Das hatte sich das Kölner Großbordell „Pascha“, das sich so gerne mit Kultur schmückt, mal wieder nett ausgemalt: Der weltberühmte Jazz-Gitarrist Al Di Meola („Friday Night in San Francisco“), live im Pascha Nightclub! Gleich zwei Konzerte hintereinander. Und wer das späte Konzert um 21.30 Uhr buchen würde, der bekäme ein Ticket für das so genannte „Pascha-Showprogramm“ dazu, sprich: für Table-Dance und Striptease. Sowie alle alkoholischen Getränke umsonst.
Bis ins Pascha-Laufhaus sind es vom Nachtclub dann ja auch nur ein paar Schritte. 140 Zimmer auf sieben Etagen, im „Express-Gang“ Sex für 30 Euro. Und eine Geld-zurück-Garantie. Für die Freier. Die Frauen zahlen 160 Euro für ein Zimmer. Täglich. Das muss bei den Tarifen erst mal reinkommen.
Al Di Meola allerdings – der unter Jazzgitarristen etwa den Stellenwert hat wie der Papst unter Katholiken – wusste gar nicht, wo er da auftreten sollte. Erst als EMMA Di Meola um ein Statement zu dem geplanten Auftritt in Köln bat, wurde dem Musiker aus New Jersey klar: Es handelt sich gar nicht um einen Jazzclub, sondern um ein Bordell!
„Ich bin schockiert!“, sagte Al Di Meola im Interview mit EMMA – und reagierte umgehend. „An meine Fans in Köln: Wir werde nicht im Pascha Nightclub spielen, und zwar wegen der Art des Etablissements“, verkündete Di Meola auf allen ihm verfügbaren Kanälen. „Al di Meola Live im Pascha Nightclub nach EMMA-Boykott abgesagt“, so formulieren es die Pascha-Männer. „EMMA sabotiert Auftritt von Al Di Meola im Pascha“, klagte das Kölner Boulevard-Blatt Express. Und auf Facebook munkelte ein Prostitutionsbefürworter, EMMA hätte den Weltstar eiskalt erpresst.
Al Di Meola, 62, ist Vater von drei Töchtern und inzwischen in zweiter Ehe mit der deutschen Journalistin Stephanie Kreis verheiratet, die Familie pendelt zwischen München, New Jersey und Miami. Er hätte den Auftritt niemals zugesagt, wenn sein Agent Wolfgang Scheel von „Nova Concerts“ ihn darüber informiert hätte, dass das Pascha ein Bordell ist, sagt Al Di Meola.
Al Di Meola ist nicht der erste Jazz-Musiker, der in der Reihe „Jazz goes Pascha“ auftreten sollte. Aber er ist der Berühmteste. Und er ist der erste, der sich weigert, im Bordell zu spielen. Das erzählt viel über das gesellschaftliche Klima, das heute herrscht, hie wie da: Auch in den USA gibt es Prostitution, aber sie ist verboten und dadurch gesellschaftlich geächtet. Ein Musiker, der in einem Bordell spielt, würde seinen Ruf riskieren. In Deutschland wird die Prostitution seit Jahren, ja Jahrzehnten verharmlost, als „Beruf wie jeder andere“. In einem Bordell aufzutreten, das gilt in der linken Kulturszene mitunter sogar als angesagt, lässig, cool.
Die Pascha-Betreiber verfolgen seit Jahren eine Umarmungsstrategie mit der rheinländischen Kultur-Szene, um ihre schmutzigen Geschäfte reinzuwaschen. Für den 7. Mai zum Beispiel kündigt der Kölner Blues-Musiker Richard Bargel sein „denkwürdiges Konzert“ im Pascha an. Und pöbelte auf Facebook gegen die „Scheinheiligkeit und Doppelmoral im Fall ‚Al Di Meola-Pascha‘“ die ihn „stark an das spießige Bürgertum der 50er Jahre“ erinnere. An die Adresse Alice Schwarzer schreibt der Kölner: „Warum hast du mich nicht auch angerufen, um gegen meinen Auftritt zu protestieren? Ach ja, ich bin ja kein Weltstar ...“. Bei „Jazz goes Pascha“ war auch schon John Marshall zu Gast, Trompeter in der WDR Big Band.
