Trump & Erdogan bekämpfen!
Am Tag des Women’s March in Washington mailte mir Katharina aus Bremen begeistert: „Jetzt geht es wieder los, Alice!“ Mir war klar, was sie meint: Jetzt müssen wir Frauen wieder auf die Barrikaden! Katharina hat recht.
Doch nicht alle Frauen gehen auf die Barrikaden. So manche lauern mit ihren Küchenmessern hinter unserem Rücken. Aber dafür haben wir inzwischen auch Männer an unserer Seite, die ganz wie wir für die Gleichberechtigung eintreten und die Freiheit des Individuums.
Erdogan war
schon immer
ein Islamist.
Ein halbes Jahrhundert nach dem Aufbruch der Frauen in der westlichen Welt haben wir sehr viel erreicht. Für manche zu viel. Auch darum erfolgt jetzt dieser mächtige Rückschlag der traditionellen Machos. Wir müssen also begreifen: Der Fortschritt ist keinesfalls gesichert. Bisher ging es im besten Fall zwei Schritte vor und einen Schritt zurück. Jetzt aber soll es nur noch zwei Schritte zurück gehen. Für die westliche Welt bedeutet das: Wir können jetzt nicht auf Fortschritt hoffen; wir müssen versuchen, das Erreichte zu sichern.
Ein Beispiel: Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wurde das Verbot, abzutreiben, zum Auslöser der Neuen Frauenbewegung. Es ging und geht dabei um das elementarste Recht einer Frau: Selbst zu bestimmen, ob und wann sie Mutter wird. Also eine ungewollte Schwangerschaft nicht unter Demütigung und Lebensgefahr illegal abbrechen zu müssen, sondern das Recht auf medizinischen Beistand zu haben.
Nicht zufällig war einer der ersten Staatsakte von Präsident Trump am Tag nach Amtsantritt die Unterzeichnung eines Dekrets, das allen NGOs, die sich für das Recht auf Verhütung und Abtreibung einsetzten, ab sofort jegliche Unterstützung entzieht. Für Millionen Frauen in Afrika kann das eine Frage auf Leben und Tod sein. Schon heute sterben in der Dritten Welt alljährlich 47.000 Frauen im Jahr an den Folgen illegaler Abtreibungen. Wird das morgen auch in der Ersten Welt wieder so sein? Trump kündigte im gleichen Atemzug ein Abtreibungsverbot für Amerika an.
Trumps Pendant, der allmächtige türkische Herrscher Recep Tayyip Erdogan, hatte bereits im Mai 2016 Verhütung und Abtreibung als „Verrat an der Nation“ und „Mord“ bezeichnet. Er verlangt von den Bürgerinnen seines Landes „mindestens drei Kinder zu gebären“. Im Namen „unseres geliebten Propheten“.
Auch bei Trump muss der liebe Gott für alles herhalten, obwohl „Donald“ bisher nicht gerade im Verdacht besonderer Frömmigkeit stand. Erdogan und Trump verbindet nicht nur, dass sie eine Autokratie, also quasi Alleinherrschaft anstreben, sondern auch, dass sie ihre Macht den religiösen Fundamentalisten verdanken. So mandatiert machen sie beide Jagd auf Frauen und „Fremde“.
In der Türkei haben die Islamisten den in der Wolle gewaschenen Gottesstaatler Erdogan an die Spitze getragen. In Amerika haben vier von fünf Evangelikalen Trump gewählt. Sie hatten schon vor ihm eine wachsende Macht, jetzt aber sind sie ins Weiße Haus eingezogen.
Beide, Trump und Erdogan, machen sich jetzt mit Eifer an die Zerstörung der demokratischen Strukturen und Institutionen. Angeblich, um alle Macht direkt „dem Volk“ zu geben – wir Deutschen kennen diese Töne aus unserer Geschichte. Vom Erfolg der Demagogen ermutigt, melden sich nun auch in Europa Ehrgeizlinge, die den großen Zampanos nacheifern wollen.
Das ist verstörend für alle freiheitsliebenden Menschen. Und es ist in der Tat fünf vor zwölf: Wir müssen dem mit aller Macht Einhalt gebieten! Bei diesem Widerstand müssen wir Frauen eine entscheidende Rolle spielen, wenn nicht vorangehen. Denn wir sind auch als Erste betroffen.
haben die
Patriarchen
gewählt.
Wir Frauen? Nein, so manche werden nicht an unserer Seite sein. Nicht die Trump- und Erdogan-Wählerinnen. Und auch nicht die Frauen, die bis heute Sätze sagen wie: „Hillary wäre vielleicht noch schlimmer gewesen.“ Sie haben, pseudolinks argumentierend, durch ihren Clinton-Boykott diese rechten Verhältnisse mit herbeigeführt!
Sicher: Hillary Clinton ist eine Befürworterin von Amerikas fataler Interventionspolitik, die nur verbrannte Erde hinterlassen hat: von Irak bis Libyen. Das ist spätestens seit Anfang der 90er Jahre mehr als kritisierenswert. Aber sie ist keine Anti-Demokratin und sie ist Feministin – was für uns Frauen ja nicht so ganz nebensächlich ist.
Treten wir ihnen also gemeinsam entgegen, Schulter an Schulter: Wir Frauen und Männer, die diese Demagogie im Namen des „Volkes“ unerträglich finden – und die für eine unverhüllte Gleichberechtigung der Geschlechter sind.
Alice Schwarzer