Happy Birthday, KARO!
Ein Wochenende in Sachsen. Da, wo Deutschland aufhört und Tschechien anfängt. Da, wo Asylantenheime schon mal brennen, und Gerichtsverhandlungen, in denen es um Kinderbordelle geht, auch mal über zehn Jahre dauern können. Da, wo die Luft frisch ist, Wohnraum fast nichts kostet, es dafür aber zu wenig Arbeit für zu viel Arbeitssuchende gibt.
Wir haben also mit Tristesse gerechnet. Hätte auch zu dem gepasst, was man von der Prostitutionsszene im grenznahen Osten der Republik so weiß. Doch dann kam Cathrin: knallrote Haare, schwarze Hose, bunte Stiefel und ein breites freundliches Willkommenslächeln. Das ist also auch der Osten.
Wir sind da, wo Cathrin Schauer-Keplin mit KARO einen Schutzwall gegen die wuchernde Gewalt gegen Frauen und Kinder errichtet hat. Natürlich möchten wir alles sehen: die Büroräume, die Wohnung für die Opfer, das Schutzhaus, die Babyklappe, die Therapie- und Beratungsräume. Die Orte, wo Frauen und Kindern geholfen wird, sie eine Chance auf ein Leben jenseits von Gewalt und Prostitution bekommen.
Hier gibt es die Chance auf ein Leben jenseits der Prostitution
Die Größe von KARO ist beeindruckend. Alleine das Schutzhaus bietet Platz für 20 Frauen und Kinder. Große helle freundliche Zimmer. Jedes Einzelne ist liebevoll und sehr gemütlich eingerichtet. Wohlfühlräume.
Ein Sportraum, in dem Stepper, Trampolin und Bälle zur Bewegung einladen. Küchen, in denen Frauen gerade lecker riechendes Essen zubereiten. Und ein riesiger Gemeinschaftsraum mit Spielecke und dem Quäken eines Babys, das gerade mal eine Woche alt ist. Wir merken schnell: Das Konzept von KARO lässt kein Chaos zu. Und keine Unachtsamkeit, keine Lieblosigkeit und keine Gleichgültigkeit.
Und dann die Therapieräume, in denen gesprochen, gelacht, geweint und geträumt wird. Und gemalt und gebastelt und gebaut. Später, im Bürogebäude, Listen und Pläne, plötzlich merkt man, dass hier elf Menschen arbeiten. In Voll- und Teilzeit. Ziemlich organisiert das Ganze.
An den Wänden hängen übergroß die Schecks der Spender, die über die vielen Jahre die Arbeit von KARO ermöglicht haben. Und Cathrin erzählt, dass überhaupt alles damit anfing, dass sie von Alice Schwarzer eine riesige Spende bekommen hatten. Alice hatte bei Jauch 125.000 Euro gewonnen und die an KARO gespendet.
Die MitarbeiterInnen von KARO sind ständig unterwegs. In den Wohnungsbordellen in Plauen ebenso wie auf dem Straßenstrich in Cheb, auf dem ausgemergelte Mädchen von Sexkäufern auch schon für fünf Euro benutzt werden können. Wobei „benutzt“ viel zu harmlos ausgedrückt ist – misshandelt und gefoltert trifft es da schon eher.
Die Haltung der Freier? „Elend fickt sich gut...“
Kinder, die in die Autos mit deutschem Kennzeichen steigen; junge Mädchen, denen das Crystal schon jeden Zahn geraubt hat und die taumelnd am Straßenrand stehen. Zerstörte Haut, zerstörte Körper, zerstörte Seelen. Den gemeinen Freier stört das nicht. Im Gegenteil. „Elend fickt sich gut“ hat ein Sexkäufer zu einer unserer Aussteigerinnen gesagt.
Cathrin erzählt, wie sie an einem Abend einen, aus dessen Auto gerade ein kleiner Junge gestiegen war, zur Rede gestellt hat. Und als der dann sagte: „Meine Freundin ist schwanger“, ist ihr doch tatsächlich die Hand ausgerutscht. Als würde es etwas nützen. Solange nicht mal bestehende Gesetze durchgesetzt werden.
Im Moment ist Sachsen gerade im Begriff, eine Durchführungsverordnung für das Prostituiertenschutzgesetz zu erarbeiten. Der Landtag hat dazu „Experten und Expertinnen“ zur Anhörung eingeladen. Dass KARO nicht dabei ist, erst ein- und dann wieder ausgeladen wurde, erstaunt uns nicht. Cathrin auch nicht. Denn niemand von KARO könnte PolitikerInnen berichten, dass „alles ganz in Ordnung“ ist und Prostitution „kein Problem“. Da holt man sich dann lieber ein paar von den Lobbyistinnen des Sexgewerbes in den Landtag, die die gern gehörten Lügen von den glücklichen Sexarbeiterinnen aufsagen.
Die Lebenslage der tausenden von Frauen, mit denen es KARO in all den Jahren zu tun hatte und die mitunter so traumatisiert sind, dass sie nicht mehr sprechen, essen und schlafen können, bleibt unerzählt und ungehört. Wieder mal.
Ein Einblick in das Seelenleben der Frauen und Kinder
Im großen hellen Treppenhaus bei KARO hängen Collagen und Bilder an der Wand, die die Bewohnerinnen in den Therapiestunden gefertigt haben. Sie sind verstörend ehrlich, geben Einblicke in das Seelenleben der Frauen und Kinder. Politiker und Politikerinnen sollten sich mal nach Plauen bemühen und um eine Führung durch dieses Treppenhaus bitten.
Doch die Kommunalverwaltung hat kein Interesse, ein so erfolgreiches Projekt finanziell abzusichern. SISTERS aus Stuttgart wird also nun auch in Plauen eine Ortsgruppe gründen und die lebenswichtige Arbeit von KARO unterstützen. Wir freuen uns drauf.
Sabine Constabel, Vorsitzende von SISTERS e.V – für den Ausstieg aus der Prostitution e. V.
Im Netz:
Karo e.v. - Mut. Selbstbestimmung. Leben. Der Mensch ist keine Ware