Charlie Hebdo meets Franziska Becker

Die Redaktion von Charlie Hebdo, in der Mitte Riss. - Foto: Joel Saget/afp
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Hier antwortet der Karikaturist Laurent Saurisseau (Künstlername Riss) den Feministinnen und Wohlmeinenden, die die Karikaturen von Franziska Becker als "rassistisch" und "islamophob" diffamieren. In schnörkelloser, französischer Satiretradition haut er mit dem Hammer auf die Wunde. Riss ist einer der wenigen Überlebenden des islamistisch motivierten Überfalls am 7. Januar 2015 auf die Redaktion Charlie Hebdo. Danach lagen zehn seiner Kollegen tot neben ihm, er überlebte mit einem Schulterschuss, weil er sich tot stellte. Für Riss gibt es keinen Grund mehr, drumherumzureden.

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Wir stellen uns Fragen in Bezug auf das Schicksal der in Syrien inhaftierten IS-Kämpfer? Soll man sie nach Frankreich zurückholen oder einfach dort lassen? Dabei ist die Antwort einfach. Sie sollen dort bleiben, nämlich aus dem einen guten Grund: Bei uns wären sie völlig nutzlos. Denn zur Verbreitung ihrer Ideologie haben mittlerweile andere Akteure das Heft in die Hand genommen.

In Deutschland wurde die Zeichnerin Franziska Becker, als sie den Hedwig-Dohm-Preis erhielt, von Feministinnen der Islamfeindlichkeit und des Rassismus bezichtigt. Argument: Sie habe in der Vergangenheit ironische Zeichnungen über das Kopftuch oder die Burka gemacht. Das Erstaunliche ist die Tatsache, dass diese heftigen Attacken nicht von radikalen Imamen kamen, sondern von deutschen Feministinnen. Es braucht also keine Islamisten mehr, um KarikaturistInnen zum Schweigen zu bringen. Nun gibt es Feministinnen, die es übernehmen, diejenigen einzuschüchtern, die es wagen, über den Islam und die Religion zu lachen. Die Wachhunde des "Links-Islamismus" (islamo-gauchisme) sind gut dressiert worden. Sie brauchen nicht mehr ihr Herrchen, um ihre Gegner in die Waden zu beißen, sie kommen sehr gut alleine zurecht.

KarikaturistInnen zum Schweigen zu bringen - dafür gibt es nun Feministinnen

So erklärte etwa der Verleger Jakob Augstein: „Karikaturen sind dann gut, wenn sie die Großen klein machen – nicht, wenn sie auf die treten, die ohnehin unten sind. Darum waren auch die antimuslimischen Charlie-Hebdo-Karikaturen schlecht. Es geht um die Machtfrage."

Ein Argument, das es verdient, näher betrachtet zu werden: "Karikaturen sind gut, wenn sie die Großen klein machen, und nicht, wenn sie auf die treten, die ohnehin unten sind". Nebenbei wäre es interessant zu erfahren, wer sich nach Ansicht dieser Pseudo-Intellektuellen ganz unten befindet. Alle, die unter ihnen sind? Halten sie sich also für derart weit „oben“ platziert?

Demnach wäre also Aufgabe der Karikatur, auf die "Großen" zu schlagen und nicht auf die "Kleinen". Hierbei handelt es sich um das denkbar stumpfsinnigste Argument, eine Zeichnung zu kritisieren. Stumpfsinnig, weil die Karikatur sich weigern muss, zum verlängerten Arm irgendeiner Ideologie gemacht zu werden, deren Aufgabe es wäre, die einen stärker unter Beschuss zu nehmen als die anderen. (…)

Humor zielt auf Dummheit, Mittelmäßigkeit, Lächerlichkeit, Feigheit und sämtliche sonstige Zustände der menschlichen Seele. Das heißt, er zielt auf jeden. Wer wäre so anmaßend, von sich zu behaupten, er hätte sich noch nie getäuscht, oder noch nie Dummheiten von sich gegeben? Niemand. Jedem von uns ist es schon mindestens einmal im Leben passiert, es verdient zu haben, lächerlich gemacht und karikiert zu werden.

