Sie stellt die Weichen
Die Feuerwehr spielen kann Martina Voss (verheiratete Tecklenburg) ziemlich gut. Als der Heimatverein ihres Ehemannes kurz vor dem Abstieg stand, hat „die Martina“, wie sie alle nennen, eine mittelprächtige zweite Herrenmannschaft vom Niederrhein in nur zwölf Wochen auf Kurs gebracht. Auch dass der Frauenfußball es in der Schweiz vom Schattendasein auf die Weltbühne geschafft hat, ist ausschließlich ihr Verdienst als Trainerin.
Früher musste sie sich noch blöde Witze anhören.
Nun soll die gebürtige Duisburgerin auch für die deutschen Fußballerinnen die Kastanien aus dem Feuer holen. Denn die Lage ist brenzlig. Unter der Regie ihrer Vorgängerin Steffi Jones fiel die deutsche Nationalmannschaft weit hinter die Erwartungen zurück, die Euphorie der gewonnenen Weltmeisterschaft von 2007 ist längst verdampft. Was fehlt ist Zunder. Und davon hat die 51-Jährige noch und nöcher.
Als Kind sorgt sie schon auf dem Schulhof dafür, dass sie bei den Jungs mitspielen darf, zuhause setzt sie sich gegen ihre drei Brüder durch. Als ihre Mutter einen Trainer, der Martina in den Verein holen will, mit den Worten „Fußball ist nichts für Mädchen“ abweist, spricht sie vier Wochen lang kein Wort mehr. Mit niemandem.
Sodann geht Martina einfach heimlich zum Training und holt sich für die Abiturprüfung in „Fußball“ eine Sondergenehmigung des Regierungspräsidenten.
Als Spielerin kämpft sie sich bis in die Bundesliga. Ihre Mutter platzt irgendwann vor Stolz, Fußball kann eben sehr wohl Mädchensache sein. Ihr eigenes Mädchen wird eine der erfolgreichsten Fußballerinnen der Welt.
Mit 16 Jahren gelingt Martina der Sprung in die Nationalmannschaft. Ganze 17 Jahre bleibt sie dort, wird dreimal Fußballerin des Jahres, viermal Europameisterin und Vize-Weltmeisterin. Und weil sich Europameisterinnen – im Gegensatz zu U16-Fußballern bei den Männern – bis heute um ihren Lebensunterhalt sorgen müssen, arbeitet sie ganz nebenbei noch Vollzeit als Bürokauffrau. Auch, um ihre kleine Tochter Dina, die sie mit 25 Jahren bekommt, durchzubringen, allein.
Martina Voss startete in einer Zeit durch, als Fußballerinnen sich noch blöde Witze von Sportjournalisten anhören mussten, Männer hauptsächlich „Trikottausch“ grölten und es Siegprämien in Form von Porzellanservices gab. „Aber auf dem Platz war ich immer glücklich“, sagt sie heute.
Nach 125 Spielen endet ihre Karriere im Jahr 2000 kurz vor den Olympischen Spielen in Sydney weniger glücklich. Die Beziehung zu ihrer damaligen Partnerin und ebenfalls Nationalspielerin Inka Grings war gerade zerbrochen. Da ist Homosexualität noch ganz tabu. Martina Voss fliegt aus der Nationalmannschaft.
Doch ihre Karriere als Trainerin beginnt. Noch als Spielerin führt sie ihren Heimatverein, den FCR-Duisburg, 2001 bis in die Champions-League, als Trainerin gewinnt sie mit ihm 2009 den UEFA Women’s Cup. Im gleichen Jahr heiratet sie Hermann Tecklenburg, einen Bau-Unternehmer. Den Heiratsantrag hat natürlich sie gemacht. Auf Journalistenfragen nach ihrer „sexuellen Orientierung“ antwortet sie souverän: „Ich verliebe mich nicht in eine Frau oder einen Mann, ich verliebe mich in einen Menschen.“ Ihre Liebe versteckt hat Martina nie.
Spielerinnen sprechen von ihrer starken Austrahlung.
Seit November 2018 steht die Vielseitige nun an der Spitze der Nationalmannschaft. Doch ihr „Wums“ ist unverkennbar. Das Blitzen in ihren Augen kündet davon. Auch die Spielerinnen sprechen von Martinas starker Ausstrahlung und Präsenz, sie gilt als „hart, aber empathisch“.
Anfang 2019 überrumpelten die deutschen Frauen die amtierenden Weltmeisterinnen aus den USA bereits mit 3 : 1, das Gastgeberland Frankreich mit 1 : 0. Heute also Österreich. Auf geht's!