medien berichten, dass im Vorlauf zu Peking im ägyptischen Alexandria ein Kongress über den „Beitrag der Religionen zum Dienst an der Menschheit“ tagte. Eingeladen hatte u.a. die Kairoer Azhar-Universität, die heute als geistiges Zentrum der islamischen Fundmentalisten gilt (u.a. durch „wissenschaftliche“ Gutachten, die Klitorisverstümmelungen an muslimischen Mädchen und die Zwangsscheidung des ägyptischen Professors Abu Zaid wg. „Gotteslästerung“ untermauern). Islamisten und hohe Würdenträger des Vatikan nutzten das Gipfeltreffen, um „für die Weltfrauenkonferenz die Positionen einander anzunähern“ (FR). „Stargast“ war der zum Islam konvertierte deutsche Botschafter a.D. Murad Hofmann.

15. September 1995. In Bonn wird die „König-Fahad-Akademie“ eingeweiht: eine muslimische Schule mit angeschlossenem Bildungs- und Tagungszentrum. Zum Eröffnungsfestakt geladen sind nicht nur Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Ministerpräsident Johannes Rau (SPD), sondern auch die umstrittene Friedenspreisträgerin Annemarie Schimmel sowie der islamische Fundamentalist Ali Yüksel von der türkischen AMGT mit Sitz in Köln, über die es im Verfassungsschutzbericht 1994 heißt: „Sie tritt für die Einführung einer auf dem Koran basierenden Staatsordnung in der Türkei und für die weltweite Islamisierung ein.“ Und: „Sie betreibt antisemitische Hetzkampagnen.“

Gastgeber an diesem regnerischen Freitagmorgen im Frühherbst ist Prinz Abdulaziz Bin Fahad Bin Abdulaziz, Sohn des saudi-arabischen Königs Fahad, seines Zeichens „Hüter der Beiden Heiligen Stätten“.

Er hat diese erste islamische Schule in Deutschland für 28 Millionen Mark aus der Staatskasse Saudi Arabiens errichtet, das seit 20 Jahren weltweit Hauptgeldgeber der fundamentalistischen Offensive ist.

Die neue Bonner Bildungsstätte, in der bis zu 700 SchülerInnen im Alter von sechs bis 18 Jahren unterrichtet werden können, wirkt wie ein Wirklichkeit gewordenes Märchen aus „1001 Nacht“: Die Wände sind mit kostbarem Marmor verkleidet, das Mobiliar wurde aus edlen Hölzern getischlert, über der Aula thront eine gläserne Kuppel, und auf dem Schulhof reckt sich ein morgenländisches Minarett zum Himmel, gleich neben der Moschee, in der die Kinder mittags auf Mosaiken knien und sich gen Mekka neigen. Die SchülerInnen tragen Schuluniformen, ein Kopftuchzwang für Mädchen besteht angeblich nicht, und doch verhüllten bei der Einweihung die meisten ihre Haare.

Auch die arabische Schulleiterin Aisha Al-Husseini, eine promovierte Pädagogin, die in Los Angeles studierte und behauptet, sonst ganz emanzipiert ohne zu gehen, hat an diesem Freitag demonstrativ ein Kopftuch umgebunden. Schließlich eröffnet der Sohn des „Hüters der Beiden Heiligen Stätten“ persönlich die Islam-Akademie in Bonn. Vier Wochen später hielt es der deutsche Bundespräsident bei der Friedenspreis-Verleihung an eine Symphatisantin des islamischen Fundamentalismus, die Bonner Professorin Schimmel, für passend, die Laudatio zu halten – gegen alle wohlbegründeten Proteste. Warum? Wer sind die Kräfte, die hinter Annemarie Schimmel stehen?

In Frankreich spricht man schon seit Ende der 80er Jahre von „La Sainte Alliance“. Und spätestens die Schimmel-Affäre machte deutlich, dass sich auch in Deutschland längst eine „Heilige Allianz“ aus Christen und Muslimen formiert hat: gegen Ideale der Aufklärung wie die Universalität der Menschenrechte und die Trennung von Kirche und Staat; für die Politisierung des Glaubens und für die Missionierung der Ungläubigen. Unterstützt werden die politischen Eiferer dabei auch in Deutschland von demokratischen PolitikerInnen, die Wirtschaftsinteressen meinen, wenn sie „Dialog“ und „Toleranz“ sagen.

