"Bumstest: Absolut abspritzwürdig"

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Das neue Billig-Schnäppchen mit "Tiefpreis-Garantie" war nicht zu übersehen. Die BürgerInnen von Fellbach bei Stuttgart konnten es in Zeitungs-Inseraten oder auf Plakaten und Lieferwagen lesen, und wer es da immer noch übersah, dem drückte eine leicht bekleidete Dame beim Einkaufsbummel einen Flyer in die Hand. Darauf stand: "Der Pussy-Club hat das Schwabenland erreicht!" Das Geile am Pussy-Club mit seinen 100 Frauen: die "Sex-Flatrate". "Sex mit allen Frauen so lange du willst, so oft du willst und wie du willst! Sex, Analsex, Oralsex natur (also ohne Kondom, Anm.d.Red.), 3er, Gruppensex, Gangbang … Alles ist möglich!" Pauschalpreis: 70 Euro, abends 100 Euro. "Stiftung Bumstest: Absolut abspritzwürdig".

Das Angebot schlug ein wie eine Bombe. Als der Pussy-Club am 5. Juni 2009 eröffnete, standen die Herren – die für ihre Flatrate übrigens nicht nur Frauen, sondern auch Alkohol bis zum Abwinken konsumieren dürfen – Schlange. 1.700 Freier waren es laut Polizei allein am ersten Wochenende. 1.700 Freier, die es, sagen wir, im Schnitt mit drei Frauen machen, macht bei 100 Frauen: 51 Freier pro Wochenende pro Frau.

Bevor das rot-grüne Prostitutionsgesetz 2002 den Frauenkauf in Deutschland juristisch uneingeschränkt legalisierte, hätte sich der Pussy-Club allein schon mit einer solchen Werbeaktion strafbar gemacht. Diese Zeiten sind vorbei. Prostitution ist schließlich nicht mehr "sittenwidrig". Und so nützte es auch nichts, dass die Stuttgarter Nachrichten schon vor Eröffnung des Fellbacher Pussy-Clubs von "Hintermännern aus Bulgarien" berichteten, die die Flatrate-Frauen "angeblich in großen Gruppen vor allem in den Siedlungsbereichen der Roma in Bulgarien oder Rumänien anwerben". Polizei und Stadt erklärten sich machtlos: "Wir sehen das Konzept skeptisch, können aber nach Lage der Dinge und der Gesetze zurzeit nichts unternehmen".

Das wollten die BürgerInnen in Fellbach und anderswo jedoch nicht einfach so hinnehmen, zumal bereits drei weitere Pussy-Clubs in Heidelberg, Wuppertal und Berlin Frauen als endlos verfügbare Billigware anpriesen. Ein Sturm der Empörung brach los. Ihm ist es zu verdanken, dass zumindest die beiden Flatrate-Bordelle in Baden-Württemberg geschlossen wurden, wenn auch nur vorübergehend.

Zunächst ging das Fellbacher "Aktionsbündnis gegen Sex-Flatrate" auf die Barrikaden. "Wenn es demnächst Rabattschlachten zwischen Sexdiscountern gibt wie bei Aldi und Lidl – spätestens dann ist die Tür zum Menschenhandel geöffnet", erklärte Initiatorin Beate Pollert-Ebinger. Stadträtinnen und die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros schlossen sich dem Protest ebenso an wie Terre des Femmes und Solwodi, deren Gründerin Lea Ackermann erklärte: Die Flatrate-Tarife seien eine "zu erwartende Folge des Prostitutionsgesetzes".

In der Zeit beklagte sich indessen eine Autorin einerseits, dass der "Postfeminismus" sich so gar nicht zum Thema Flatrate zu Wort melde, doch befürchtete andererseits, eine Meinung zum Problem bleibe "also doch wieder dem Kölner Dino Alice Schwarzer und ihren Talkshow-Auftritten überlassen". Gleichzeitig scheint der liberalen Zeit die Entwicklung nur logisch: "Die Flatrate-Idee entreißt der Prostitution den letzten Rest an Plüsch und Rotlicht-Zauber. Dies ist die härtere, aber wohl auch konsequentere Position."