Deshalb können sowohl die „Großen“ wie auch die „Kleinen“ karikiert werden. Aber auch Linke wie Rechte; die, die an den Himmel glauben oder nicht; oder Sie oder ich. Wenn Humor unangreifbar und kreativ bleiben möchte, dann muss er sich weigern, einem Herrn mehr zu dienen als einem anderen. Eine Zeichnung hat das Recht, grausam zu sein und kann ein Faustschlag ins Gesicht sein. Ein Faustschlag ins Gesicht, aber nicht ein Tötungskommando.

Die Lust zu verbieten, mit dem Finger zu zeigen und abzudrücken

Hinter dieser an Törichtigkeit kaum zu überbietenden Aussage, man dürfe die „oben“, aber nicht die „unten“ karikieren, versteckt sich ein ganz anderer, widerwärtiger Beweggrund. Es ist immer faszinierend zu beobachten, mit welchem Einfallsreichtum der Mensch sich selber Fesseln anlegt. Die Perversion ist geradezu grenzenlos, wenn es darum geht zu unterdrücken, zu ersticken und zu zensieren. Selbst in der Linken finden sich Gemüter, die verschlagen genug sind, um Regeln zur Kontrolle der Freiheit zu erfinden.

Man teilt der Karikatur eine Mission zu: Auf die Großen hauen, niemals auf die Kleinen. Warum eigentlich? Um die Kleinen zu schützen? Ganz sicher nicht. Diesen selbsternannten politischen Kommissaren sind die Schwachen scheißegal. Was sie nicht ausstehen können, wenn man Große und Kleine karikiert, ist die Freiheit, die man sich nimmt, eben dies zu tun. Die Freiheit, das zu tun, was man möchte, ist schier unerträglich für diese Moral-Kapos. Denn die Lust dieser Kapos besteht darin, entscheiden zu können, was erlaubt ist und was nicht. Und wenn ihnen diese Macht genommen wird, so bleibt ihnen nichts - und sie müssen feststellen, wie mittelmäßig sie sind.

Diese Kapos des feministischen Linksislamismus, die das Urteil über die Karikaturen dieser deutschen Zeichnerin gefällt haben, scheren sich einen Dreck um Frauen, um Humor, um die Freiheit, um die Großen oder Kleinen. Ihre Lust besteht darin, zu verbieten, mit dem Finger zu zeigen und abzudrücken. Unsere besteht darin, ihnen frech ins Gesicht zu lachen und ihnen zu sagen: Ihr könnt uns mal!

Riss

Übersetzung: Michael Herrmann

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Alice Schwarzer schreibt

Der erste deutsche Karikaturenstreit

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Es ist viereinhalb Jahre her. Da stürmten zwei Islamisten in Paris die Redaktion der satirischen Wochenzeitung Charlie Hebdo, eröffneten das Feuer und töteten zehn MitarbeiterInnen, allen voran die Zeichner. Plus zwei Polizisten. Grund: Eine Karikatur des Propheten Mohammed, die sie „beleidigend“ fanden. Die Tat löste nicht nur weltweites Entsetzen aus - und Jubel bei den Gesinnungsbrüdern der Killer -, sondern auch die Frage: Was darf die Karikatur, die Satire, ja was muss sie?

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Was darf,
was muss
Satire tun?

