Prostitution: Protest gegen Amnesty!

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Die Wellen schlugen hoch, nachdem Amnesty International am 11. August erklärt hatte, künftig für die „Entkriminalisierung und Liberalisierung der Prostitution“ eintreten zu wollen. „Höchst fahrlässig!“ findet der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) den Beschluss der Delegiertenversammlung in Dublin. „Der Rotlichtbereich ist wegen seiner leicht zu erzielenden Gewinne ständiger Anziehungspunkt für die Organisierte Kriminalität und Spielwiese von Schwerkriminellen.“

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Sr. Lea Ackermann, deren Organisation Solwodi tagtäglich mit den Opfern dieser Schwerkriminellen zu tun hat, ist ebenfalls fassungslos: „Die Entscheidung von Amnesty International ist unsäglich“, erklärte sie. „Wie kann eine internationale Organisation, die für Menschenrechte und Gerechtigkeit steht, die Entkriminalisierung eines Milliardengeschäfts aus dem Handel mit Frauen und Kindern fordern?“ Und die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes erklärt, was auch für Amnesty selbstverständlich sein sollte, es aber augenscheinlich nicht ist: „Unser Ziel ist eine Gesellschaft ohne Prostitution!“

TdF: "Unser Ziel ist eine Gesell-
schaft ohne Prostitution!"

Mit ihrem Votum in Dublin hatte sich die „Menschenrechtsorganisation“ klar gegen das „Nordische Modell“ ausgesprochen, das zwar die Frauen und Männer in der Prostitution entkriminalisiert – aber den Sexkauf als Verstoß gegen die Menschenwürde betrachtet und daher die „Kunden“ bestraft. EU-Parlament und Europarat hatten im Frühjahr 2014 nach eingehender Prüfung festgestellt, dass das Nordische Modell der beste Weg sei, die Nachfrage nach der Ware Frau einzudämmen und damit auch Armutsprostitution und Menschenhandel zu bekämpfen.

Am deutschen Modell hingegen ließ der EU-Report kein gutes Haar. „Statt der Legalisierung, die in den Niederlanden und Deutschland zu einem Desaster geführt hat, brauchen wir einen nuancierten Ansatz, der die Männer bestraft, die die Körper der Frauen als Gebrauchsgegenstand behandeln, ohne dabei diejenigen zu bestrafen, die in die Sexarbeit abgeglitten sind", hatte die britische Abgeordnete Mary Honeyball, die den Report verfasst hatte, nach der Abstimmung erklärt.

Amnesty hingegen will künftig Lobbyarbeit dafür betreiben, dass nicht nur die Freier straffrei bleiben – also jene, die die Nachfrage nach der Ware Frau erst schaffen und damit den Menschenhandel befeuern – sondern auch Bordellbetreiber und Zuhälter. Denn diese „Organisatoren“, so heißt es in einem ai-Strategiepapier zur Prostitution, „vereinfachen Sexarbeit, indem sie Informationen oder Assistenz bereitstellen“. Inzwischen ist klar, wie es zu solch atemberaubenden Formulierungen kommen konnte: Die „Menschenrechtsorganisation“ wurde seit Jahren systematisch von der Pro-Prostitutions-Lobby unterwandert.

EU: "Die Legali-
sierung hat in Deutschland zu einem Desaster geführt!"

Nun hagelt es Proteste – national wie international. „Wir bedauern, dass es Zuhältern, Bordellbetreibern und anderen Profiteuren und Ausbeutern der Sexindustrie gelungen ist, eine große Organisation wie Amnesty zu unterwandern und für ihre Zwecke zu missbrauchen“, erklären die Femen. „Eine Menschenrechtsorganisation die diesen Namen verdient, sollte zu aller erst für die Menschen eintreten, welche unter der Sexindustrie körperliche und psychische Schäden erleiden, ausgebeutet werden und keine Stimme oder Lobby haben.“

„AI ignoriert die verheerenden Auswirkungen einer liberalisierten Sex-Industrie, die nachweislich Menschenhandel und sexuelle Gewalt erhöht. AI positioniert sich so gegen die vulnerabelsten Menschen auf dieser Welt und geht einen Pakt mit den Tätern ein: eine kriminelle und billionenschwere Sex-Industrie“, erklärt Ingeborg Kraus. Die Initiatorin des Appells „TraumatherapeutInnen gegen Prostitution“ hatte im Vorfeld der Dubliner Abstimmung eine Petition an Amnesty gestartet.