Flankiert wird das Bündnis von ehemaligen Linken, die im Islamismus eine Ersatzreligion für den Marxismus gefunden zu haben scheinen. Und dann gibt es noch ein paar Ewiggestrige, die ihr antisemitisches Süppchen auf den neu entfachten Flammen kochen und von gottgewollten Weltreichen träumen. Dass sie eine Bekehrungsoffensive vorbereiten, halten die religiösen Eiferer von der „Heiligen Allianz“ noch unter der Decke. Statt dessen reden sie friedfertig vom „christlich-islamischen Dialog“. Im Namen des „Dialogs“ setzen sich neuerdings auch bei uns führende VertreterInnen beider christlicher Konfessionen für die Einführung des islamischen Religionsunterrichtes ein. Allen voran Walter Kasper, katholischer Bischof von Rottenburg-Stuttgart, und Rita Waschbüsch, erzkonservative Präsidentin des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“. Der evangelische Bischof Huber von Berlin-Brandenburg plädiert sogar dafür, neben den Kreuzen in weltlichen Klassenzimmern auch „Bilder von Mekka“ aufzuhängen.

Es begann 1989 in der Realschule der französischen Stadt Creil. Dort weigerte sich der Direktor, drei muslimischen Schülerinnen – Töchter militanter Fundamentalisten – das demonstrative Tragen von Schleiern bzw. Kopftüchern zu gestatten. Sein Argument: Der Verschleierungszwang für Frauen und Mädchen sei eine religiöse Frage und widerspreche dem demokratischen Rechtsverständnis eines aufgeklärten Staates, der sich nicht durch die Hintertür die islamische Scharia aufzwingen lassen will. In der sogenannten „Kopftuchaffäre“ fanden die französischen Islamisten auf christlicher Seite mächtige Verbündete.

Die katholischen Bischöfe sahen nun auch für sich die Chance gekommen, das religiöse Leben, das in Frankreich mit der Verabschiedung des „Gesetzes über die Trennung von Kirche und Staat“ im Jahre 1905 völlig in die Privatsphäre verbannt worden war, wieder in den öffentlichen Raum zurückzuholen: vor allem aber in die Klassenzimmer, dorthin, wo es sich am wirksamsten missionieren lässt. Die Bundesrepublik kennt diese rigorose Trennung von Kirche und Staat nicht. Zwar heißt es im Grundgesetz: „Es besteht keine Staatskirche.“ Aber dort heißt es auch: „Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach.“ Erteilt wird es „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“.

Eine „Religionsgemeinschaft“ im Sinne des Grundgesetzes ist „ein dauerhafter, organisierter Zusammenschluss von Personen mit Mitgliedsstruktur und gemeinsamen religiösen Anschauungen“. Wenn dieser „organisierte Zusammenschluss“ dann auch noch staatlich als „Körperschaft öffentlichen Rechts“ anerkannt ist, darf er sogar Kirchensteuer erheben.

Zwei muslimische Dachverbände bemühen sich zur Zeit um die staatliche Anerkennung: der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (die Namensähnlichkeit mit dem „Zentralrat der Juden in Deutschland“ ist beabsichtigt) und der „Islamrat der Bundesrepublik Deutschland“. Beide Organisationen repräsentieren nur eine Minderheit der 2,5 Millionen Moslems, die in der Bundesrepublik leben und einer Vielzahl von islamischen Glaubensrichtungen anhängen. Beide sind Wortführer im „christlich-islamischen Dialog“. Und beide sind Sammelbecken für islamische Fundamentalisten.

