Das Pascha & der Spiegel
Das Kölner Pascha ist insolvent, offenbar nun endgültig. Ist es jetzt also vorbei mit der Sexfabrik in der Hornstraße? Nutzt die Stadt Köln die coronabedingte Pleite, um das auch für sie bisher rentable Geschäft mit der Ware Frau zu stoppen? Es sieht nicht so aus. Gerade laufen sich schon die nächsten warm, um das Großbordell zu übernehmen.
Der Kölner Express, der sein Ohr stets ganz dicht am Milieu hat, weiß: „Internationale Investoren“ bieten angeblich Millionen für die Übernahme des Massenbordells. Als neuer Geschäftsführer ist der Kölner „Szene-Wirt“ Roger Witters im Gespräch. Der wuchs „im Milieu auf“ und trauert den guten alten Zeiten hinterher. („Köln wurde Chicago am Rhein genannt, aber so viel Tote hat es auch nicht gegeben.“) Heute, klagt „Rotsch“, „gibt es keine deutschen Zuhälter mehr“, alles in Ausländerhand.
Warum stellt der Spiegel dem Pascha-Chef eigentlich keine einzige kritische Frage?
Stimmt. Das Geschäft mit der Prostitution ist längst Sache der Organisierten Kriminalität. Da geht es auch ohne den Gummersbacher Armin Lobscheid, zuletzt Herr des Paschas. Aber bevor er seinen Posten als Geschäftsführer endgültig räumt, durfte der passionierte Jäger dem Spiegel noch einmal sein Leid klagen. Wie schon öfter in der Vergangenheit, Stichwort: armer, bedauernswerter Bordellbetreiber. Anscheinend hat Lobscheid, der zuletzt in den „Corona-Protokollen“ des Spiegel über seine desolate Lage lamentieren durfte, eine Standleitung in die Hamburger Redaktion.
Er könne „schon das Heulen kriegen“, jammert Lobscheid plötzlich zartbesaitet. Warum? Wegen der Kellner, die er hatte entlassen müssen und denen es jetzt „echt dreckig“ geht, weil sie ihren Autokredit nicht mehr abbezahlen können. Und die Frauen? Ach ja, die Frauen. Für die Frauen sei die Situation „auch schlimm“. Warum? Weil sie nicht arbeiten dürfen. Dabei habe man im Pascha doch ein so „effektives Hygienekonzept“ gehabt. Die „Kunden“ hätten sich am Eingang die Hände desinfizieren müssen und auf den Zimmern hätten die Frauen „nur gesichtsferne Leistungen“ anbieten dürfen. Wäre es nicht so traurig, dürfte jetzt gelacht werden. Die Menschen dürfen in Corona-Zeiten in Kinos und Theatern nicht nebeneinandersitzen, sie dürfen ihre Angehörigen nicht in Altersheimen besuchen - aber der Pascha-Chef erklärt allen Ernstes, dass das Pascha eine effektive Hygiene-Strategie bei Geschlechtsverkehr habe?
Die Google-Suche ergibt zwei Mordversuche und einen Mord an Prostutierten im Pascha
Frauen, die sich jetzt außerhalb seines geschätzten Bordells prostituierten, hätten ein Problem, erklärt Lobscheid dem so wohlwollenden Spiegel. Nein, nicht dass sie sich wahrscheinlich infizieren und dann mit Corona und ohne Krankenversicherung in irgendeiner Versenkung verschwinden. Sondern, dass sie „in der Illegalität arbeiten“. Also in Privatwohnungen, Wohnmobilen oder auf Parkplätzen. Da hätten sie „gar keinen Schutz“. Abgesehen davon, dass Prostitution auch in Nicht-Corona-Zeiten völlig ungeschützt in Privatwohnungen, in Wohnmobilen und auf Parkplätzen stattfindet – sprechen wir also mal über den Schutz in einem Laufhaus wie dem Pascha.
