Es war eine kurze Abstimmung, eingequetscht am Ende von rund 30, streng getakteten Abstimmungen. Als ihr Part vorbei war, stand die strahlende Mary Honeyball, Initiatorin des Berichtes über sexuelle Ausbeutung und Prostitution, auf und umarmte ihre UnterstützerInnen. Mit klarer Mehrheit hatte das EU-Parlament soeben die von der Britin initiierte Resolution angenommen.
Im Kern der Resolution: Prostitution verletzt die Menschenwürde!
Der Sieg war nicht mühelos zustande gekommen. Es gab im Vorfeld harten Widerstand von VertreterInnen der „Sex-Industrie“ sowie, vor allem, von deutschen und holländischen PolitikerInnen. Im endgültigen Bericht stecken darum auch einige Kompromisse, im Vergleich zum ursprünglichen Text.
Dennoch ist am Ende der Kern der EU-Resolution intakt geblieben: Prostitution ist mit der Gleichstellung der Geschlechter nicht vereinbar; sie verletzt die Menschenwürde, auch bei den sogenannten freiwilligen sexuellen Dienstleistungen. Denn die Zusammenhänge zwischen Prostitution und Menschenhandel sind eindeutig. Und vor allem: Nicht die Prostituierten, sondern die Freier sind zu bestrafen!
Dazu haben 343 EU-Abgeordnete Ja gesagt, 139 Nein und 105 haben sich enthalten. Zu den 59 Prozent der Ja-Stimmen gehören in erster Linie die europäischen Sozialdemokraten und auch viele Christdemokraten. Zu den meisten Nein-Sagern zählen die Grünen und die Liberalen.
Das Ergebnis begeistert ProstitutionsgegnerInnen und BefürworterInnen des Nordischen Modells. Eine "klare Botschaft" erkennt Viviane Teitelbaum, die Präsidentin der Europäischen Frauenlobby, die schon 2006 die Kampagne „Für ein Europa ohne Prostitution“ gestartet hatte. Sie erklärte nun nach der Abstimmung: "Im 21. Jahrhundert sollen Gesellschaften vom System der Prostitution und der Gewalt gegen Frauen befreit werden."
Das gestrige europäische Votum sei, so die Belgierin Teitelbaum, "ein historischer Augenblick für all die Frauen, die immer noch in der Prostitution sind und für all diejenigen, die es waren und die diese Bewegung unterstützt haben. Wir möchten ihren Mut und ihre Kraft anerkennen!"
Dies ist auch ein gewaltiger Schritt in Richtung Menschlichkeit.
Es war ein klarer Sieg, denn die Mehrheit der Abgeordneten hat einen Alternativbericht abgelehnt, der unter anderem von der österreichischen Grünen Ulrike Lunacek initiiert wurde. Darin wurde die Idee vertreten, die sogenannte freiwillige Prostitution sei unproblematisch. "Damit haben die Mitglieder des Parlaments deutlich gemacht, dass es nicht möglich ist, das Phänomen der Prostitution und des Frauenhandels zu trennen", erklärte Pierrette Pape von der Europäischen Frauenlobby.
Nun ist die Hoffnung groß, dass von dem Signal der EU eine direkte Wirkung auf Deutschlands Prostitutionspolitik ausgeht. "Großartig!“, findet auch Alice Schwarzer das Ergebnis. „Mit dieser Entscheidung hat das EU-Parlament nicht nur einen gewaltigen Schritt Richtung Abschaffung der Prostitution getan, sondern auch einen Schritt Richtung Menschlichkeit. Ich hoffe, dass die Tatsache, dass Europa mehrheitlich ebenso für den Schutz von Prostituierten wie für die Bekämpfung des Freiertums ist, endlich auch Deutschland die Augen öffnet. Die Chancen sind groß, denn die neue Nachdenklichkeit hat ja schon begonnen."
"Der Wind weht jetzt in Richtung Schweden", erklärte Mary Honeyball. Die Abstimmung des Europäischen Parlaments ist für sie das entscheidende Symbol eines Haltungswechsels der Mitgliedsstaaten. Sie hofft, dass immer mehr Länder sich jetzt ermutigt fühlen, den schwedischen Weg einzuschlagen, das heißt: Prostituierten beim Ausstieg zu unterstützen, die Profiteure von Prostitution und Menschenhandel härter zu verfolgen - sowie die Freier, die als Kunden den Markt überhaupt erst schaffen, durch Sanktionen abzuschrecken und ihnen das Unrecht des Kaufs von Menschen klarzumachen. Das Parlament hat deutlich gemacht: Prostitution ist eine Form der Gewalt, die keines modernen Staates würdig sein kann.
PS In Deutschland hat am Tag nach der wahrhaft sensationellen Entscheidung des EU-Parlaments anscheinend kaum jemand berichtet. Die knappe DPA -Meldung dazu wurde online nur von der Rheinischen Post gebracht. In der Schweiz berichtete immerhin das Boulevardblatt Blick und in Österreich Der Standard und die Wiener Zeitung.
Geneviève Hesse
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Pressemitteilung des EU-Parlaments