Alice Schwarzer schreibt

Liebe Frau Schröder-Köpf!

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Als ich heute morgen in die Redaktion kam, lag Ihr Stern-Interview schon auf meinem Schreibtisch und die Tagespresse dazu. Die hatte sich, nicht zufällig, vor allem auf Ihre spitzen Kommentare zur Frauenbewegung und zu Alice Schwarzer gestürzt. Meine politischen Positionen, sagen Sie da, seien "nicht auf der Höhe der Zeit". Denn Frauen wie ich hätten "keine Rezepte für die Probleme, die die meisten Frauen heute bewegen". Ja, mehr noch: "Feministinnen ihres Schlages sind Müttern suspekt."

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Was immer Sie sich unter meinem "Schlag" vorstellen, ich jedenfalls habe das spontane Bedürfnis, Ihnen zu antworten. Denn ich finde, dass heutzutage eher ein Schulterschluss zwischen Frauen angesagt ist statt Weiberzank. Hinzu kommt, dass ich zu den vielen Frauen gehöre, die Ihren Mann gewählt haben - ohne Illusionen, aber doch in der Hoffnung, dass er und seine Regierung ein bisschen mehr für uns Frauen tun.

Ich spüre unter Ihren scharfen Worten eine Verletzung. Und ich verstehe das sogar. Zwar habe ich mich nie dazu hinreißen lassen, Ihr Privatleben oder das Ihres Mannes zu werten. Schließlich bin ich der altmodischen Auffassung, dass auch das Privatleben eines Politikers solange privat sein sollte, wie es sich nicht auf die Politik auswirkt. Aber ich habe in der Tat nach der Wahl in der von Ihnen zitierten Financial Times gesagt, wie sehr ich bedauere, dass Sie gerade jetzt Hausfrau geworden sind.

Damit hatte ich schlicht nicht gerechnet. Und der Kanzler vielleicht auch nicht. Denn als der Kandidat Sie kennenlernte, waren Sie Mutter und Karrierefrau. Und nicht nur ich habe mich gefreut auf eine neue Art von Rolemodel: auf eine moderne Ehe, in der beide ihren Beruf haben und dennoch füreinander da sind. So wie Blairs, wo er Premier ist und sie Anwältin, oder wie Jospins, wo er Premier ist und sie Philosophin, oder auch wie Strauß-Kahns, wo er Finanzminister ist und sie politische Journalistin - so wie Sie früher.

Ihr Mann ist so alt wie ich, das heißt, er war ein Weggefährte der von Ihnen so scharf kritisierten frühen Feministinnen. Sie aber gehören der Generation an, die von den Rechten, die die Frauenbewegung erkämpft hat, von Anfang an profitiert hat. Und das ist gut so.

Ihre achtjährige Tochter haben Sie bis zu Ihrer Eheschließung allein großgezogen, was sicherlich nicht immer einfach war. Die Redaktionen in Bonn oder München pflegen auf die Doppelbelastung einer Frau wenig Rücksicht zu nehmen. Dass es gerade für berufstätige Mütter inzwischen dennoch ein gewisses Verständnis - und hoffentlich auch bald mehr staatliche Unterstützung - gibt, das ist, wie Sie nur zu gut wissen, vor allem uns Frauen selbst zu verdanken.

Sie aber hauen in Ihrem ersten großen Interview als Kanzler-Gattin ausgerechnet den Feministinnen die abgedroschensten Klischees um die Ohren. Wir seien von gestern. Wir hätten was gegen Mütter. Und, größter Vorwurf, wir hätten "keine Rezepte".

Nun, einmal ganz davon abgesehen, dass ich alle, die den Menschen "Rezepte" verkaufen wollen, schlicht für Betrüger halte, bezweifle ich, dass Sie, Frau Schröder-Köpf, im Namen der "meisten Frauen" reden können. Denn die Mehrheit der jüngeren Frauen ist heute zwar in einer schwierigeren Situation als Sie - deren Mann ist, so sie einen haben bzw. wollen, weniger privilegiert und verdient schlechter - aber sie will dennoch beides: Familie und Beruf. Und genau dafür kämpfen Frauen "meines Schlages": Dass uns die Männer endlich die Hälfte des Hauses abnehmen - und uns Frauen die Hälfte der Welt offensteht.

Sie haben anders entschieden. Das ist, ganz persönlich, Ihr gutes Recht. Vielleicht waren Sie erschöpft von dem langen Kampf an der Karriere- und Mutterfront. Was verständlich wäre. Vielleicht war auch Ihr Mann ermattet von den Anstrengungen einer demonstrativ emanzipierten Ehe. Was ebenfalls verständlich wäre.

Aber ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrer Position als Frau an seiner Seite Vorbild sind, ob Sie wollen oder nicht. Darum werden Sie ja auch vom Stern interviewt. Und darum würde ich mir in der Tat von Ihrem Mann weniger zigarrendampfende Männerbündelei wünschen - und von Ihnen mehr selbstbewusste Frauenbündelei.

Ich bitte Sie, Frau Schröder-Köpf, machen Sie aus Ihrer sehr privaten Entscheidung jetzt kein politisches Programm für "die meisten Frauen". Denn das wäre wirklich von gestern - und würde so gar nicht passen zu dem Kanzler einer rotgrünen Regierung im Jahr 2000.

Es grüßt Sie schwesterlich,
Ihre
Alice Schwarzer

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