Hinter dem „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ steckt der „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ), dem laut „Focus“ 269 Moscheen gehören, „mehr als ein Fünftel aller Gebetshäuser in Deutschland“. Und: „60.000 Jugendliche besuchen den Koranunterricht des Verbands, der in Köln ein eigenes Internat und eine Ausbildungsstätte für Hodschas unterhält.“ VIKZ und Zentralrat residieren in einer Straße in Köln, in der Stadt also, die als Hochburg des islamischen Fundamentalismus gilt. VIKZ und Zentralrat haben ein und denselben Geschäftsführer: Ibrahim Cavdar, türkischer Jurist und ausgebildeter Hodscha (Vorbeter). Der „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ) ist die deutsche Tarnorganisation für den in der Türkei verbotenen Derwischorden der Süleymanli, ein Geheimbund, der türkische Parteien und Behörden unterwandert und so die Theokratie einführen will: den islamischen Gottesstaat.

Der Bamberger Turkologe Klaus Kreiser vermutet, dass die AnhängerInnen des VIKZ einer „kollektiven Psychose“ verfallen sind, weil sie glauben, dass sich „Freimaurer, Juden und Marxisten“ zu einer „Weltverschwörung gegen den türkischen Islam“ vereinigt haben. Und Faruk Sen, Chef des Instituts für Türkeistudien an der Uni Essen, hält den VIKZ für „politisch extrem rechts orientiert“.

Ibrahim Cavdar, VIKZ-Chef und Geschäftsführer des „Zentralrats der Muslime in Deutschland“, ist Autor der katholischen Zeitschrift „Cibedo – Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen“, in der auch die Orientalistik-Professorin Schimmel publiziert. Der arabische Arzt Dr. Nadeem Eylas, Vorsitzender des Zentralrats, schreibt ebenfalls für „Cibedo“. Außerdem ist er Sprecher der Aachener Bilal-Moschee (Islamisches Zentrum), die als eine der deutschen Zentralen der international operierenden, terroristischen „Muslimbrüderschaft“ gilt. „Cibedo“-Herausgeber Hans Vöcking wiederum ist einer der Unterzeichner des Offenen Briefes, der Mitte September Partei für die Friedenspreisträgerin Annemarie Schimmel ergriff.

Der Frankfurter Pater Vöcking gehört zu dem katholischen Missionsorden „Weiße Väter von Afrika“ („Pères Blancs“), der 1868 von einem Franzosen in Algerien gegründet wurde. Von dort aus wollten die geistlichen Kolonialherren gemeinsam mit den weltlichen ganz Afrika unterwerfen bzw. „missionieren“. 1952, als sich in Algerien der Widerstand gegen die französische Kolonialmacht immer stärker zu regen begann, verlagerten die „Pères Blancs“ ihren Hauptsitz nach Rom, wo sie das „Päpstliche Institut für Arabische Studien und Islamistik“ aufbauten.

Früher bekehrten die „Weißen Väter“ im Auftrag des Vatikans Muslime und andere „Heiden“ zum alleinseligmachenden katholischen Glauben; heute sind die Missionare von einst die Experten für den „christlich-islamischen Dialog“, denn Wojtila ist überzeugt: „Dank ihres Monotheismus sind uns die, die an Allah glauben, ganz besonders nah.“ Jedenfalls näher als aufgeklärte AtheistInnen oder überzeugte DemokratInnen und emanzipierte Frauen.

Der „Islamrat der Bundesrepublik Deutschland“ ist der zweite muslimische Dachverband, der sich um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes bzw. als öffentlich-rechtliche Körperschaft bemüht. Hinter dem Islamrat steckt die AMGT (Avrupa Milli Görüs Teskilatlari – Vereinigung der Neuen Weltsicht): der deutsche Ableger der türkischen „Wohlfahrtspartei“ des Necmettin Erbakan, der aus der Türkei einen Ayatollah-Staat nach iranischem Vorbild machen will.

Die AMGT hat sich Anfang 1995 einen neuen Namen gegeben, da der alte gar zu oft im Verfassungsschutzbericht auftauchte. Der türkische FundamentalistInnenbund mit Sitz in Köln heißt nun IGM (Islamische Gesellschaft Milli Görüs). Seine Chefideologin ist nach wie vor die konvertierte deutsche Juristin Aminah Erbakan. Die Schwägerin des deutschen Wohlfahrtspartei-Vorsitzenden zettelt von Köln aus in ganz Deutschland Prozesse gegen deutsche SchulleiterInnen an, um den Kopftuchzwang für muslimische Schülerinnen und ihre Freistellung vom Sport- und Sexualkundeunterricht zu erzwingen.