Am 29. Juni erhält die Karikaturistin Franziska Becker in Berlin - nach vielen Cartoon-Preisen - nun auch einen journalistischen Preis: die „Hedwig-Dohm-Urkunde“. Dohm (1831-1919) war die geistreichste und spöttischste Intellektuelle der historischen Frauenbewegung. Und dass nun dieser Preis an eine Cartoonistin geht, deren Medium Bild und Wort sind, ist kein Zufall. Denn Dohm und Becker haben vieles gemein: Beide spotten nicht nur über die Männerwelt, sondern verschonen auch die Frauen nicht - und schon gar nicht die Frauenbewegung. Die Cartoons, in denen die EMMA-Hauscartoonistin die Rigidität und den Kitsch in den eigenen Reihen aufspießte, gehen in die Dutzende: strickende Feministinnen im Frauenzentrum, Hackebeil schwingende Separatistinnen im Frauenland, esoterische Frauenrechtlerinnen auf der Suche nach der Göttin. Selbstironie ist eben immer die beste aller Ironien.

Ebenfalls der Namensgeberin des Preises und ihrer Empfängerin gemeinsam ist ihre scharfe Religionskritik, bzw. die Kritik am Missbrauch von Religionen zur Frauenunterdrückung durch selbstgerechte, schriftgläubige Fanatiker. Unvergessen der Cartoon, in dem ein christlicher Priester und Lebensrechtler mit seinem Schild „Für das Leben“ auf eine Gegendemonstrantin einschlägt. Der Vatikan hat sich daraufhin übrigens nicht bei EMMA gemeldet.

Seit 1991 (!) nun karikiert Becker hellsichtig auch die Fanatiker im Islam, die Scharia-AnhängerInnen und Burka-PropagandistInnen. Sie hat dies immer in der gebotenen Schärfe getan. Denn es ist ja die Aufgabe der Karikatur, durch groteske Zuspitzung zu irritieren, die Augen zu öffnen. Auch hier gab es nie Proteste. Bisher nicht.

Aus dem Becker-Cartoon "Kopftuch & Co." in EMMA 6/2003.

Treffend preist auch die Jury des Journalistinnenbundes Becker als "unerbittlich klarsichtig“. Doch diese Klarsicht scheint plötzlich nicht mehr angesagt. Die Stunde der Vernebelung und Ideologisierung, ja der Meinungsverbote und Zensur hat geschlagen.

28 Jahre nach ihrem ersten Anti-Islamismus(nicht Islam!)-Cartoon wird Becker nun plötzlich wegen ihrer über Jahrzehnte veröffentlichten Karikaturen über die reaktionären Islam-Auslegungen der „Islamfeindlichkeit“ und des „Rassismus“ bezichtigt. Eine deutsche Bloggerin türkischer Herkunft hat den Protest initiiert - und so mancher folgt ihr. Darunter auch bekannte Namen.

Augstein entschuldigt Charlie-Hebdo-Massaker

So twittert der Journalist Jakob Augstein: „Für mich sieht das so aus, als könne es auch in der Jungen Freiheit stehen“ (für Nichteingeweihte: ein rechtsextremes Blatt). Und Augstein jr. setzt nochmal nach: „Karikaturen sind dann gut, wenn sie die Großen klein machen – nicht, wenn sie auf die treten, die ohnehin unten sind“, schreibt er. „Darum waren auch die antimuslimischen Charlie-Hebdo-Karikaturen schlecht. Es geht um die Machtfrage.“

Es stimmt. Satire sollte immer nach oben zielen, nie nach unten treten. Für Augstein scheinen MuslimInnen immer unten zu sein. Was bedenklich ist, um nicht zu sagen „rassistisch“. Mal ganz davon abgesehen, dass er mit der Qualifizierung der Charlie-Hebdo-Karikaturen als „schlecht“ das Massaker entschuldigt, wenn nicht sogar rechtfertigt.

Und übrigens: So wenig wie der Priester als Lebensrechtler der kleine Mann von nebenan ist, sondern Teil der rechten Strömung einer Weltmacht, so wenig sind die Denk- und Veröffentlichungsverbote im Namen eines „beleidigten Islam“ Privatsache von Privatpersonen, sondern Teil einer weltweiten Offensive des politisierten Islam. Hinter dem Diktat der nicht nur Frauen entmündigenden und entrechtenden Scharia - in inzwischen weltweit 35 islamischen Ländern - und ihrer Propagierung bis in die Communities mitten in westlichen Metropolen stehen gewaltige Mächte, stehen die Petro-Milliarden der Ölscheichs und die ideologischen Einpeitscher in tausenden Koranschulen. 

