Ruhrpott: Hömma, du Pannemann!
Das Ruhrgebiets-Deutsche ist ja angeblich kein richtiger Dialekt. Aber: Der Ruhri scheißt auf die Linguistik-Professoren und spricht weiter seine Sprache, die eine Menge über das Geschlechterverhältnis zwischen Düsbuich und Doatmunt aussagt.
Wer zum Beispiel das Lexikon „Hömma! Sprache im Ruhrgebiet“ studiert, erkennt rasch, dass in dieser Region für zartbesaitetes Weibchentum kein Raum ist. So bietet das zentrale Nachschlagewerk für Pott-BewohnerInnen für das Wort „Mädchen“ folgende Ersatz-Begriffe an: Brummsummse, Granate, Ische, Keule, Mistbiene, Trulla.
Auch die Synonyme für das Wort „Frau“ liefern ähnlich bodenständige Ergebnisse: Alsche, Mattka, Olle, Perle, Schlunze, Schnäbbelliese, Trulla, Trutschka, Zapfschnecke. Und der „Kawenzmann“, ein oft verwendeter Begriff, hier übersetzt mit „großer, schwerer Mensch“, ist trotz seiner dritten Silbe keineswegs zwingend männlich: „Boah, guckma die Petra Pawellek, dat iss vielleichtn Kawenzmann!“ In dem Wort schwingt ein gewisser Respekt vor der Imposanz der fraglichen Person mit. Petra mag vielleicht dick sein, aber, so viel ist klar: Die kann anpacken.
Auch die Satzbeispiele, die den Einsatz ruhrgebietstypischer Begriffe erläutern, zeigen eindrücklich, wie es um das weibliche Selbstverständnis im Ruhrgebiet bestellt ist. Zum einen zeigt sich hier ganz klar das Prinzip, den Mann auf keinen Fall über - zuversorgen. Das „Hömma!“-Beispiel: „betutteln“ = jemanden besonders intensiv umsorgen, obwohl das gar nicht nötig wäre: „Mensch, Berta, gezz hör aber auf, unser Vatter zu betutteln wie wennern Flegefall wär: der soll sich seine Zaretten ma schön selbs anne Bude holen.“
Wenn der Mann selbst etwas tut, geht es wg. fehlender Lebenstüchtigkeit oft schief. Schön zu sehen an den Einsatzmöglichkeiten des Verbs „abkrücken“ = sich abmühen; etwas ungeschickt und daher mühsam erledigen: „Muss nur ma kucken wie unser Vatta sich einen abkrückt wenner sein Lohnsteuerjahresdingsbums am ausfüllen iss!“
Oder auch das Substantiv „Gepröddel“ = etwas ineinander Verfilztes, ein kaum zu entwirrendes Knäuel: „Hättze ma sehn solln, wie den Heinz sich die Ohrn gebrochen hat alzer sichn Knopp annähn musste! Und wattat Schönste iss: Alzer fettich waa und hinten dat Gepröddel abgeschnitten hat, iss der Knopp vorne wieder abgefalln.“
Die abgesoftete Variante des weiblichen Kommentierens männlichen Handelns besteht darin, den männlichen Tatendrang nicht allzu ernst zu nehmen. Solche überbewerteten Aktivitäten werden gern mit dem Verb „rumturnen“ beschrieben = irgendwo aktiv sein, sich irgendwo hervortun wollen: „Weisse schon, datten Hebbert jetz im Vorstand vonnen Kleingaatenverein am rumturnen iss?“
Dass männliches Tun eher selten von Erfolg gekrönt ist, bedeuet aber keinesfalls, dass die Frau es dem Mann abnehmen sollte. Denn das sportliche Scheitern ist in Wattenscheid oder Wanne-Eickel fest im Lebenskonzept verankert.
A propos Sport. Auch die Diskrepanz im Freizeitverhalten von männlichen und weiblichen Ruhrgebiets-Bewohnern wird sprachlich abgebildet. Zum Beispiel durch: „Fleppe“ = ein betrübtes oder beleidigtes Gesicht machen: „Mensch, dann kuckdoch dein Scheißfußball! Wennze die ganze Zeit sonne Fleppe ziehs habbich auch kein Schnief mehr für im Kino zu gehen.“
Oder auch: „Zeiger“ = jemandem auf die Nerven gehen: „Kannzauma von wat anners reden als von deim bescheuerten Computerspiel da? Gehsse mir nämmich zimmich mit auffen Zeiger!“
Wer nun meint, „Hömma!“ wäre von einem Kampftrupp feministischer Linguistinnen aus Castrop-Rauxel verfasst worden, irrt. Autor Claus Sprick ist erstens ein Mann und zweitens Jurist. Nach einigen Jahren am Amtsgericht Essen-Werden verließ er das Ruhrgebiet, wurde Richter am Bundesgerichtshof und ist daher über jeden Zweifel an seiner Objektivität erhaben.
Die Linguistik-Professoren, die der so präzisen und überaus brauchbaren Sprache im Ruhrpott den Dialekt-Status verwehren, müssen also damit rechnen, mit folgenden Begriffen belegt zu werden: Fatzke, Heiopei, Knülli, Macker, Obermacker, Ollen, Saftarsch, Sausack, Schluffen, Waldheini, Birnemann, Dullmann oder Pannemann. Das sind die Synonyme, die „Hömma!“ für das Wort „Mann“ anbietet.
Claus Sprick: Hömma! Sprache im Ruhrgebiet (Klartext, 8.95 €)
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