Buchmesse: Strahlendes Norwegen
In Sachen Feminismus hinkt das reiche Norwegen dem Rest Skandinaviens hinterher. Doch in der Frauen-Literatur ist es Avantgarde. Die Autorinnen aus dem hohen Norden beziehen Stellung: zu Feminismus, zu einer neuen Mutterrolle, zu Familienbildern, die sich wandeln müssen und zum Klima, dessen Wandel neu verhandelt werden muss. Wer sind diese Frauen?
Vigdis Hjorth, 60, begann als Autorin von Kinderbüchern und ist heute die meistdiskutierte und wohl auch einflussreichste Autorin in Norwegen. Ihr Roman „Arv og Miljø“ („Erbe und Milieu“) wurde für den Preis des Nordischen Rates (die höchste Auszeichnung, die nordische AutorInnen erringen können) nominiert. Nach seinem Erscheinen (in Norwegen 2016) war es monatelang unmöglich, eine Zeitung aufzuschlagen, in der nicht über dieses Buch und seine Autorin diskutiert wurde. Das wiederholte sich, als in Schweden und Dänemark Übersetzungen erschienen. Vigdis Hjorth erforscht in dem Roman, was mit einer Familie passiert, wenn ein Kind den übergriffi gen Vater zur Rede stellt, während die Geschwister lieber wegschauen. Auf Deutsch: „Bergljots Familie“ Ü: Gabriele Haefs (Osburg Verlag).
Mona Høvring, 56, ist der Liebling der norwegischen Literaturkritik und wurde 2019 mit dem „Kritikerpreis“ ausgezeichnet. Sie hat als Lyrikerin angefangen und schreibt heute vor allem Romane. Ihr erster Roman erschien 2004 und liegt nun endlich in deutscher Übersetzung vor. Es geht um Laura, die mit sieben Jahren ihre Mutter verliert und die versucht, mit diesem Verlust zu leben. Høvrings weibliche Romangestalten erforschen Begehren, Körper, Sexualität und Liebe in der Begegnung mit anderen Frauen. Für ihren Roman „Camillas lange netter“, über Camilla Collett, Norwegens erste feministische Autorin, wurde Mona Høvring 2013 für den Preis des Nordischen Rates nominiert. Der Roman mit dem wunderbaren Titel „Weil die Venus am Tag meiner Geburt an einem Alpenveilchen vorbeikam“ wird 2020 auf Deutsch erscheinen. Aktuell: „Was helfen könnte“ Ü: Ebba D. Drolshagen (Edition Fünf).
Maria Parr, 38, eine der derzeit angesagtesten Jugendbuchautorinnen Norwegens. Ihre Lieblingsfiguren sind Mädchen, die sich keinen Rollenzuweisungen beugen mögen und mit List und Witz machen, was sie wollen. Parrs vielfach ausgezeichnete Kinderbücher spielen alle in dem fiktiven kleinen Ort Knert- Mathilde. Es herrscht immer viel Trubel in der kleinen Bucht. Anschaulich schildert die Autorin das Leben und die kleinen und großen Abenteuer ihres Personals. Dabei sind die Kinder keine Superheldinnen, sie versuchen einfach, sich zu verstehen und ihren Platz zu finden. Aktuelles Buch: „Manchmal kommt Glück in Gummistiefeln“ Ü: Christel Hildebrandt (Dressler Verlag).
Lesetipps zur Buchmesse:
Sara (9) kann sich in ihre neue Rolle als große Schwester nicht hineinfinden. Also beschließt sie, von jetzt an Alfred zu heißen und der beste große Bruder aller Zeiten zu werden. Linde Hagerup: „Ein Bruder zu viel“ (Gerstenberg Verlag). • Hedda, soeben von ihrem Liebsten verlassen, stellt zu ihrem Entsetzen fest, dass sie schwanger ist. Lotta Elstad: „Mittwoch also“ (Kiepenheuer & Witsch). • Ein Mann wird beim Zelten ermordet, und es stellt sich heraus, dass der Mörder dabei einen folgenschweren Irrtum begangen hat. Ein neuer Fall für die unkonventionelle Ermittlerin Marian Dahle, von Norwegens meistgelesener Krimiautorin. Unni Lindell: „Im Wald wirst du schweigen“ (Aufbau Verlag). • Charlotte ist 12, als der Freund ihrer Mutter sie vergewaltigt. Sie ist 18, als sie die Kraft aufbringt, ihn zu verklagen. Die Mutter will es immer noch nicht wahrhaben. Maria Kjos Fonn: „Kinderwhore“ (CulturBooks). • Eine Kolumnistin und eine Comiczeichnerin haben sich der Geschichte der bewegten Frauen der vergangenen 150 Jahre angenommen. Herausgekommen ist ein lustiges und informatives Bilderbuch über unsere Ahninnen. Marta Breen/ Jenny Jordahl: „Rebellische Frauen – Women in Battle“ (Sandmann Verlag).
Fast alle der genannten Autorinnen werden anwesend sein und im Gastland-Pavillon lesen. Infos zu den Lesungen: www.buchmesse.de