Lesbenmärsche in Berlin und Köln
Am Freitagabend um 19 Uhr ging's los: Am Festungsgraben, ein paar hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt, starteten die Berliner Lesben ihren „Dyke March“ durch die Hauptstadt. Die „Dykes on Bykes“ knatterten auf ihren Motorrädern voraus, dann folgten weitere frauenliebende Frauen, die mit ihrem Marsch am Vorabend der großen Berliner CSD-Parade zeigen wollen, dass es sie gibt - und der CSD nicht nur aus schwarzen Lederkerlen und bunten Tunten besteht. „Lesben sind in den Medien bis zur Unsichtbarkeit unterrepräsentiert“, hatte die Journalistin Elke Amberg schon 2012 in einer Studie festgestellt. Ihr Fazit: „Der schwule Mann ist zum Prototyp des homosexuellen Menschen avanciert.“
Um sich in die Köpfe von Menschen und Medien zu bugsieren, machen die Lesben in Berlin seit 2013 also ihren eigenen Marsch. Und in diesem Jahr machen es ihnen die Rheinländerinnen zum ersten Mal nach. „Wir werden als lesbische Frauen nicht angemessen wahrgenommen“, findet auch die Kölnerin Barbara Narzinski. Nur ein einziger der 150 Kölner CSD-Wagen ist in Frauenhand und nur drei von 50 Ständen auf dem Straßenfest. Deshalb hat Barbara, gemeinsam mit vier Mitstreiterinnen, zum ersten „Dyke March Cologne“ aufgerufen. Sie war 2014 beim Lesbenmarsch in der Hauptstadt dabei und so begeistert, dass sie die „grandiose Idee“ in die heimliche Homo-Hauptstadt importierte.
Der schwule
Mann ist zum
Prototyp des
homosexuellen
Menschen avanciert
Hier traf sie auf offene Ohren, denn das Problem ist leidlich bekannt. Schon 2009 haben die rheinischen Lesben den „Women’s Pride“ ins Leben gerufen, eine Veranstaltungsreihe von und für homosexuelle Frauen. Und beim CSD 2014 eroberten die Lesben eins von elf CSD-Plakatmotiven: „Wir sind Kölsche Mädscher!“ Und sie erklärten auch, warum: "Egal, um welche Themen es geht: Regenbogen-Familie, Homo-Ehe, Coming-Out, CSD-Paraden, Lesben und Schwule in Politik oder Sport - die Medien kennen nur Schwule. Das Wort ,lesbisch' taucht selten auf. In Text und Bild dreht sich alles um den (schwulen) Mann. Wir grüßen die Medien: Her mit Butches und Femmes! Her mit den lesbischen Businessfrauen, Pionierinnen, Politikerinnen, Sportlerinnen, Müttern, Töchtern und Grandmamas! Wir sind überall!"
Am 4. Juli ist es nun auch in Köln soweit. Um 19 Uhr setzen sie sich im Schatten des Doms in Bewegung: die lesbischen Führungskräfte von den „Wirtschaftsweibern“, die Junglesben aus dem Homo-Jugendzentrum „anyway“ oder die lesbischen Polit-Karnevalistinnen der „Schnittchensitzung“. Ob es 100 oder 1.000 sein werden, die bei der Premiere des Dyke Marches lesbische Sichtbarkeit demonstrieren, steht noch in den Sternen. Aber eins ist sicher: In den Medien wird niemand behaupten, es sei eine „Schwulenparade“ gewesen. Und vielleicht lassen sich für 2016 ja auch die Damen in Hamburg, Dresden oder München für die Idee begeistern.
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