Weniger um Konsequenz in der Konsumgesellschaft und eher um die Menschenwürde geht es den BürgerInnen von Fellbach, die in einem Offenen Brief die Bundeskanzlerin aufforderten, zu handeln: "Der Artikel 1 des Grundgesetzes 'Die Würde des Menschen ist unantastbar' gilt für Männer und Frauen gleichermaßen!"

Während eine Antwort aus Berlin bisher ausblieb, kam in Baden-Württemberg Bewegung in die Sache. Die frauenpolitischen Sprecherinnen aller vier Landtags-Fraktionen taten sich zusammen und forderten, "dass alle Möglichkeiten überprüft und ausgeschöpft werden, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten". Innenminister Herbert Rech und Justizminister Ulrich Goll pflichteten bei. So überprüfte also der Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner, für den das Flatrate-Bordell "menschenverachtend" ist, seine Möglichkeiten – und schloss das Etablissement kurzerhand. Als Begründung musste eine rechtliche Krücke herhalten. Weil der Pussy-Club auch eine "Wellness-Oase", ein Pornokino und andere Zusatzleistungen anbietet, handle es sich um eine "Vergnügungsstätte", die laut Bebauungsplan in dem fraglichen Gewerbegebiet nicht zulässig ist.

Auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft und die Stadt Fellbach schossen jetzt aus allen gesetzlichen Rohren. Am 26. Juli rückte sie mit 700 PolizistInnen zur Durchsuchung in allen Pussy-Clubs an. Die Vorwürfe: Schwarzarbeit, Scheinselbstständigkeit und Steuerhinterziehung in Höhe von rund einer Million Euro – sowie mangelnde Hygiene. Am Sonntagabend war auch der Fellbacher Pussy-Club dicht. Feierabend hatten die rumänischen Prostituierten aber offenbar trotzdem noch lange nicht. Sie seien nach der Razzia mit Taxis abgeholt worden, berichtet die zuständige Kripo Waiblingen. "Die sind von woanders angefordert worden." Die Staatsanwaltschaft fahndet nun nach den "Hintermännern", deren Existenz die 25-jährige offizielle "Geschäftsführerin" Patricia Floreiu vehement bestreitet. Die sitzt nun in Untersuchungshaft. Prompt ist von "neuen Betreibern" die Rede.

Lob für ihren beherzten Versuch, dem menschenverachtenden Treiben der Flatrate-Bordelle Einhalt zu gebieten, ernteten die Schwaben nicht. Im Gegenteil: SZ-Kommentator Bernd Dörries spottete über die "staatliche Verbieteritis" der Schwaben. Im Norden habe sich schließlich "kaum jemand an den Flatrate-Bordellen gestört".

In der Tat blieben die Pussy-Clubs in Berlin-Schönefeld und Wuppertal bisher unbehelligt. Seit der Eröffnung im Februar 2009 habe man den Club "engmaschig kontrolliert", erklärt die Pressesprecherin der Stadt Wuppertal, Martina Eckermann. Aber weder Gewerbeaufsicht noch das Bauamt hätten eine Handhabe für eine Schließung gefunden. "Wir als Verwaltung können uns nur ganz strikt an die gesetzlichen Vorgaben halten."

Diese Vorgaben sind – seit der fatalen Reform von 2002, die nicht, wie stets behauptet, die Prostituierten schützt, sondern vor allem den Zuhältern und Menschenhändlern genutzt hat – völlig desolat, wie der Fall Flatrate nur noch einmal mehr zeigt. Aber nicht nur der. Seit dem 1. Januar 2002 sind zum Beispiel so genannte "Modelwohnungen" in Wohnhäusern erlaubt, fährt das örtliche Großbordell beim städtischen Karnevalsumzug mit, werben Hochglanzbroschüren Investoren für das "krisensichere Rotlichtmilieu". Im Ausland wundert man sich schon lange über diesen deutschen Sonderweg – unser Land ist seither zur Hauptdrehscheibe für den europäischen Menschenhandel geworden. Deshalb wird die Forderung nach einer Reform des Prostitutionsgesetzes lauter.