Das scheinen viele immer noch nicht begreifen zu wollen, bzw. sie sind nützliche Idioten oder gar HandlangerInnen dieser neuen Rechten. So attestiert die Chefredakteurin des Online-Magazins Edition F, Teresa Bücker - profiliert als "sex-positiv“ (also pro Prostitution) und Kopftuch-Anhängerin - spitzmündig: „Puh, da wird einem ja schwindelig“, nämlich beim Anblick der Becker-Cartoons. „So offen rassistisch, insbesondere gegenüber kopftuchtragenden Frauen.“

Doch den Vogel schießt die Trägerin des „Friedenspreises des Deutschen Buchhandels“, Carolin Emcke, ab. „Wer sitzt denn da in der Jury? Nur aus Neugierde…“ fragt sie inquisitorisch. Was beabsichtigt Emcke denn eigentlich mit so einem Satz?

„Unsittlich erscheint der Menge stets alles Ungewöhnliche, was sie aus dem Zauberbann ihrer Phrasen, ihrer brunnentiefen Gemütsruhe aufschreckt“, schrieb einst Hedwig Dohm, und fuhr fort: „Doch jeder Gedanke, wenn er wirklich einer ist, ist ein wenig ketzerisch.“ Will sagen: Das Gegenteil von politisch korrekt. Es ist unter keinen Umständen die Aufgabe der Satire, gläubig nachzubeten, was im jeweils angesagten Gebetbuch steht. Es ist die Aufgabe der Satire, querzudenken, gegenzuhalten, zu irritieren und so die Augen zu öffnen!

Weil Franziska Becker, die übrigens am 10. Juli 70 wird, all das seit 42 Jahren in EMMA tut, hat sie den Hedwig Dohm Preis mehr als verdient!

Selbstverständlich wird sich ebenso EMMA diesem Tugenddiktat der Selbstgerechten auch in Zukunft nicht beugen. EMMA ist ganz im Gegenteil stolz darauf, 2006 neben Charlie Hebdo weltweit die erste Zeitschrift gewesen zu sein, die aus Solidarität die Mohammed-Karikatur des Dänen Kurt Westergaard aus Jyllands Posten veröffentlichte. Auch damals waren fundamentalistische Muslime über eine Zeichnung „beleidigt“, weltweit. Bücher wurden verbrannt, Menschen ermordet, der mit dem Tod bedrohte Karikaturist Westergaard musste mit seiner Familie abtauchen.

Schwarzer mit dem algerischen Schriftsteller Sansal im Mai 2019 in Paris. Gemeinsame Sorge: die Politisierung des Islam.
Schwarzer mit dem algerischen Schriftsteller Sansal im Mai 2019 in Paris. Gemeinsame Sorge: die Politisierung des Islam.

Die Meinungsfreiheit und Denkfreiheit kann einen hohen Preis haben - muss aber nicht. Wehret darum den Anfängen!

Alice Schwarzer

Der Dohm-Preis wird Franziska Becker am 29. Juni in Berlin verliehen, um 19.30 Uhr im Place One/Friedrichshain.

 

Hier alle Cartoons von Franziska Becker aus EMMA zur Politisierung des Islam und Verharmlosung von Scharia und Burka.

EMMA 9/1991: Schleierhafter Unterschied

EMMA 6/1995: Nur ein Stück Stoff

EMMA 6/2003: Kopftuch & Co.

EMMA 6/2007: Türban mültigülti

EMMA 1/2014: Aus freiem Willen.

EMMA 3/2015: Auf Tuchfühlung

EMMA 6/2016: Nur ein Stück Stoff

 

 

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