Ihre Kollegin Muriel Salmona, Psychiaterin und Psychotraumatologin aus Paris, sieht in der Entscheidung von AI Ähnlichkeiten mit der totalitären Welt, wie sie Orwell in „1984“ beschrieben hat: „Die Ausbeutung und Unterdrückung wird als Freiheit umdefiniert; die Ausbeuter werden zu Beschützern umgedeutet, bezahlte Vergewaltigung wird zur Arbeit.“

Auch diejenigen, die Jahre in der „Sexindustrie“ überlebt und sich zum Kampf gegen sie zusammengeschlossen haben, melden sich entsetzt zu Wort: „Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Sexindustrie ein schädliches, entmenschlichendes Ausbeutungs-System ist, das NIEMALS entkriminalisiert werden sollte“, erklären die „Survivors of Prostitution Calling for Enlightment (SPACE). „Wir können kaum glauben, dass ihr, Amnesty International, ein Modell gutheißt, das Zuhältern und Freiern einen Freifahrtschein ausstellt. Indem ihr das tut, verstoßt ihr gegen eure eigenen Menschenrechts-Prinzipien.“

Der Frauenrat: Wie steht er zur Pro-Prostitu-
tions-Lobby?

Und schließlich erklärt auch die Europäische Frauenlobby (EWL), Dachorganisation von über 2.000 Mitgliedsorganisationen und Initiatorin der Kampagne „Für ein Europa ohne Prostitution“: „Diese Entscheidung wird Amnestys Glaubwürdigkeit in Sachen Gleichstellung der Geschlechter irreparabel beschädigen.“

Nur der Deutsche Frauenrat ist unbeirrt anderer Ansicht: Er kann die Amnesty-Entscheidung „nur begrüßen“, denn: „Im Kern decken sich die Positionen von AI mit unseren.“

Nun stellen sich drei Fragen: 1. Hat der Deutsche Frauenrat das Strategie-Papier von Amnesty überhaupt gelesen? 2. Spricht die Berliner Verbandsspitze tatsächlich im Namen ihrer 57 Mitgliedsorganisationen? 3. In welchem Verhältnis steht sie eigentlich zur Pro-Prostitutions-Lobby?

Eins jedenfalls hat der Deutsche Frauenrat, der „besonderen Beraterstatus“ bei den Vereinten Nationen hat, ganz sicher nicht gelesen: die UN-Resolution von 1949 zur Bekämpfung des Menschenhandels. Da erklären die Vereinten Nationen unmissverständlich: „Die Prostitution und das sie begleitenden Übel des Menschenhandels sind mit der Würde und dem Wert des Menschen unvereinbar.“

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Amnesty und die Sexindustrie-Lobby

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Gerade hatte die Delegiertenversammlung von Amnesty International in Dublin beschlossen, künftig für die Legalisierung der Prostitution einzutreten, da twitterte ein gewisser Douglas Fox folgenden Satz: „Ich bin begeistert, dass der Prozess, den ich und die Amnesty-Gruppe Newcastle vor einigen Jahren gestartet haben, jetzt zur Unterstützung der Entkriminalisierung geführt hat.“

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Bordellbetreiber Fox: "Amnesty von innen bearbeiten"

Wer ist Douglas Fox? Fox ist der Gründer der britischen „International Union of Sexworkers“. Die „Gewerkschaft“ für „Sexworker“, die erklärtermaßen alle aufnimmt, die in der „Sexindustrie“ tätig sind: also Prostituierte und Zuhälter,  Bordellbetreiber, Pornoproduzenten und Freier. Fox‘ Lebensgefährte John Dottery dürfte auch Mitglied sein. Er ist Betreiber eines sogenannten „Escort-Services“ für männliche und weibliche Prostituierte.

Zum ersten Mal trat Douglas Fox im Zusammenhang mit Amnesty im Jahr 2008 in Erscheinung. Dem Online-Magazin News Letter bestätigte der Lobbyist, dass er „seine Unterstützer aufgefordert hat, Amnesty beizutreten und die Gruppe von innen heraus zu bearbeiten“. Die „Violence Against Women Campaign Group“ sei die „Schlüsselposition“, von der aus man die Legalisierungs-Politik durchsetzen könne. „Amnesty auf unsere Seite zu kriegen, wird unserem Ziel einen riesigen Schub geben. Wir müssen sie gnadenlos bearbeiten und auf unsere Seite kriegen.“ Es sollte immerhin einige Jahre dauern, bis der Lobbyist der Sexindustrie sein Ziel erreichen würde.

