Elaiza beim ESC: Drei gewinnt!

Elaiza: Natalie Plöger, Elzbieta Steinmetz und Yvonne Grünwald.
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Eine 1,57 Meter kleine, 22-jährige Pianistin mit platinblonder Kurzhaarfrisur aus dem saarländischen Schiffweiler, die seit ihrem zwölften Lebensjahr komponiert. Eine studierte Akkordeonistin, 29, die 15 Instrumente ihr eigen nennt und in einer Klezmer-Band gespielt hat. Und eine gleichaltrige Kontrabassistin, ebenfalls mit Musikstudium, die aus der Jazz-Ecke kommt. Das sind Elsbieta Steinmetz, Yvonne Gründwald und Natalie Plöger, kurz: Elaiza.

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Kennengelernt haben sich die drei in Berlin bei einer Schnapsverkostung. Der Vorsatz, eine Band zu gründen, erwies sich allerdings als das Gegenteil einer Schnapsidee. Von ihrem ersten Kneipen-Konzert im Januar 2013, von dessen Erlös sie zusammen Falafel essen gingen, bis zum ESC-Vorentscheid im März 2014, bei dem sie selbst Stars wie „Unheilig“ aus dem Feld schlugen, hat es gerade mal ein gutes Jahr gedauert. Und nun standen sie also beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen auf der Bühne und gaben ihren Song „Is it Right“ zum Besten, im slawischen Sound, geprägt von Elsbieta mit einem ukrainischen Vater und einer polnischen Mutter.

Nachdem nicht ganz unpeinlichen Lena-Aufguss von 2012 und Cascadas Einheitsbrei-Synthi-Stampf von 2013 ist das Stück, das ganz ohne Elektronik auskommt, trotzdem modern klingt und mit dem Label „Neo-Folk“ bedacht wurde, jedenfalls eine echte Wohltat. Komponiert hat es Elsbieta, genannt Ela, die mit Musik im Hause Steinmetz aufgewachsen ist: Ihre Mutter ist studierte Opern- und Jazzsängerin.

In jedem Fall haben „Elaiza“ gleich zwei ESC-Regeln gebrochen. Erstens: Sie lassen eine kleine, kurzhaarige – und daher nicht windmaschinentaugliche - Frontfrau mit Röhrstimme gegen viele langbeinige, langhaarige lendenschurz-berockte Sängerinnen aus Barbieland antreten. (Ausnahmen wie die burschikose und offen lesbische serbische Siegerin Marija Serifovic anno 2007 bestätigen die Regel.) Zweitens: Sie spielen Instrumente. Damit könnten sie Grand Prix-Geschichte schreiben, denn auch im 21. Jahrhundert sind weibliche Instrumentalisten auf der ESC-Bühne immer noch einzigartig.

Weil das so ist, sahen die „drei Charakterköpfe“ (Eigendefinition) dem Finale am Samstag gelassen entgegen. Zwar haben sich Elsbieta, Natalie und Yvonne nach ihrem Vorrunden-Sieg „einen Ast abgefreut“. Aber auch nach der Platzierung in den Top Zwanzig – sie machen halt einfach weiter Musik. Mit Kompetenz, Herz – und ohne Windmaschine.
 

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Holofernes: "Mehr Frauen um mich haben!"

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Judith, es ist genau zehn Jahre her, dass du auf dem EMMA-Titel warst. Was würdest du der Judith von damals denn heute raten?
Achte auf deine Bauchgefühle. Obwohl es ja immer heißt: Frauen können ihre Gefühle so toll wahrnehmen. Wir geben uns aber nicht die Autorität, unseren Gefühlen Glauben zu schenken. Ich habe dafür genau zehn Jahre gebraucht.

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Werden junge Frauen heute im Pop-Geschäft mehr verheizt als früher?
Nein, das war schon immer so. Aber trotzdem haben viele keine realistische Einschätzung davon, wofür sie eigentlich berühmt sind. Und bei wem. Wie Miley Cyrus, die nicht versteht, dass sie mit ihren Videos schlicht Gebrauchskunst schafft. Und keineswegs frei ist und total Rock 'n' Roll.

Du bezeichnest dich sehr selbstverständlich als Feministin.
Ja. Ich rede immer schon dagegen an, dass gerade junge Frauen sich schämen, sich als Feministin zu bezeichnen. Weil sie denken: Das ist ja nett, was unsere Mütter da gemacht haben, aber das brauchen wir heute nicht mehr. Sie fühlen sich freier, als sie sind

Und wie fühlst du dich?
Mit zunehmendem Alter kommt der Reality-Check. Und spätestens mit kleinen Kindern wird die Welt für Frauen plötzlich ganz eng. Wenn ich zum Beispiel meiner Freundin Aurelie aus Frankreich erzähle, dass ich diesseits der Grenze eine Freundin in Freiburg habe, bei der die Kinder um halb zwölf auf der Matte stehen und ich keine Ahnung habe, wie die jemals wieder irgend etwas arbeiten soll, dann sagt die nur: Das ist doch total sexistisch! Ich kann mir auch nur an den Kopf fassen, wie hinterwäldlerisch die Elternfrage in Deutschland noch behandelt wird. Und wir müssen unser Verhältnis zu Arbeit überprüfen.