Schon die einfache Google-Suche ergibt zwei bekannt gewordene Mordversuche plus einen vollendeten Mord an einer Prostituierten im Pascha: 2003 wurde eine Thailänderin von einem Freier mit Messerstichen in die Brust getötet. Drei Jahre später überlebte eine 23-Jährige die Messerattacke eines Freiers nur knapp. Sein Motiv: „Frust“ vor der drohenden Abschiebung am nächsten Tag. 2015 wurde eine Frau von einem Freier, der sie ausrauben wollte, fast zu Tode gewürgt. Im gleichen Zeitraum wurden in anderen Kölner Bordellen zwei weitere Prostituierte ermordet. Und zweifellos gibt es zahllose weitere Gewaltattacken durch Freier, die die eingeschüchterten Frauen gar nicht erst melden.
Und dann ist da noch die alltägliche Gewalt der Zuhälter. Eine Prostituierte würde „mir nie sagen, wenn Sie einen Zuhälter hat“, erklärte Pascha-Chef Lobscheid, den Alice Schwarzer in einer Talkshow einmal als „White-Collar-Zuhälter“ bezeichnete, dem Kölner Stadtanzeiger. Im Klartext: Wer bei den Frauen im Pascha abkassiert, sobald sie das Haus verlassen haben, will der Bordellbetreiber angeblich nicht wissen.
Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen. Nach dem Motto lebe ich
Hilfsorganisationen wie Solwodi oder KARO können aus dem Stand Frauenhandelsopfer nennen, die im Pascha anschaffen mussten, und die schließlich bei ihnen landeten. Auch in EMMA berichtete eine junge Frau, die von ihrem Vater sexuell missbraucht worden war, im Interview, wie dieser Vater ihre Mutter „ins Pascha geprügelt hat“. Nicht nur diese Mutter wird froh sein, dass der Ort, an dem sie täglich mehrmals von Männern, die Pascha-Chef Lobscheid „Kunden“ nennt, vergewaltigt wurde, jetzt geschlossen ist.
Lobscheid ist darüber „natürlich nicht froh“, aber er sei schließlich „64 Jahre alt und gut abgesichert“. Das glauben wir gern, denn er hat an der Ausbeutung der „Damen“ in seinem Puff ja ausgezeichnet verdient. 160 Euro musste eine Frau für ihr Zimmer zahlen – pro Tag, jede Nacht zahlbar um vier Uhr. Das macht drei Freier à 50 Euro allein für die Miete, oder sechs „Express-Nummern“ à 30 Euro. Macht zwischen 90 und 180 Freier im Monat, nur für die Zimmermiete. Dann hat die Frau noch nichts zu essen. Und in der Pascha-Kasse landet pro Frau eine halbe Million Euro im Jahr!
Armin Lobscheid hat übrigens eine Frau und zwei Töchter. Denen habe er, erklärt er auf Spiegel online, einen „Fernsehbericht gezeigt“, um zu erklären, was der Papa so macht, wenn er in Köln ist. Ob es wohl der WDR-Beitrag zum 20. Jubiläum des Großbordells war, in dem Pascha-Besitzer Hermann Müller sein Credo in Sachen Frauen erklärte? Das lautet so: „Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen. Nach dem Motto lebe ich.“
Der Vater des missbrauchten Mädchens hat seine Ehefrau "ins Pascha geprügelt"
Von der Domstadt in die Hauptstadt: Da hat die CDU/CSU-Fraktion gerade eine neue Stufe im Kampf gegen den Handel mit der Ware Frau eingeläutet. Neben dem strafrechtlich zu verfolgenden Menschenhandel gebe es „einen großen Graubereich, in dem die finanzielle oder emotionale Abhängigkeit insbesondere junger Frauen ausgenutzt wird, um mit ihnen Geld zu verdienen“, heißt es in dem Positionspapier. „Ihre Situation ist oft mit unerträglichen Umständen verbunden, aus denen sich die Betroffenen in vielen Fällen nicht lösen können – mit demütigenden Praktiken, mit bleibenden Verletzungen, mit Gewalt und Bedrohungen. Das führt bei vielen Prostituierten zu Traumatisierung und körperlichen Schäden.“
Vielleicht liest ja auch die CDU-Fraktion im Kölner Stadtrat mal das Papier aus der Hauptstadt. Und überzeugt ihre Koalitionspartner von Grünen und VOLT, ein neues Pascha zu verhindern. Im Namen der elementarsten Menschenrechte. Auch wenn die Stadt dann in Zukunft auf die „Vergnügungssteuer“ aus dem Hause Pascha verzichten müsste.