In den letzten Jahren hat sich Aminah Hanna Erbakan auf den „christlich-islamischen Dialog“ spezialisiert. Sie reist von Kirchentag zu Kirchentag und ist bei Protestantinnen wie Katholikinnen gern gesehener Gast, wenn es um die „Rolle der Frau im Islam“ geht.

Im Mai 1991 empfing Dr. Reinhard Lettmann, Bischof von Münster, zwei Vertreter des „Islamrats der Bundesrepublik Deutschland“, der unter der Adresse der AMGT in Köln firmiert. Anschließend tat der katholische Würdenträger öffentlich kund: „Der Islamrat kann dazu beitragen, sachgerechte und erfolgversprechende Formen für die Eingliederung der Muslime in Deutschland zu entwickeln.“ Und zu was tragen die christlich-islamischen Dialog-Bemühungen Reinhard Lettmanns bei, der dem katholischen Geheimbund „Opus Dei“ angehören soll? Das „Opus Dei“ wird auch „Heilige Mafia“ genannt und betreibt zur Zeit die „Generalmobilmachung gegen den Unglauben“. Das „Werk Gottes“ unterhält in Deutschland Verbindungen zum Erb-Adel, zu Vorstandsetagen und Aufsichtsräten von Banken und Konzernen, zu Forschungslaboren und Wissenschaftsschmieden – und zu den „Rittern vom Heiligen Grabe“: ein anderer katholischer Geheimbund mit ähnlichen Zielen und (teilweise) denselben Protagonisten.

Auch Zeitungsverleger und Journalisten sind Mitglieder und Förderer des „Opus Dei“. Einer von ihnen ist Otto B. Roegele, Leiter des publizistischen Instituts der Universität München. Zusammen mit der Bestsellerautorin und fanatischen Lebensschützerin Christa Meves („Die Frau hat von ihrer biologischen Aufgabe her ein natürliches Bedürfnis nach Unterwerfung“) und dem ehemaligen bayerischen CSU-Kultusminister Hans Maier („Es wäre allzu einfach, den Fundamentalismus in Bausch und Bogen zu verdammen“) gibt er das katholische Wochenblatt „Rheinischer Merkur/ Christ und Welt“ heraus.

Es war Prof. Maier, früherer Präsident des „Zentralkomitees der Deutschen Katholiken“ und heutiger Inhaber des Lehrstuhls für „Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie“ an der Uni München, der gemeinsam mit dem katholischen Literaturwissenschaftler Wolfgang Frühwald (ebenfalls Uni München) die Orientalistin Annemarie Schimmel für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels vorschlug!

Der erzkonservative Katholik Maier hielt im November 1994 den Festvortrag zum 125-jährigen Bestehen des katholischen Bonifatius-Verlags, Hausverlag der Paderborner Bischöfe und der deutschen Grabesritter, deren Großprior bis 1965 Erzbischof Lorenz Jaeger aus Paderborn war. „Die Spielregeln der Demokratie haben das Denken weithin verbogen“, verkündete Jaeger bei der Investitur eines neuen Grabesritters und fuhr fort: „Es braucht eine religiöse Führungsschicht, die, ohne Rücksicht auf zeitliche Vorteile und Ehren, sich den ewigen Wahrheiten verschrieben hat. Ein neuer geistiger Kreuzzug ist notwendig.“

Die „Ritter vom Heiligen Grabe“ führen ihre Ursprünge auf die Zeit der Kreuzzüge zurück. Damals sahen sie es als ihre Aufgabe an, Christen im gelobten Land vor Juden und Mohammedanern zu „beschützen“ und die letzteren niederzumetzeln.

Heute bezuschusst der deutsche Ritterorden in Israel, in den besetzten Gebieten und in Jordanien rund 40 sogenannte „Patriarchatsschulen“, die überwiegend von muslimischen Schülern besucht werden. Und der katholische Bischof von Jerusalem, der Araber Michel Assad Sabbah, der zugleich oberster geistlicher Herr der Grabesritter auf internationaler Ebene ist, ergriff in seiner Weihnachtsbotschaft 1992 offen Partei für die fundamentalistische palästinensische Terrororganisation „Hamas“, die den Friedensprozess im Nahen Osten bombend aufhalten will. „Alle Muslime und alle Hamas-Anhänger sind Kinder Gottes und deshalb unsere Brüder“, sagte der katholische Bischof Sabbah.