Im Januar 2014 gelangte ein Amnesty-Dokument an die Öffentlichkeit, das eigentlich unter Verschluss hätte bleiben sollen. Es war ein Entwurf der neuen „Policy“ der Menschenrechtsorganisation zur „Sexarbeit“. Die lautete wie folgt: „Amnesty International wendet sich gegen die Kriminalisierung oder Bestrafung von Aktivitäten, die mit dem Kauf oder Verkauf von einvernehmlichem Sex zusammenhängen.“

Entkriminalisiert werden sollten nicht nur die Prostituierten, sondern auch „diejenigen, die für die Prostitution rekrutieren oder sie arrangieren“, sprich Frauenhändler und Zuhälter. Denn: Sie „vereinfachen Sexarbeit, indem sie Informationen oder Assistenz bereitstellen“. Vom Elend der Frauen in der Armutsprostitution war in dem Dokument wenig die Rede, dafür aber viel von den Rechten der Freier: „Sexuelles Verlangen und sexuelle Aktivität sind ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Diejenigen zu kriminalisieren, die nicht willens oder in der Lage sind, sich dieses Bedürfnis auf traditionellerem Weg zu erfüllen, ist eine Verletzung ihres Rechts auf Privatheit und unterminiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Gesundheit.“ 

Prostitution: Recht auf "freie Entfaltung der Persönlichkeit"

Dass Amnesty die skandalöse neue Policy offenbar von Douglas Fox und seinen FreundInnen der Pro-Prostitutions-Lobby in den Block diktiert worden war, schockierte auch so manche Frau bei Amnesty. Eine von ihnen wandte sich an die britische und für ihre kritischen Reportagen aus dem Rotlicht-Milieu bekannte Guardian-Journalistin Julie Bindel. „Die Whistleblowerin berichtete mir, dass sie und andere Frauen in der Organisation es nicht schafften, die Männer davon zu überzeugen, dass die Entkriminalisierung den Frauen in der Prostitution mehr schaden als helfen würde“, berichtet Bindel.

Offenbar schreckte Amnesty auch vor Manipulationen nicht zurück: In dem Policy-Dokument wurde Neuseeland, das 2003 sein Prostitutionsgesetz liberalisiert und Bordelle legalisiert hatte, als „Paradies der gleichberechtigten Prostitution“ präsentiert, doch Neuseelands „eigenem Regierungsbericht zufolge ist das nicht ganz die wahre Geschichte“, so Bindel. In diesem Bericht räumten Polizisten ein, dass das organisierte Verbrechen die Bordelle „infiltriert“ hatte und „nur lückenhaft“ bekämpft werden könne.

„Wie kommt es“, fragt Julie Bindel jetzt, „dass Amnesty, Kämpfer für die Unterdrückten, das nicht sehen wollte?“ Die Journalistin veröffentlichte im Januar 2014 die Policy. Daraufhin brach ein Proteststurm los. Frauenorganisationen und Ex-Prostituierten-Organisationen wie SPACE oder die Sex Trafficking Survivors United „protestierten auf Schärfste“.

Keine einzige Survivor-Initiative wurde angehört

Amnesty reagierte darauf mit der Ankündigung, man werde vor der Verabschiedung der Policy im Sommer 2015 die „interessierten Parteien“ anhören. Doch, so Bindel: „In Wahrheit stand das Ergebnis schon vorher fest.“ Denn: „Diese Anhörung wurde von einer Akademikerin geleitet, die eine bekannte Anhängerin der Entkriminalisierung war. So wurde keine einzige Survivor-Initiative (ausgestiegene Prostituierte, die für die Abschaffung der Prostitution kämpfen, Anm. der Red.) angehört oder irgendeine andere abolitionistische Organisation, die der Sexindustrie kritisch gegenübersteht“.

Und so stimmte die Delegiertenversammlung in Dublin für die „Entkriminalisierung der Sexarbeit“. Der verabschiedete 13-Punkte-Plan ist nun die Grundlage für die verbindliche Prostitutions-Policy, die das General-Sekretariat in den nächsten Monaten erarbeiten wird.

Übrigens: Amnesty bestreitet, dass der Prostitutions-Lobbyist Douglas Fox „irgendeinen Input auf Amnestys Policy zum Schutz der Menschenrechte von SexarbeiterInnen“ gehabt habe. Doch dem Online-Magazin News Letter bestätigte Fox gerade erneut: „Ich bin stolz, dass ich die Resolution für die Entkriminalisierung auf den Weg gebracht habe.“

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