Die Feldbuschisierung: Was ziehst du an?
In den Tagen davor fragen mich alle nur eines: Was ziehst du an? In der Tat. Was ich zu sagen habe, ist klar. Aber: Was ziehe ich an? Ziehe ich mich an wie für eine Verabredung – oder wie für einen Termin? Will ich gefallen oder überzeugen? Vielleicht beides? Ich packe durchsichtiges Gefallen und sachliches Überzeugen in die Reisetasche – und entschließe mich eine Stunde vor Beginn der Sendung fürs Sachliche. Also ein Outfit, das nicht ablenkt.
Eine halbe Stunde vor Beginn der Aufzeichnung komme ich in der Maske an. Die Kosmetikerin steht schon auf glühenden Kohlen: „Na, dann wollen wir mal anfangen, Frau Schwarzer. Verona Feldbusch ist schließlich schon seit vier Stunden hier.“ Seit vier Stunden? Um Gottes Willen, was hat sie denn nur die ganze Zeit gemacht? Zu sehen ist sie auf jeden Fall nicht.
Kurz vor Beginn der Aufzeichnung gehe ich zur Toilette im ersten Stock. Da steht sie auf dem Flur, umringt von ein paar Herren im Anzug. Ich lächle, sage so etwas wie: Ach, da sind Sie ja Frau Feldbusch – und reiche ihr im Vorbeigehen die Hand. Eher unterbewusst registriere ich, dass mich alle entgeistert anstarren und sie mir nur zögerlich die Hand gibt. Als ich sehr kurz darauf wieder aus der Toilette komme, ist die ganze Gruppe verschwunden. Spurlos. Als sei es ein Spuk gewesen.
Ich unterdrücke mein Unbehagen und folge der Lotsin zum Eingang des Studios. Schnell, schnell, Frau Schwarzer, die Sendung fängt gleich an! Und tatsächlich, Verona Feldbusch steht auch schon vor der noch geschlossenen Schwingtüre zum Studio. Aber sie ist nicht allein. Neben ihr steht ihr Manager Alain Midzic, ein Ex-Fußball-Manager und ihr Ex-Lebensgefährte. Als sie mich sieht, dreht sie sich so, dass sie mir den Rücken zuwendet. Ihr Manager beugt sich vor und flüstert ihr ins Ohr. Während er flüstert, starrt er mich an. Beide stehen etwa einen Meter von mir entfernt. Mein nur mühsam unterdrücktes Unbehagen steigt.
Wie bin ich eigentlich hierher geraten?
Vor etwa zwei Jahren ging es los. Damals fragte quasi täglich eine Redaktion bei mir an: Wollen Sie nicht Frau Feldbusch für uns interviewen? Wollen Sie nicht ein Streitgespräch mit Verona für uns machen? Wollen Sie nicht über das Phänomen Feldbusch für uns schreiben? Ich lehnte dankend ab. Keine Zeit.
Hinzu kam: Ich hatte einfach so gar keine Meinung zu Verona Feldbusch. Ich hatte sie nämlich noch nie im Fernsehen gesehen und interessierte mich ehrlich gesagt nicht sonderlich für sie. Einmal, abends beim Zappen, geriet ich in „Peep“. Die Stimme. Das Geplapper. Das Gestöckel. Kannte ich das nicht schon aus den 50ern – nur in sexy? Ich zappte nach zwei Minuten weiter.
Die Monate vergingen, Verona Feldbusch blieb Thema. Nicht nur bei den Trash-Fans, sondern auch in meinen aufgeklärten Kreisen, wo angeblich weder Bild gelesen, noch RTL geguckt wird.
Ich begann zu ahnen: Die Sache ist ernst. Als ich dann im letzten Jahr den „Großen Unterschied“, meine politische Bestandsaufnahme, schrieb, stieg ich nicht zufällig mit dem Phänomen Barbie ein, und ein paar Seiten später erwähnte ich ebenfalls nicht zufällig das Phänomen Feldbusch – beide übrigens auch Produkte der Bild-Zeitung.
Die durch die ganze Welt stöckelnde Barbie ist die dreidimensionale Gestalt gewordene lustige Lilly aus der Bild der 50er Jahre. Nach ihr, der deutschen Comic-Figur mit dem blonden Pferdeschwanz, formte der amerikanische Barbie-Produzent seine Puppe. Grausame Kontinuität. Die durch Deutschland stöckelnde Verona ist ebenfalls eine Gestalt gewordene Lilly. Und beide sind Kunstprodukte aus Plastik bzw. Silikon.
Es war dann bei einer Lesung des „Großen Unterschied“, wo ich den tags drauf viel zitierten Satz gesagt habe: „Das Phänomen Feldbusch ist eine Ohrfeige für alle Frauen.“ Und: „Wie dumm sind die Männer eigentlich, dass sie auf sowas reinfallen?“ (So dumm auch wieder nicht, wie auch die Briefe beweisen). Jetzt stand also die Kontroverse im Raum: Schwarzer gegen Feldbusch.
Kerner rief an. Ich schrieb ein zweites Mal Verona Feldbusch. Wieder erhielt ich keine Antwort – in der Branche wird vermutlich erst ab siebenstelligen Anfragen geantwortet.
Inzwischen war mir klar, dass das Phänomen Feldbusch – also die Frau, die das kindische, doofe, verfügbare Weibchen mimt – längst kein Einzelphänomen mehr ist, sondern eine Epidemie. Infiziert werden die Opfer von Werbung und Medien, Einmal angesteckt, verfallen sie dem Wahn, kolossal begehrt und wichtig zu sein.
Wo bin ich nur gelandet?