Das heißt?
Wir sollten uns einfach mal erlauben, weniger zu arbeiten. Und ganz okaye statt fantastische Mütter zu sein. Der Perfektionsanspruch, den wir an uns selbst stellen und der an uns gestellt wird, ist nicht auszuhalten. Und nicht zu erfüllen.

Hast du oft die Perfektionskralle im Nacken?
Klar, ich bin ja gestrickt wie die meisten Frauen. Wenn zu mir jemand sagt: ‚Judith, es wäre ganz toll, wenn du ...’ - dann begreife ich das immer gleich als Imperativ. Ja, Sir! Ein Teil von meiner Erschöpfung hatte genau damit zu tun. Alle sollen glücklich sein. Ich dachte ja auch, dass ich die Band gefährde, als ich das erste Mal schwanger wurde.

Wenn man die Presse über dich verfolgt, hat man fast das Gefühl, dass du verbittert zurückblickst.
Meinst du das Porträt im Spiegel? Der Text beschreibt eine schwierige Zeit, die aber vier Jahre zurück liegt. Ich habe heute eher damit zu tun, Leuten zu erklären, dass ich nicht die nächsten zwei Jahre darüber reden möchte, wie schlecht es mir vor vier Jahren ging. Ich hatte am Ende keine Vision mehr für ‚Wir sind Helden’. Das hat sich eher wie ein Überlebenskampf angefühlt.

Und heute?
Heute bin ich quietschfidel und hab ein sehr gut gelauntes Album aufgenommen. Ich hatte auch kein Burnout. Ich habe ja rechtzeitig die Reißleine gezogen. Und ich finde es auch völlig okay, als Künstlerin mal an seine Grenzen zu stoßen.

Du bist ja schon immer eine Art Projektionsfläche der Medien gewesen. Früher warst du das Vorzeige-Girlie. Heute bist du die Vorzeige-Mutter. Nervt dich das?
Ja, das nervt mich! Besonders, wenn dann plötzlich Zitate von mir über meine Kinder oder über Erschöpfung als People-Meldung durch die Presse geistern, die völlig aus dem Kontext gerissen sind. Ich rede nur über das Muttersein, wenn ich das Gefühl habe, dass es um gesellschaftlich relevante Fragen geht – aber natürlich wird das immer auf das Persönliche bezogen.

Bist du jetzt nicht sowieso eher der Papa?
Oh ja, ich werde jetzt so ein 50er-Jahre-Daddy, der abends nach Hause kommt und die Aktentasche auf den Tisch knallt. Dann leg ich die Beine hoch und les Zeitung! (lacht) Nein, Pola und ich, wir haben ein sehr modernes, aber auch sehr komplexes Familienmodell. Dieses Jahr kommt meine Platte raus und ich werde sehr viel arbeiten und unterwegs sein. Pola arbeitet in Berlin im Studio, das passt natürlich besser zu einem Leben als Familie, als wenn beide unterwegs sind. Und wenn das dann umgekehrt ist, weiß ich, was ich zu tun habe.

Im Video zu „Liebe Teil 2 - Jetzt erst recht“ sehen wir zwei kleine Engel, die dich mit Sachen bewerfen, bis dein Gesicht grün und blau ist. Du lächelst tapfer in die Kamera und singst: Das ist Liebe, jetzt erst recht. Ganz schön verstörend!
Das ist ein Filmzitat: Stirb langsam, jetzt erst recht. In dem Song geht es um die Fortsetzung einer Beziehung. Wenn aus dem Umeinander-Herum-Tänzeln eine echte Erwachsene-Leute-Beziehung wird. Mit Zusammenziehen und Kinder kriegen. Das kann einen manchmal eben ganz schön zermöbeln. Ich finde Realität gut. Besonders in Liebesliedern.

Apropos Realität: Fängt bei dir mit 37 Jahren jetzt schon der Altersterror an?
Dieses Gefühl hatte ich schon, als ich die Kinder bekommen habe! Überall Meldungen über Frauen, die vier Wochen nach Geburt schon wieder nackt über den Laufsteg trapsen. Da wundert es mich nicht, dass Mütter heute nach dem Essen kotzen gehen. Oder sich mit dem Kaiserschnitt gleich die Bauchdecke straffen lassen. Ich möchte jedenfalls nicht aussehen, als hätte man mir mein Kind aus der Nase gezogen. Das Fiese ist ja, dass diese armen Frauen, die direkt nach der Geburt wie besessen Sport machen, mit 50 eine Rentnerinnen-Vagina haben und ihr Wasser nicht mehr halten können. Soll man ja nicht machen!

Du hast jetzt auch zwei Frauen in der Band.
Ja! Eine spielt E-Gitarre und Keyboard und singt. Und die andere spielt Percussions und Xylophon und singt. Ich habe mich dazu entschieden, meine Frauenentourage auf Tour zu vergrößern. Ich möchte mehr Frauen um mich haben!

Reinhören: Judith Holofernes "Ein leichtes Schwert" (Four Music).

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