Schimmel-Freund Maier sprach beim Bonifatius-Jubiläum in Paderborn über die „Zukunft der Kulturen“ und über eine „multikulturell geprägte Weltgesellschaft“, die nur durch „Austausch, Dialog, Aufeinanderhören, Rezeption, Anverwandlung des Fremden, Aneignung durch Nachbildung, kurzum durch friedliche Eroberungen vielfältiger Art“ realisiert werden könne. In der ersten Reihe klatschte der amtierende Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt Beifall, führender deutscher Grabesritter und Förderer des „Opus Dei“, der sonntags von der Domkanzel predigt, dass zum Frausein „die Fähigkeit gehört, warten und schweigen zu können“.

Konservative Katholiken wie Maier und Frühwald beherrschen inzwischen das Multi-Kulti-Vokabular perfekt, das früher nur atheistische Linke gebrauchten. Wer hat denn da nun wen bekehrt? Teile der deutschen Linken jedenfalls haben sich schon längst der „Heiligen Allianz“ angeschlossen und sind zum Islam übergetreten. Bei der Volkszählung 1987 wurden 47.800 muslimische Deutsche registriert, inzwischen sollen es über 100.000 sein. „Überwiegend Grüne“ seien konvertiert, behauptet Konvertit Murad Hoffmann.

Sekten und Erweckungsbewegungen haben Hochkonjunktur in diesen unsicheren Zeiten vor der Jahrtausendneige, wo niemand weiß, wo’s lang geht. Und der Islam als Religion mit einem strengen Pflichtenkatalog, der das alltägliche Leben bis ins Kleinste regelt, kommt besonders gut an. Auch bei frustrierten Linksaußen. Die „Antiimperialistischen Zellen“ (AIZ), Nachfolgeorganisation der „Roten Armee Fraktion“ (RAF), zum Beispiel unterhalten enge Verbindungen zu islamischen Fundamentalisten: „Der Kampf dieser Brüder und Schwestern ist sehr grundlegend antiimperialistisch.“

Im Januar 1992 war Necmettin Erbakan, Chef der fundamentalistischen Wohlfahrtspartei, die im türkischen Parlament mit den Faschisten paktiert, „umjubelter Star“ des Kongresses „Islam und Diaspora“ in Berlin. „Die Unterentwicklung der islamischen Welt und der Reichtum des Westens stehen in direktem Verhältnis“, schmetterte Erbakan der begeisterten Menge entgegen. Da staunte der „taz“-Reporter: „Wäre nicht das Publikum so ganz anders gewesen, fast hätte man sich in eine linke Großveranstaltung zurückversetzt wähnen können.“

Auch der „Spiegel“ staunte jüngst, weil die „verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die bislang als kommunistische Organisation galt und von deutschen Linksextremen unterstützt wird“, eine „Wende ins Völkisch-Nationale“ vollzogen hat und die Massen mit „antijüdischer Propaganda“ aufhetzt. Und so verwundert es nicht, dass am 28. Juni 1994 die „Treuegemeinschaft zu den Häusern Hohenzollern und Habsburg“ im niederösterreichischen Arstetten mit der „Muslimbruderschaft Mitteleuropa“ zusammentraf, um den Islam in der „mitteleuropäischen Elite einzuwurzeln“, was für „beide Teile entscheidende Vorteile hätte“: „Der Konservatismus würde revitalisiert, und der gegen den Imperialismus revoltierende Welt-Islam gewönne indirekt Zugang zur neuzeitlichen Waffenkunde“.