Die Kölner Comedian Carolin Kebekus drehte im Pascha Nachtclub ein Musikvideo für ihre Sendung „PussyTerror TV“. Über die Vorteile, die ein solcher Schulterschluss mit sich bringt, plauderte Kebekus: Da sie im Pascha „halt alle kennt“, sei es auch gar kein Problem gewesen, sie zusammen mit ihrem Vater auf die Gästeliste für das anstehende Konzert des Kölner Mundart-Sängers Gerd Köster zu setzen – mit anschließendem Table-Dance.
Das über Köln hinaus bekannte „Köln Comedy Festival“ – präsentiert von RTL, WDR 5 und 1Live – listet den Nightclub auf seiner Webseite als offiziellen Spielort, unter anderem für den Comedy-Abend „FSK 18“. Da präsentieren sich die „Bad Boys und Girls der Comedyszene“ – mit anschließendem Table-Dance. Auch auf der Kölner CSD-Parade rollte schon ein Pascha-Wagen mit; und der Fanclub des 1. FC Köln hatte die „Pascha Table-Dance GmbH“ als Sponsor auserkoren – machte dann aber wegen der Proteste einen Rückzieher.
Das Großbordell organisiert Golfturniere, Schießturniere (für Damen), Karnevalssitzungen (für „Herren“ und „Mädchen“), Trachtenabende und Junggesellenabschiede. Und wer bei seinem Abstecher in die Hornstraße eine Eintrittskarte für jedwede Kölner Veranstaltung vorzeigt – sei es ein Theaterstück, ein Messebesuch, ein Kinokarte oder ein Konzertticket – dem erlässt das Pascha die Hälfte des Eintritts ins Laufhaus. Wissen die Kölner Veranstalter das eigentlich? Oder werben sie womöglich damit?
So richtig für Schlagzeilen sorgte im vergangenen Jahr der Kölner Pfarrer Hans Mörtter, der eine Pascha-Spende über 8.500 Euro annehmen wollte. Das Großbordell hatte sein 20-jähriges Bestehen mit einem „Charity Tag“ im Nachtclub gefeiert – und Pfarrer Mörtter feierte mit. „Ich finde das Pascha als Ort völlig in Ordnung!“, frohlockte der evangelische Geistliche in das Mikro einer WDR-Reporterin. Und geriet ins Schwärmen: Das Pascha sei ja „so ein Biotop, eine große Familie“. Das ging selbst im toleranten Köln nicht durch. Die Empörung war vielfältig, bis hin zu den Vertretern der Kirche. Daraufhin entschuldigte sich Pfarrer Mörtter öffentlich und lehnte die Spende ab.
Wie es so läuft in der Pascha-Familie, das hatte Pascha-Besitzer Hermann Müller dem WDR erklärt: „Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen. Das haben mir mein Großvater und mein Vater erklärt und nach dem Motto lebe ich!“
Der 64-jährige Müller, der über Bordelle in Köln, München, Salzburg, Linz und Graz waltet, sitzt derzeit in Augsburg in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Müller wird Steuerhinterziehung in 69 Fällen, Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen und Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 59 Fällen vorgeworfen. Vereinfacht gesagt geht es um die Scheinselbständigkeit von Prostituierten – und um Beträge in Millionenhöhe.
Müllers Festnahme im Oktober war eine europaweite Fahndung vorangegangen. Denn als die Augsburger Staatsanwaltschaft den Haftbefehl erließ, stellte sich der sonst gar nicht scheue „Bordell-König“ nicht etwa den Anschuldigungen, sondern tauchte unter. Die Fahnder entdeckten ihn nach vier Monaten schließlich in einer Wohnung in München. Solange Müller noch sitzt, wird er in der Öffentlichkeit von seinem Bruder Harald vertreten.
Übrigens: Al Di Meolas Fans bedankten sich bei ihrem Idol überschwänglich für dessen Entscheidung. Und seine Familie nicht minder: „Meine beiden älteren Töchter und meine Frau Stephanie sind sehr stolz auf mich“, sagt der Musiker.
Am 3. Mai spielt Al Di Meola in der Live Music Hall in Köln. Alle Tour-Termine unter www.aldimeola.com