Diese hatte Ministerin Ursula von der Leyen bereits im Januar 2007 angekündigt, nachdem das Frauenministerium eine erste Bilanz des Prostitutionsgesetzes vorgelegt hatte. Passiert ist seither nichts. Weder ist die Zahl der so existienziellen Ausstiegsprojekte für Prostituierte gestiegen, von denen es laut Bilanz "bedrückend wenige" gibt. Noch ist die "Förderung der Prostitution" wieder unter Strafe gestellt worden bzw. hat man andere Möglichkeiten geschaffen, um den Behörden jederzeit Zugang zu den Bordellen zu verschaffen.

Denn nur durch regelmäßige Kontrollen können Zuhälterei und Menschenhandel aufgedeckt werden. Seit 2002 aber brauchen Polizei und Staatsanwaltschaft einen "begründeten Anfangsverdacht", um in die Bordelle zu gehen. Und der ist, so beklagen die Behörden, nicht immer einfach herzustellen. Jetzt machen auch die Innenminister Druck. Auf der Innenministerkonferenz am 5. Juni 2009 befassten sich die Minister eingehend mit den "Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes auf die Bekämpfung des Menschenhandels". Und die sind alarmierend. Im Gespräch ist nun eine Änderung des Gewerberechts: Würde das Gewerbe als "überwachungsbedürftig" eingestuft – wie es für jede Spielhalle heutzutage bereits der Fall ist – wären Kontrollen jederzeit möglich.

Auch das Gesetz zur Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten ist immer noch nicht verabschiedet. Dabei hatten sich SPD und CDU/CSU dieses Gesetz bereits anno 2005 in den Koalitionsvertrag geschrieben, und Ministerin von der Leyen hatte es im Januar 2007 noch einmal angekündigt. Doch die Verhandlungen im Rechtsausschuss erwiesen sich als zäh. Zunächst kämpften die Konservativen um einen eigenen Straftatbestand, "auch der Symbolik wegen" – die Sozialdemokraten fanden das überflüssig. Die Konservativen wollten, dass ein Freier auch dann bestraft wird, wenn er "fahrlässig" handelt (wie Michel Friedman, der sich bei einem "Borys" seine "naturgeilen Ukrainerinnen" per Handy bestellte), die Sozialdemokraten lehnten das ab.

Als schließlich nach knapp vier Jahren Verhandlung zwischen CDU/CSU und SPD im Mai 2009 endlich ein gemeinsamer und inzwischen arg zahnloser Entwurf auf dem Tisch lag, verkündete der rechtspolitische Sprecher der SPD am Ende der Sitzung überraschend neue Bedenken. Nicht nur direkt vom Menschenhandel betroffene Frauen müssten ein Aufenthaltsrecht bekommen, sondern auch Zeuginnen. Ein zweifellos sinnvolles Anliegen – das aber längst hätte vorgebracht werden können. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Forderung nur noch einen Effekt: Sie verhinderte das Gesetz ein weiteres Mal.

"Das war vom Timing her darauf angelegt, dass der Entwurf in dieser Legislaturperiode nicht mehr durchkommt", heißt es aus dem Büro der CDU-Abgeordneten Ute Granold, einer der Initiatorinnen des Freier-Gesetzes. Was gelungen ist. Wir dürfen gespannt sein, was die nächste Legislaturperiode in Sachen Prostitution bringt.

PS: Neueste Nachricht: Der Heidelberger Pussy-Club hat seine Pforten wieder geöffnet. Das Verwaltungsgericht gab der Eil-Klage von "Geschäftsführerin" Floreiu statt, die gefordert hatte, den Bordellbetrieb ohne die zusätzlichen "Vergnügungsangebote" wie Wellness und Kino aufrechterhalten zu dürfen. Das Gericht bestätigte, dass eine "bordellartige Nutzung" des Gebäudes in dem Gewerbegebiet gestattet sei. Die Flatrate hat der Pussy-Club aus dem Programm gestrichen. Das neue Angebot: "20 Minuten Sex – nur 25 Euro." Der Fellbacher Pussy-Club wird ebenfalls bald wieder Rumäninnen anbieten. Nach Auskunft der Stuttgarter Staatsanwaltschaft müsse dort ja "nur mal ordentlich geputzt werden".

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