Nein, die alten Fronten gibt es nicht mehr. Links und Rechts, Rot und Schwarz haben ausgedient. Und Konservative empören sich neuerdings zusammen mit Fortschrittlichen über das „neue Feindbild Islam“, gegen das früher nur Linke zu Felde zogen: im Namen von Anti-Rassismus und Ausländerfreundlichkeit. So plant Außenminister Kinkel Mitte November mit seinen Kollegen aus den fundamentalistisch regierten oder bedrohten Staaten Iran, Saudi-Arabien und Ägypten sowie „150 bis 200 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur“ eine „Islam-Konferenz“ in Bonn. Thema: „das neue Feindbild Islam“ – ein Schlagwort, das spätestens seit der Debatte um Schimmel allen ein Begriff ist.

Denn in dieser Debatte ging es selten um Realitäten, sondern meist um Schimären. Wer ist denn nun der gemeinsame Feind der „Heiligen Allianz“, der angeblich das „Feindbild Islam“ propagiert? Die „Treuegemeinschaft zu den Häusern Hohenzollern und Habsburg“ und die „Muslimbruderschaft Mitteleuropa“, die in Niederösterreich konspirativ tagten, wissen die Antwort: „Feminismus und Selbstbestimmung“ seien die Feinde, über die „die göttliche Ordnung“ siegen muss. Und der „Demokratismus“, jene „totalitäre Krankheit zum Tode, die 1789 aus Frankreich über den Rhein nach Osten getragen worden ist“.

Schlechte Zeiten für alle, die in weltlichen Dingen nicht auf Gott oder Allah vertrauen, sondern auf Demokratie und Menschenrechte. Besonders schlechte Zeiten für Frauen.

Da pries Bundepräsident Herzog während seines Staatsbesuchs in Pakistan im April 1995, bei dem ihn Annemarie Schimmel begleitete, die „Einhaltung der Menschenrechte“ in dem islamischen Land. Dabei wird dort die „Scharia“ angewandt; nahezu täglich werden Frauen auf Dorfplätzen gesteinigt. Macht nichts: In Pakistan und in den Nachbarländern, freute sich der Bundespräsident in Islamabad, sind „heute große Märkte vorhanden“ und „wahrlich riesenhafte Märkte im Entstehen“.

Selbst das sozialdemokratische NRW-Kultusministerium hatte nichts dagegen, dass ein Staat wie Saudi-Arabien, der seinen Frauen nicht mal das Autofahren erlaubt, eine muslimische Schule auf Bonner Boden baut: „Bei Institutionen, die Kinder mit nur vorübergehendem Aufenthalt in Deutschland unterrichten, gibt es keinen Handlungsbedarf.“

Kinder? Die „König-Fahad-Akademie“, in die der „Hüter der Beiden Heiligen Stätten“ 28 Millionen Mark investiert hat, wurde auch für Erwachsene errichtet. Auf den 5.000 Quadratmetern Gesamtfläche sind außer Klassen- und Verwaltungszimmern sowie der Moschee „für etwa 700 Personen“ auch „zwei Versammlungsräume für Konferenzen, Symposien und kulturelle Veranstaltungen“ untergebracht. In einer Erklärung der saudischen Botschaft heißt es: Die „König-Fahad-Akademie“ sei ein „arabisch-islamisch-humanitäres Projekt“, denn: „Der Islam ist die Religion der Liebe, der Toleranz und des Dialogs.“ Abdulaziz Bin Fahad Bin Abdulaziz, Sohn des „Hüters der Beiden Heiligen Stätten“, hatte den PR-Text seines Botschafters offenbar nicht gelesen.

Der Prinz nahm in seiner Eröffnungsrede am 15. September kein Blatt vor den Mund und verkündete offen, was das „humanitäre“ Projekt wirklich ist: „Ein Zentrum der religiösen Anleitung und Wegweisung, das an der Verbreitung des gerechten Glaubens arbeitet.“ Kurzum: eine islamische Missionsstation mitten im aufgeklärten Europa.

18. September 1995. In Nairobi legen ein katholischer Bischof und ein moslemischer Imam gemeinsam Feuer. Umringt von Journalisten verbrennen sie Berge von Präservativen und Büchern, in denen es um Aufklärung, Verhütung und Sexualerziehung geht. „Die religionsübergreifenden Flammen“, heißt es tags darauf in der Presse, „verbanden Funktionäre zweier Weltreligionen, die sich sonst in Afrika erbitterte Konkurrenzkämpfe liefern.“
 

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