Alice Schwarzer schreibt

Ulrike Rosenbach: Scharf geschossen

"Art is a criminal Action III" aus dem Jahr 1969. - ZKM © Ulrike Rosenbach, VG Bild-Kunst Bonn, Foto: Mareike Tocha
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Sie stand plötzlich vor mir. „Ich heiße Ulrike Rosenbach“, sagte sie. „Ich bin Künstlerin.“ Und: „Ich würde gerne bei EMMA mitmachen.“ Was sie dann auch tat.

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Mehrere EMMA-Cover und Artikelgestaltungen plus Texte realisierte Ulrike Rosenbach in den 1970er Jahren für EMMA. Für die Meisterschülerin von Joseph Beuys Ende der 60er Jahre und Weggefährtin der amerikanischen Avantgardekünstlerinnen Anfang der 70er war es eine Selbstverständlichkeit, ihre Kunst nicht für den Kunstmarkt oder Museen zu machen, sondern für die Menschen. Und das bedeutete in den 70er Jahren: für die Frauen!

Ulrike Rosenbach in ihrem Atelier.
Ulrike Rosenbach in ihrem Atelier.

Viele Künstlerinnen griffen zu den damals aufkommenden Videokameras und arbeiteten in Performances mit ihrem durch den Feminismus befreiten eigenen Körper: Die Avantgarde in der Videokunst war weiblich (und wurde wenig später weitgehend von Männern verdrängt).

Künstlerinnen wie Ulrike setzten sich damit zwischen zwei Stühle: Unter den Aktivistinnen der Frauenbewegung interessierten sich damals nur wenige für die Avantgardekunst – und in der männlich dominierten Kunstavantgarde interessierte man sich für Frauen vorwiegend als Objekt oder Muse, kaum jedoch als Künstlerin.

"Meine Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit meiner Identität als Frau"

Doch Ulrike ließ sich nicht entmutigen. 1975 erregte eine ihrer Performances erstmals internationales Aufsehen: die Video-Aktion „Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin“. Dabei schoss sie mit Pfeil und Bogen 15 mal auf das Gesicht einer Madonna, das sie mit ihrem eigenen Porträt überblendete.

Die Künstlerin dekonstruierte so das auch in ihr steckende Klischeebild von der Frau. „Meine Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit meiner Identität als Frau“, erklärte sie später. „Dazu gehört die Auseinandersetzung mit dem Bild der Frau als Mutter oder Hausfrau, als Prostituierte oder Heilige, als Jungfrau oder Amazone.“ Und sie machte klar: „Ich will etwas für die Frauen und ihre Lebensverhältnisse tun.“

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Als Rosenbach 1975 aus Los Angeles und New York, wo sie den Aufbruch der Künstlerinnen miterlebt und -gestaltet hatte, nach Deutschland kam, gründete sie 1976 in Köln eine „Schule für kreativen Feminismus“. Bei der konnten Künstlerinnen ebenso mitmachen wie interessierte Laiinnen. Sie betrieb diese „Schule“ zu einer Zeit, in der der „Feminismus“ alles andere als salonfähig war, bis 1982.

Ihre zentralen Themen waren (auch als Alleinerziehende einer Tochter) Mutterschaft und (Sexual)Gewalt. Und es war selbstverständlich für sie, 1978 eine von zehn Klägerinnen in dem damals spektakulären und von mir initiierten „Stern-Prozess“ gegen Pornografie zu sein.

Gleichzeitig schaffte Rosenbach es, sich in der Kunstwelt durchzusetzen. Trotzalledem. So war sie 1977 auf der documenta 6 und 1987 auf der documenta 8 vertreten. Ab den 1980er Jahren setzt sie sich intensiv und magisch mit der Beziehung von Frauen und Natur auseinander. Von 1983 bis 1993 war sie Professorin an der Hochschule für Bildende Künste Saar, zuletzt als Rektorin.

Seit einigen Jahren gibt es in der Kunstwelt eine Renaissance der Kunstpionierinnen der 70er Jahre, die alle Feministinnen waren. Das gilt auch für die heute wieder bei Köln lebende Ulrike Rosenbach. Es erschienen mehrere internationale Kataloge über die weibliche Avantgarde, in denen sie einen zentralen Platz einnimmt.

Jetzt würdigt das „Zentrum für Kunst und Medien“ (ZKM) in Karlsruhe das Werk von Ulrike Rosenbach in einer Gesamtschau, Titel: „Heute ist morgen“. Das ZKM zeigt zu ihrem 80. Geburtstag über 120 Werke: Videos, Objekte, Fotografien und Zeichnungen auf einer 1.500 qm umfassenden Ausstellung. Herzlichen Glückwunsch, Ulrike, zu dieser dir endlich gerecht werdenden Präsentation!

Ulrike Rosenbach 2022 bei der Veranstaltung "Künstlerinnen in Köln - Köln, die Stadt der Frauen" des feministischen Archiv- und Dokumentationszentrums FrauenMediaTurm:

„Ich war in vielen Gestalten / bevor ich die passende Form fand. / Ich war das Binsenkraut / ich war die schwarze Wand / der dunkle Rauch war ich / ich kreuzte durch die Sterne / ich floh den Berg hinab ins Moor / ich saß auf einem Baum / ich lief dem weißen Nebel nach / ich war der weiße Nebel / ich war das Opfer auf dem Berg / die Priesterin war ich / ich war der Stein der rollte / ich war die schwarze Nacht / ich war der Lichtring / der sich schließt / ich rührte die Körner im Tal / ich war der Mann / der die Wüste durchquerte / ich war es die die Eier stahl / ich hatte Angst vor dem Krokodil / ich war der weiße Wal / ich ging die gläserne Treppe hinab / ich drehte mich im Kreis / Das alte Mütterchen war ich / ich wohnte dem Ereignis bei / ich sah die geheiligte Straße / ich war der Krieger im Busch …“ - Text zur Aktion/Performance „Bilder des Heiligen in der Kunst“, 1986.

TERMINE
Ausstellung im ZKM bis 7. Januar 2024: „Heute ist morgen“. +++ Ausstellung in der Galerie Gisela Clement in Bonn bis 31. Oktober 2023: „Durch die Zeiten zwischen Körper und Geist“. +++ Katalog: „Ulrike Rosenbach. Witnesses“ (Verlag Walther und Franz König)

Filmporträt von Ulrike Rosenbach im Rahmen des Projektes „Feministische Pionierinnen“ im FrauenMediaTurm (FMT):

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