Josephine Baker: Ihr Traum

Josephine Baker am 28. August beim "Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit", wo sie ihre Rede hielt.
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Wie sehr Josephine Baker sich im Kampf gegen die Rassentrennung engagiert hat, zeigte sich, unter anderem, als sie am 28. August 1963 an der Seite von Martin Luther King beim "Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit" diese ikonische Rede gehalten hat:

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Freunde und Familie … Ihr wisst, ich lebe schon viele Jahre und ich habe einen langen Weg zurückgelegt. Ich möchte euch sagen, dass ich alles, was ich getan habe, ursprünglich für mich getan habe. Doch dann, als mir all diese Dinge geschehen sind, habe ich mich gefragt, ob es euch auch so ergeht. Und mir wurde klar, dass ihr euch nicht so verteidigen könnt wie ich.

Und als ich fortfuhr, die Dinge zu tun, die ich tat, und sagte, was ich sagen musste, begannen sie, mich zu schlagen. Nicht wie euch mit einem Schläger – aber glaubt mir, auch das habe ich erlebt –, aber sie schlugen mit ihren Stiften und ihren Artikeln auf mich ein. Und Freunde, das ist viel schlimmer.

Als ich ein Kind war und sie mein Zuhause abgefackelt haben, war ich ängstlich und bin davongerannt. Letztendlich bin ich sehr weit weg gerannt in ein Land namens Frankreich. In diesem Land hatte ich nie Angst. Es war ein märchenhafter Ort.

Wenn ich wütend bin, wisst ihr, dann mache ich meinen großen Mund auf.

Als ich St. Louis verlassen habe, hat mich der Zugführer in den letzten Wagen gesetzt. Und ihr alle wisst, was das bedeutet. Doch als ich davonrannte, als ich in dieses andere Land rannte, musste ich das nicht mehr tun. Ich konnte in jedes beliebige Restaurant gehen, und ich konnte überall Wasser trinken und ich musste auch nicht auf die Toilette für Farbige gehen. Ich muss euch sagen, das war wunderbar, und ich habe mich daran gewöhnt. Ich habe die Angst davor abgelegt, dass jemand mich anschreit: „Nigger, stell dich hinten an“.

Als ich dann zurück nach New York kam, gab es einige Aufregung, weil ich in keinem guten Hotel ein Zimmer bekam und in bestimmten Restaurants nicht essen durfte, weil ich schwarz bin. Danach ging ich nach Atlanta und es war der reinste Horror für mich. Und ich sagte zu mir selbst: „Mein Gott, ich bin Josephine Baker. Wenn sie mir das antun, was nur müssen dann andere in Amerika aushalten?“

Das machte mich wütend und wenn ich wütend bin, wisst ihr, dann mache ich meinen großen Mund auf. Und dann Vorsicht, denn wenn Josephine Baker ihren großen Mund aufmacht, hört man sie überall auf der Welt.

Dann dachten sie, sie könnten mich verleumden, und nannten mich eine Kommunistin. Und ihr wisst, was das bedeutet. Damals waren das gefährliche Anschuldigungen und lasst mich euch sagen, dass die Regierungsbehörden in Amerika mich gejagt haben, um zu beweisen, dass ich Kommunistin bin. Aber sie waren einfach nur sauer; sauer, weil ich die Wahrheit ausgesprochen habe und die Wahrheit war, dass ich einfach da eine Tasse Kaffee bestellen wollte, wo es mir gefiel, ich konnte es mir leisten, was sprach also dagegen?

Freunde und Brüder und Schwestern, so hat es sich zugetragen. Und als ich laut genug schrie, begannen sie, die Tür einen Spalt weit zu öffnen und wir alle konnten uns allmählich hindurchzwängen. Nicht nur Farbige, auch alle anderen, die anderen Minderheiten wie Asiaten, Mexikaner, Indianer.

Ich stehe heute nicht vor euch allen hier, um das Lob dafür einzuheimsen für alles, was im Moment geschieht. Das steht mir nicht zu. Aber ich möchte, dass ihr versteht, dass auch ihr dasselbe tun könnt, und Freunde, ich sage euch, wenn ihr schreit, bin ich mir sicher, dass ihr gehört werdet. So wie ihr jetzt gehört werdet.

Aber ihr jungen Menschen, ihr müsst auf eines achtgeben: Ihr braucht eine gute Ausbildung. Ihr müsst zur Schule gehen und ihr müsst lernen, euch zu verteidigen. Ihr müsst lernen, euch mit dem Stift zu verteidigen, nicht mit dem Gewehr. Dann habt ihr die richtigen Antworten für sie. Und ich sage euch – auch wenn das jetzt kitschig klingt –, aber, Freunde: Der Stift ist mächtiger als jedes Schwert.

Freunde, Der Stift ist mächtiger als jedes Schwert.

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Ich bin keine junge Frau mehr, Freunde, mein Leben liegt hinter mir. In mir brennt nicht mehr allzu viel Feuer. Doch bevor es ganz ausgeht, möchte ich, dass ihr euch an diesem Rest entzündet. Tragt es in euch und fahrt fort, das zu tun, was ich getan habe.

Ihr wisst, dass ich immer den steinigen Weg gewählt habe. Nie habe ich es mir leicht gemacht, aber nun, da ich älter werde, weiß ich, dass ich meine Stärke genutzt habe, als ich sie noch hatte, um den Weg ein kleines bisschen zu ebnen. Ich will, dass ihr es einfacher habt. Ich will, dass ihr eure Chance bekommt.

Ladies and Gentlemen, meine Freunde und Familie, mir wurde soeben eine kleine Nachricht übergeben. Es ist eine Einladung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu sich nach Hause, ins Weiße Haus. (Anm. d. Red.: Lyndon B. Johnson)

Ich fühle mich geehrt. Doch ich sage euch eines: Es wird keine farbige Frau dorthin gehen, es wird eine Frau dorthin gehen: Joséphine Baker.

WEITERLESEN: Die detailreiche Biografie von Mona Horncastle: „Josephine Baker – Weltstar. Freiheitskämpferin. Ikone.“ (Molden, 28 €).
Der Film: „Josephine Baker – Ikone der Befreiung“, bis 15.6.22 in der arte-Mediathek.

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