Ich gehe also in die Kerner-Sendung. Aber nur unter der Bedingung: kein Hennenkampf! Wenn es auf Weiberzank rausläuft, verlasse ich das Studio, warne ich Kerner. Im letzten Augenblick wird die Sendung um zwei Wochen verschoben. Verona Feldbusch sei krank, heißt es. Doch es dringt durch die Branchen-Ritzen: Sie wird gecoacht. Nicht nur vom Management, auch vom Bild-Chef persönlich, heißt es. Und der ist dann tatsächlich am Abend der Sendung auch persönlich im Studio.
Die Flügeltür fliegt auf, wir betreten das Studio. Vor laufender Kamera. Doch erst müssen wir eine Treppe runter, auf der man nicht nebeneinander gehen kann. Nein, um den Vortritt mag ich mich nun wirklich nicht mit ihr streiten. Ich mache höflich eine Handbewegung – und sie stöckelt los. Unter dem Gejohle des Publikums. Ganz schön naiv von mir, nicht bedacht zu haben, dass im Publikum eine gezielt plazierte Feldbusch-Clique sitzt, die in der kommenden Stunde den Ton angeben wird.
Als die Stunde vorbei ist, ist es auch für mich vorbei. Diese blecherne Stimme. Diese absolute Hemmungslosigkeit. Diese Eiseskälte. In meinem an Turbulenzen und Angriffen nicht gerade armen Leben habe ich so etwas tatsächlich noch nie erlebt: In 60 Minuten nicht ein einziger Blick der Wahrnehmung oder des Verstehenwollens, nur Ablehnung und Feindschaft. Wie ein Roboter.
Warum ich trotzdem geblieben bin? Weil der Eklat meines Abgangs missverständlich gewesen wäre. Und auch, weil ich wie gelähmt war von ihr: Sie schockierte und erbarmte mich zugleich. Diese Frau, das habe ich begriffen, ist für ihren Vorteil zu allem bereit. Einfach zu allem.
Nach der Sendung gehe ich essen und schaue mir vier Stunden später zusammen mit Freunden die Sendung an – uns allen scheint Feldbusch schlicht indiskutabel. So sieht die Bild-Redakteurin das auch. Sie ruft am nächsten Morgen in der EMMA an und sagt: „Wir alle hier in der Bild-Redaktion finden, dass es ein klarer Sieg für Frau Schwarzer war – und sind sehr erstaunt über unsere Ted-Zahlen.“ Das sind wir auch. Woher die wohl kommen? Und: Warum schreibt Bild das nicht? Meine Verwunderung steigt, als die ganze Breitseite der Medien auf mich zurollt. Was für eine Kluft zwischen den Reaktionen der Medien und der der Menschen!
Was steckt da eigentlich dahinter?
In den Wochen nach der Sendung gibt es nur noch ein Thema für die Menschen, die mit mir zu tun haben: diese Sendung. Seit der Diskussion mit Esther Vilar oder dem Erscheinen vom „Kleinen Unterschied“ und EMMA – alles immerhin rund 25 Jahre her – habe ich nicht spontan solche Emotionen frei gesetzt. In der EMMA-Redaktion treffen schon am Morgen nach der Sendung über 200 Faxe und E-Mails ein, drei Wochen später sind es über 800 und täglich kommen neue. Die, die noch in derselben Nacht schreiben, konnten meist „vor Aufregung nicht schlafen“.
Auf der Straße reagiert etwa jedeR Zweite, der mir entgegenkommt; Frauen wie Männer, aber auffallend viele Männer. Die meisten sind übrigens im Feldbusch-Alter, bzw. jünger. Ganz offensichtlich haben die Menschen begriffen. Begriffen, dass es hier nicht nur um zwei Frauen geht, ja noch nicht einmal „nur“ um das Frauenbild (was genügen würde). Es geht schlicht um das Menschenbild in unserer medialen Welt: Marionette oder Mensch – das ist jetzt die Frage.
Natürlich ist Verona Feldbusch austauschbar. Ihre Demontage hat schon begonnen. In der Werbung ist sie vom noch lustigen Spinat-Blubb längst beim anzüglichen Was-Verona-in-die-Hand-nimmt-wird-groß angekommen. Und FocusOnline wusste am 13. August unter Vermischtes zu berichten, Verona habe sich zusammen mit einer Freundin im „Bordell einen netten Abend gemacht“. In dem Hamburger Puff „kennt sie sich offenbar gut aus“, schreibt das Magazin anzüglich und zitiert die „Societey-Queen“ mit dem gar nicht mehr so komischen und eher anzüglich klingenden Satz: „Vor allem der Whirl-Pool ist klasse. Darin habe ich Schwimmen gelernt.“
Auch das gehört eben dazu: Das Hypen und wieder Fallenlassen. Kein Mensch aus eigener Kraft, sondern ein Geschöpf seiner Macher. Aber wer sind diese Macher? Es sind die Manager, die an ihr verdienen; es sind die Werbeagenturen, die in das Produkt Feldbusch Millionen investiert haben; es sind die Medien, deren exhibitionistisches Futter für die Seite 1 sie ist.
„Vorsicht, sie haben es da mit mafiösen Strukturen zu tun“, warnt mich ein Werber, der sich auskennt. Und diese Mafiosi handeln nicht mit der Droge Heroin, sie handeln mit der Droge Prominenz. Nicht Prominenz aus eigener Kraft – die hätte ja einen eigenen Willen. Prominenz von ihrer Gnaden. Das gibt nicht nur den Machtrausch, es gibt auch reale Macht. Denn die einer solchen Kunstwelt hinterher hechelnden Massen werden dank des Verkaufs von Illusionen (statt Waren) eben noch manipulierbarer.
Will sagen: Das Phänomen Feldbusch geht keineswegs nur uns Frauen an.