Mitleid mit den Vätern!

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Meine Güte, denke ich, hat er jetzt schon wieder die dunkelblauen Socken zur weißen Wäsche geworfen. Hat die Waschmaschine auf 70 Grad gestellt, Vorwäsche inklusive. Herausgekommen sind hellblau gefärbte Spitzenslips. Er lernt es einfach nicht. Er, das ist der Vater meiner Kinder, mein Ehemann. Einer wie Hunderttausende anderer Männer, die sich redlich mühen, es Frauen Recht zu machen - und trotzdem immer wieder grandios scheitern, und sei es nur an der Wäsche.

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Der Mann ist - für uns gefühlvolle und vielschichtige Frauen - letztlich nur ein schlichtes Wesen. Von Hormonen getrieben, lebt er in den Tag hinein. Schlürft morgens seinen Kaffee, geht ins Büro, legt abends die Füße auf die Couch und schaut Sportschau. Ist stark und schleppt die Wasserkästen in den dritten Stock. Repariert den Wasserhahn und wechselt Reifen, versteht aber nichts von großen Gefühlen. Und, seien wir mal ehrlich, irgendwie mögen wir ihn auch so, den Macho-Mann. Wenn er sich, wie Doris Dörries "Männer"-Held, für uns zum Affen macht und sich prügelt, wenn einer es wagt, ihm die Frau auszuspannen.

Einerseits. Doch wehe, dieser Mann wird Vater. Dann soll er plötzlich seine weiche, seine emotionale Seite herauskehren. Soll mit in den Geburtsvorbereitungskurs und in seinen Bauch hineinhorchen. Soll im Kreißsaal die Nabelschnur durchtrennen und dabei vor Glück weinen. Und selbstverständlich soll er seinem Chef beibringen, dass er jetzt für mindestens ein halbes Jahr daheim bleiben wird, um Windeln zu wechseln. Obwohl wir Frauen das ja eigentlich viel besser können.

Männer haben, schon klar, Frauen jahrtausendelang unterdrückt. Wer sollte da mit den Kerlen Mitleid haben? Und doch, wir muten ihnen viel zu, manchmal zu viel. Spätestens die Arbeitsteilung der Industriegesellschaft hat sie gezwungen, zum Geldverdienen die Familie zu verlassen und ins feindliche Leben hinauszuziehen. Sie durften nur noch die Feierabend-Väter sein, die müde nach Hause kamen. Kinderkriegen und Erziehung war Frauensache, und die Mutterschaftsideologie fanden viele gar nicht so abwegig, auch Frauen nicht.

Selbst heute spielen Mütter nur allzu gerne die Geschlechterkarte aus. Neun Monate haben wir die Kinder im Bauch getragen, da werden wir wohl wissen, was am besten für sie ist. Mit unserer weiblichen Intuition hören wir schon beim ersten Wimmerton, was Lea oder Lukas fehlt. Mit möglichst ausgedehnten Still-Ritualen schirmen wir unser kleines Mutterglück ab, die Väter bleiben außen vor. Wir entscheiden über Alete oder Hipp, über den Zeitpunkt des Zubettgehens, über Reiswaffel statt Brezel am Spielplatz, über Mütze oder Sonnenhut, über die richtige Windelmarke. Super-Mom weiß alles, kann alles, versteht alles. Und sie ist bedingungslos Mutter. Das Kind mit sechs Monaten in die Krippe schicken? Gott bewahre, das könnte seelische Schäden verursachen. Sie bleibt daheim und gibt den gut bezahlten Job zugunsten einer Teilzeitstelle auf.

Das mag eine emanzipierte Auslegung der Mutterschaft sein, aber ideologisch gefärbt bleibt sie dennoch. Mütter - die neuen Helden der Gesellschaft. Die Klagen darüber, dass sie Mann und Nachwuchs zuliebe die Karriere geopfert haben, kommen später, aber sie kommen umso heftiger.

Die Männer derweil wissen nicht, wo sie sich einsortieren sollen. Die Macho-Kategorie hat ausgedient, der Softi ist auch längst nicht mehr gefragt. Sie verlangt, dass er früher heimkommt, die Kollegen halten ihn deshalb für einen Schwächling. Der Chef legt Wert auf Überstunden am Abend, sie wirft ihm vor, dass er sich nicht um die Kinder kümmert. Männer schwanken, ob sie männlich oder väterlich sein sollen. Sie suchen noch ihre neue Rolle, während Frauen fast ein halbes Jahrhundert Zeit hatten, ihre zu reflektieren und neu zu justieren.

Zaghaft machen Männer Schritte in einer neuen Welt, die nach echten Vätern verlangt. Immerhin, 40.000 haben im Laufe des Jahres 2007 Antrag auf Elterngeld gestellt. Zu wenige, werden manche jetzt sagen, nur ein Zehntel aller Anträge kommt von Männern. Es stimmt, dass viele Männer sich viel zu wenig um ihre Kinder kümmern. Doch Frauen machen es ihnen auch oft nicht leicht. Warmherzige Väter sollen sie sein, die ihre Kinder exakt so behandeln, wie die Mütter es tun würden. Starke Beschützer sollen sie sein, aber keine Machos. Viel Geld sollen sie verdienen, aber trotzdem Zeit für die Familie haben. Und zu allem Überfluss auch noch perfekte Hausmänner sein, die Pril von Meister Proper unterscheiden können.

Wenn Frauen hin und wieder ihren Mütterglorienschein ablegten, könnten Männer entspannter Väter sein. Wenn sie sich eingestünden, dass die Mutterschaft sie nicht zu besseren Menschen macht. Wenn sie ihre Kinder auch mal los ließen und sie ohne gute Ratschläge und Vorschriften den Vätern anvertrauten. Und, ganz nebenbei, die blau gefärbte Unterwäsche klaglos zur Kenntnis nähmen.

Jeanne Rubner ist außenpolitische Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung und Mutter von vier Kindern. Sie veröffentlichte u.a. "Was Männer und Frauen so im Kopf haben" und "Bilden statt Pauken".

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