Thulasendrapuram

Kamala Harris (li) mit ihren indischen Großeltern und ihrer Schwester (re).
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In Thulasendrapuram, dem kleinen Ort mit dem ellenlangen tamilischen Namen, wurde schon vorab Diwali gefeiert. Kracher knallen, Feuerwerk erhellt den dunklen Nachthimmel über dem Kokospalmenwald, in festliche Saris gekleidete Frauen und Männer in frischen weißen Dhotis bringen Blumen und Obst zur Puja in den kleinen blauen Tempel, vor dessen Eingangstor eine ganze Heerschar steinerner Gottheiten die Leute willkommen heißt.

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Thulasendrapuram feiert die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris so, als wäre sie bereits die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten. Wohl kein indisches Dorf hat so mitgefiebert bei der endlosen Stimmenzählung wie Thulasendrapuram. Überall dort ist Kamala Harris präsent. Auf zahlreichen Plakaten steht sie lächelnd vor einem riesenhaften Kapitol, kunstvolle Rangolis, aus buntem Puder gefertigte Gemälde vor den Hütten wünschen ihr Glück, in den Hütten prangt ihr Foto gleich unter dem Bild von Gandhi.

Das kleine indische Dorf Thulasendrapuram feiert die amerikanische Vizepräsidentin

Natürlich erhofft man sich auch – auf gut indische Weise – etwas von Kamala. „Wir hätten so gern ein College“, heißt es.

„Sie ist schließlich unsere Tochter“, sagen die Leute in Thulasendrapuram stolz, denn nun fällt ein bisschen Glanz auch auf sie. Dabei ist das mit der Tochter so eine Sache. Die 56-Jährige war, wenn überhaupt, nur einmal im Dorf. Geboren in Thulasendrapuram dagegen wurde ihr Großvater P. V. Gopalam. Zwar zog auch der schon als junger Mann, so etwa vor 90 Jahren, fort nach Madras, das heute Chennai heißt. Aber jeder Inder hat sowieso „sein“ Dorf. Und 90 Jahre sind schließlich keine Zeit, wenn man in Jahrtausenden rechnet, was die Inder gerne tun.

Obwohl Kamalas Mutter Shyamala ihre Töchter bewusst als „schwarze“ Mädchen aufzog, legte sie großen Wert darauf, dass die beiden sich auch ihrer indischen Identität bewusst blieben. Nicht nur gab sie ihnen Sanskrit-Namen, Kamala heißt Lotusblüte; sondern sie fuhr auch regelmäßig mit den Kleinen nach Indien zu den Großeltern nach Madras.

Kamalas Mutter, die aktiv in der Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegung war, hatte den Kindern schon früh beigebracht, was Gleichheit und Gerechtigkeit heißt. Der Großvater, ein hoher brahmanischer Beamter, der seine Sporen in den Freiheitskämpfen Indiens verdient hatte, machte ihnen zusätzlich klar, was Demokratie und Unabhängigkeit bedeutet. „Das hat mich geprägt“, sagt die Juristin Kamala.

Die Mutter gab der Tochter einen Sanskrit-Namen: Kamala heißt Lotusblüte

Der etwa vier Millionen starken indischen Diaspora in den USA ist das bisher nicht klar. Eigentlich haben die indisch-stämmigen Amerikaner immer mehrheitlich die Demokraten gewählt. Aber da die meisten betuchte Geschäftsleute sind, bekam auch diesmal der angeblich so wirtschaftsfreundliche Trump einen guten Anteil ihrer Stimmen. Viele finden auch, dass Kamala nicht ausreichend „indisch tickt“, und fürchten, sie werde sich nicht genug für die Interessen Indiens einsetzen.

Wobei offenbar vergessen wird, dass es Aufgabe einer amerikanischen Vizepräsidentin ist, sich für die Interessen ihres Landes zu verwenden, und das sind nun einmal die Vereinigten Staaten. Kamala Harris ist nämlich ein typisches Produkt des Schmelztiegels Amerika und seiner multikulturellen Gesellschaft. Deshalb wird ihr Aufstieg von so viel Begeisterung, aber auch von vielen Hoffnungen begleitet. Übrigens nicht nur in den USA, sondern auch in Afrika und in Südasien. Und ganz besonders von den Frauen.

GABRIELE VENZKY

 

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Kamala Harris: Etwas Hoffnung

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Guten Abend, der Kongressabgeordnete John Lewis (ein schwarzer Bügerrechtler, Anm. d. Red.) hat vor seinem Tod geschrieben: „Demokratie ist kein Zustand. Sie ist eine Handlung.“ Was er damit sagen wollte, ist, dass Demokratie nicht garantiert ist. Sie ist nur so stark wie unser Wille, für sie zu kämpfen, sie zu erhalten und sie nie für selbstverständlich zu halten. (…)

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Ich bin jener Frau so dankbar, die dafür verantwortlich ist, dass ich heute hier stehe: Meiner Mutter Shyamala Gopalan Harris, die immer in meinem Herzen ist. Als sie mit 19 aus Indien hierhergekommen ist, hat sie sich diesen Augenblick wohl nicht vorstellen können. Aber sie hat so fest an ein Amerika geglaubt, in dem so etwas möglich ist.

Ich denke an sie und an Generationen von Frauen: schwarze Frauen, asiatische Frauen, weiße Frauen, Latinas und Ureinwohnerinnen, die in der Geschichte unseres Landes den Weg für diesen Moment geebnet haben. Frauen, die so sehr gekämpft und so viel geopfert haben für Gleichberechtigung, Freiheit und Gerechtigkeit für alle. Inklusive der schwarzen Frauen, die zu oft übersehen werden, aber so oft bewiesen haben, dass sie das Rückgrat unserer Demokratie sind.

Ich denke an ihren Kampf, ihre Entschlossenheit und ihre Vision

All jene Frauen, die dafür gearbeitet haben, das Wahlrecht über ein Jahrhundert lang zu sichern und zu schützen: vor 100 Jahren mit dem 19. Verfassungszusatz (der Frauen das Wahlrecht zusprach, Anm. d. Red.) und vor 55 Jahren mit dem Voting Rights Act (der verbot, Schwarze mit willkürlichen Verwaltungsakten vom Wählen abzuhalten, Anm. d. Red.). Und jetzt, im Jahr 2020, mit einer neuen Generation Frauen in unserem Land, die ihre Stimmen abgegeben haben und den Kampf für ihr fundamentales Recht weiterführen: zu wählen und gehört zu werden!

Heute Abend denke ich an ihren Kampf, ihre Entschlossenheit, ihre Stärke und ihre Vision. Ich stehe auf ihren Schultern.

Und wie bezeichnend es für Joes (Biden) Persönlichkeit ist, dass er den Mut hatte, eine der höchsten Barrieren zu überwinden, die in unserem Land existiert – und eine Frau zu seinem Vizepräsidenten zu machen. Aber auch, wenn ich die erste Frau in diesem Amt bin – ich werde nicht die letzte sein. Weil jedes kleine Mädchen, das heute Abend zuschaut, sieht, dass dies ein Land der Möglichkeiten ist!

Den Kindern unseres Landes sage ich, unabhängig von eurem Geschlecht: Unser Land sendet euch eine klare Botschaft: Träumt mit Ehrgeiz, eilt mit Überzeugung voraus, und seht euch selbst auf eine Weise, in der andere euch womöglich nicht sehen – einfach deshalb, weil sie es noch nie zuvor gesehen haben.

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